Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/430: Emirat Katar soll EU-Parlamentarier für Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft bestochen haben (Gerhard Feldbauer)


Emirat Katar soll EU-Parlamentarier für Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft bestochen haben

IGB-Generalsekretär Luca Visentini von Unione Italiana del Lavoro (UIL) wird der Beteiligung beschuldigt

von Gerhard Feldbauer, 19. Dezember 2022


Fußball und Korruption sind im Leben der Italiener bekannte Größen. Dass beide zusammenfallen, ist dennoch außergewöhnlich, und dass italienische Spitzen-Gewerkschafter und Politiker der Beteiligung daran beschuldigt werden, gibt dem Skandal eine zusätzliche Dimension. Zu ihnen gehört kein Geringerer als der langjährige führende Gewerkschafter der Unione Italiana del Lavoro (UIL) Luca Visentini, der im November gerade zum Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) gewählt worden war. Zusammen mit weiteren Personen wird er, wie Zeitungen wie Le Soir oder Knack und die Nachrichtenagentur AFP berichteten, von der Staatsanwaltschaft in Brüssel beschuldigt, Abgeordnete und Mitarbeiter des Europaparlaments mit Schmiergeldern und Geschenken bestochen zu haben, damit sie Entscheidungen zugunsten eines Golfstaates unterstützen. Die Anklage erwähne den Namen Katar, des Ausrichters der Fußballweltmeisterschaft, nicht, der jedoch aus anderen Quellen den belgischen Zeitungen bekannt geworden sei. Visentini wurde mit drei weiteren Beschuldigten, darunter der ehemalige Abgeordnete des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), der CGIL-Gewerkschafter Antonio Panzeri, und Eva Kaili von der griechischen sozialdemokratischen PASOK, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, verhaftet und in Untersuchungshaft genommen.

Gegen 16 weitere Verdächtige wird ermittelt. Auch Panzeris Frau und Tochter, Maria Colleoni und Silvia Panzeri, wurden in Calusco d'Adda in der Provinz Bergamo gemäß eines Europäischen Haftbefehls wegen Beihilfe festgenommen und sitzen in Bergamo im Gefängnis. Laut der Nachrichtenagentur ANSA ist auch Marokko über seinen Auslandsgeheimdienst DGED in die mutmaßliche Korruptionsaffäre verwickelt. Den korrupten EU-Parlamentariern sollen mehr als 1,5 Millionen Euro zugeflossen sein. In der Brüsseler Wohnung Panzeris wurden 500.000 Euro Bargeld gefunden und beschlagnahmt.

Die UIL gehört mit 2,3 Millionen Mitgliedern neben der CGIL (5,6) und CISL (4,5) zu den drei großen italienischen Arbeiterverbänden und ist mit dem sozialdemokratischen PD verfilzt. Visentini gehört der UIL seit 1989 an und stieg zu einem ihrer Spitzenleute auf. Von 2006 bis 2011 war er Präsident des Instituts der UIL für historische, wirtschaftliche und soziale Studien (ISSES) und seit 2015 Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), bevor er an die Spitze des IGB aufstieg. Visentini, der, wie das linke Manifesto schrieb, im EGB stets alle vom Parlament und der Europäischen Kommission getroffenen Entscheidungen gegen männliche und weibliche Arbeitnehmer billigte, wird nun beschuldigt, während der Weltmeisterschaftsspiele die Legitimität der Austragung gegen den Vorwurf der Verletzung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten verteidigt zu haben, was den angeblichen Fortschritt der katarischen Monarchie unterstreichen sollte. Dabei ging es, enthüllte die Unione Sindacale di Base (USB), u. a. um die Vertuschung des Todes von 6.500 Arbeitern verschiedener Nationalitäten während der Arbeiten zur Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft. "Noch bevor dieses Championat begann, verschwand dieses tatsächliche Massaker vollkommen aus den Medien."

Visentini weist alle Schuld von sich. In diese Untersuchung sei er hineingeraten, weil er mit der Stiftung "Fight Impunity" bei einigen kulturellen Aktionen zusammengearbeitet habe, sagte er der römischen Zeitung La Repubblica. Der NGO-Stiftung Association against Impunity and for Transitional Justice (Verein gegen Straflosigkeit und für Übergangsjustiz) steht der beschuldigte Panzeri vor. Er saß 2004 bis 2019 im EU-Parlament, darunter ausgerechnet auch im "Ausschuss für Menschenrechte". Während Visentini inzwischen gegen Auflagen aus der Untersuchungshaft in Brüssel entlassen wurde, bleibt Panzeri weiter in Haft.

*

Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 20. Dezember 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang