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ITALIEN/407: Gewerkschaftsführer unter Hausarrest - Basisorganisationen sollen mundtot gemacht werden (Gerhard Feldbauer)


Gewerkschaftsführer unter Hausarrest

Basis-Organisationen sollen mundtot gemacht werden

von Gerhard Feldbauer, 20. Juli 2022


Im Morgengrauen hat am Montag in Piacenza ein Polizeieinsatz gegen die Basis-Gewerkschaften der Unione Sindacale di Base und der SI Cobas im Logistiksektor begonnen, bei dem Wohnungen durchsucht und vier Gewerkschaftsführer unter Hausarrest gestellt wurden, berichteten die Organisationen auf ihren Websites.

Die Staatsanwaltschaft von Piacenza bezichtigt die Gewerkschafter in einer 350-Seiten-Anordnung endloser "krimineller Tatsachen" wie Streikposten, Streiks, Lagerbesetzungen, Versammlungen usw. Es werde, so das linke Magazin Contropiano auf seiner Online-Plattform, ein echtes "Justiztheorem" gebaut. USB ist schon lange im Fadenkreuz des Innenministeriums und der Staatsanwaltschaften von halb Italien. Die USB hat ab der heutigen Nachtschicht für 24 Stunden zu einem Generalstreik in der Logistik aufgerufen. Sie appelliert an alle ihre Verbände, in jeder Stadt Protestkundgebungen zu aktivieren, und evaluiert mit ihren Anwälten die gerichtliche Gegenoffensive, um diese Machenschaften und das gewerkschaftsfeindliche Theorem zu entlarven und dagegen anzukämpfen.

"Die polizeilichen Verfolgungen richten sich gegen Gewerkschafter, die mit intensiven Aktionen in einem der Sektoren mit der höchsten Ausbeutungsrate und strategischer Bedeutung für die Wirtschaft des Landes kämpfen", betont Contropiano und hielt weiter fest, dass die Logistikarbeiter in einem strategischen Sektor tätig sind, in dem sie gegen die Profite der Unternehmen und der multinationalen Konzerne, die sie beschäftigen, kämpfen, wobei sie "eine Avantgarde des gewerkschaftlichen und politischen Kampfes" darstellen. An ihrem Beispiel zeige sich, dass sie zu denjenigen gehören, die sich Draghi nicht beugen, uns dass sie diejenigen sind, die sich für den Kampf entscheiden!

In der Tat ist es so, dass Italiens Basis-Gewerkschaften seit Jahren in den Arbeiterkämpfen für soziale Gerechtigkeit ein radikal antikapitalistischer Vortrupp sind. Sie standen dieses Jahr an der Spitze der Hafenarbeiter des Flughafens Galileo Galilei in Pisa, die verhinderten, Waffen für die Ukraine zu verladen, und die von den USA und der NATO geschürte Kriegshetze entlarvten, die zu einem dritten Weltkrieg führen kann. Die Basis-Verbände organisierten im Januar erfolgreich einen Generalstreik im Verkehrs- und Transportsektor, initiierten Arbeitsniederlegungen im Bankensektor, Gesundheitswesen, an den Schulen und in öffentlichen Diensten. Am vergangenen Sonntag waren sie wieder die Kraft, die maßgeblich den europaweiten Streik des Luft- und Bodenpersonals bei dem Billigflieger Ryanair mit organisierte. Ihre Forderungen beschränken sich nicht mehr nur auf soziale Fragen, sondern nehmen politisches Profil an. Davon zeugt, dass sie Front machen gegen die die Interessen des Kapitals vertretende Draghi-Regierung, in der Sozialdemokraten und die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit den Faschisten paktieren.

Die Basisgewerkschaftsbewegung geht auf anarcho- bzw. revolutionär-syndikalistische Strömungen im 19. Jahrhundert zurück, die Antonio Gramsci als Kraft des Kampfes gegen "alles Elend der Unterdrückten" einschätzte. Wurzeln bildeten auch die gegen die opportunistischen Erscheinungen in der Arbeiterbewegung in den 1970er Jahren entstandenen linksradikalen Kräfte wie die "Autonomia operaia" und ihr "Operaismus". Sie lehnen auch die von den drei großen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL mit den Unternehmern geschlossenen Sozialpakte ab. Obwohl Mitgliedszahlen kaum vorliegen, wird ihre Zahl inzwischen insgesamt auf Hunderttausende geschätzt und ist, auch durch Zulauf von CGIL, CISL und UIL, steigend. Nicht nur, dass deren Mitglieder an den Aktionen der USBs teilnehmen, sie zwingen auch deren Vorstände öfter, sich ihnen anzuschließen.

Höhepunkt ihrer bisherigen Aktivitäten war im Mai die Ausrichtung des Kongresses des WGB in Rom, der ihre Arbeit mit der Aufnahme von gleich zwei ihrer Führer - Cinzia Della Porta und Pier Paolo Leonardi - in sein Sekretariat würdigte. Das ruft die Schergen des Kapitals auf den Plan, die ihre Stimme mundtot machen wollen.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. Juli 2022

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