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ITALIEN/397: Russland-Sanktionen - Brüssel musste Roms Teilrückzug aus dem Embargo zustimmen (Gerhard Feldbauer)


Premier Draghi erleichtert

Brüssel musste Roms Teilrückzug aus dem Embargo zustimmen

von Gerhard Feldbauer, 1. Juni 2022


Premier Draghi hat auf die auf dem EU-Sondergipfel am Dienstag in Brüssel beschlossenen Korrekturen der Sanktionen gegen Russland erleichtert reagiert. "Das Sanktionsabkommen wurde erfolgreich abgeschlossen, Italien wird nicht bestraft", sagte Draghi laut der Nachrichtenagentur ANSA auf einer Pressekonferenz. Das Abkommen, das den Erdöl-Import per Pipeline ausschließt, sei eine "schwere Geburt" gewesen, die anschaulich zeige, "wie viel die Einheit der EU politisch kostet". Aber ab Ende des Jahres dürfe auch Italien kein russisches Öl mehr importieren. Der frühere EZB-Chef vergaß nicht, die "feste Verankerung der Regierung in der EU und in den historischen transatlantischen Beziehungen" zu betonen.

Brüssel führte an, dass das ursprünglich geplante Embargo an Ungarn scheiterte und vermied geflissentlich zu erwähnen, dass Draghi bereits in der vergangenen Woche mit Putin vereinbart hatte, dass Italien ohne Unterbrechung weiter Gas von Gasprom (30 Milliarden Kubikmeter, 40 Prozent seines Jahresbedarfs an Energie) bezieht und damit einen Teilrückzug aus der Sanktionsfront vollzieht. Zuvor hatte der italienische Energiekonzern ENI der russischen Forderung entsprochen und zwei K-Konten eingerichtet: Eines zur Zahlung in Euro und ein weiteres zur anschließenden Umwandlung in Rubel.

Das teilweise Ausscheren aus der Sanktionsfront hatte Draghi mit Rückendeckung des Präsidenten des Industriellenverbandes Confindustria, Carlo Bonomi, vollzogen, der gewarnt hatte, Auswirkungen der Sanktionen könnten "die italienische Industrieproduktion zum Erliegen bringen". Mit der Einschätzung, dass eine Blockierung russischer Gasimporte "ein Schock für Mengen und Preise" mit "schweren Auswirkungen" wäre, hatte das Dienstleistungsunternehmen die Vereinbarung über die Fortsetzung des Gas-Bezugs untermauert und gewarnt, dass sich das Embargo sonst stark auf die bereits geschwächte italienische Wirtschaft auswirken und zu einem zusätzlichen Anstieg der Energiekosten führen werde.

Die derzeitige, sich weiter verschlechternde soziale und wirtschaftliche Situation verdeutlicht, dass Italien kein anderer Ausweg blieb. Nach Schätzungen des staatlichen Statistikamtes ISTAT verzeichnete der nationale Verbraucherindex ohne Tabak nach einem Anstieg von 6 % im April im Mai einen weiteren Zuwachs von 6,9 %. Das sei ein Ansteigen der Preise für den sogenannten "Einkaufswagen" auf ein seit 36 Jahren nicht mehr erreichtes Niveau.

Während des EU-Gipfels warnte der Präsident des Verbraucherverbandes Assoutenti, Furio Truzzi, die Lage werde durch nicht zu rechtfertigende spekulative Phänomene angeheizt. "Mehr als ein Viertel der Familien befinden sich bereits in ernsthaften Schwierigkeiten und reduzieren oder verzichten sogar auf wesentliche Konsumgüter wie Lebensmittel, Gesundheits- und Körperpflege." Die Inflation richte in der Wirtschaft erheblichen Schaden in Bezug auf das BIP, die Beschäftigung und das Auftreten von Armut an. Er teilte mit, das der Verband für den 10. Juni gegen "steigende Preise" Verbraucher zu einem "Protest der leeren Töpfe" aufgerufen hat.

Draghi beteuerte auf der Pressekonferenz, er müsse die Auswirkungen der steigenden Energiepreise auf die am stärksten gefährdeten Familien und die Interventionen bei Unternehmen, für die bisher etwa 30 Milliarden ausgegeben worden seien, berücksichtigen.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 1. Juni 2022

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