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ITALIEN/436: Italiens faschistische Ministerpräsidentin will an ENI-Präsident Mattei anknüpfen (Gerhard Feldbauer)


Italiens faschistische Ministerpräsidentin will an ENI-Präsident Mattei anknüpfen

Der wurde wegen seiner Anti-USA-Haltung von der CIA umgebracht

von Gerhard Feldbauer, 27. Januar 2023


Während des Besuchs der faschistischen Ministerpräsidentin Italiens Giorgia Meloni am Dienstag in Algerien hat der staatliche Energiekonzern "Ente Nazionale Idrocarburi" (ENI) fünf Verträge zur weiteren Sicherung der Gasversorgung Italiens geschlossen, darunter die Wiederbelebung eines Pipelineprojekts "Galsi" von Algerien über Sardinien zum italienischen Festland, das bereits 2014 geplant war. Damit werde, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA, Algerien Italiens Hauptgaslieferant und zukünftig potenzieller Hauptpartner und die Halbinsel ein Energieknotenpunkt, "ein Tor nach Europa", außerdem werde der Einfluss Chinas und Russlands in Afrika eingedämmt. Die Financial Times schrieb am Dienstag, Italien greife damit das Beispiel des ENI-Gründers Enrico Mattei auf, unter dem das Unternehmen seit 1954 in Afrika tätig wurde, um "den Kontinent bei der Entwicklung seiner natürlichen Ressourcen zu unterstützen und gleichzeitig Italiens Energieunabhängigkeit zu fördern".

Das britische Blatt übersieht dabei - schlicht gesagt - die historischen und politischen Unterschiede von damals und heute. Die Atantikerin Meloni steht grundsätzlich hinter den USA und der NATO in deren Krieg in der Ukraine, um Russland als eine bipolare Weltmacht auszuschalten. Die Sanktionen stärken die USA und deren Einfluss auf die EU-Staaten, so auch Italien, das gezwungen ist, den Ausfall seines bisher etwa ein Drittel aus Russland bezogenen Gases zu ersetzen.

Der ENI-Präsident war vor dem Zweiten Weltkrieg Chemieunternehmer, im Kampf gegen das Besatzungsregime Hitlerdeutschlands Kommandant einer katholischen Partisanenbrigade, blieb nach Kriegsende Antifaschist und war 1949 Gegner des NATO-Beitritts Italiens und der Blockkonfrontation. Er weigerte sich, die ENI der Herrschaft der in der Standard Oil zusammengeschlossenen US-amerikanischen Erdölgesellschaften, den sogenannten sieben Schwestern, unterzuordnen. Der durch die Marshallplanlieferungen einsetzenden wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit Italiens von den USA versuchte er, eine Barriere entgegenzusetzen. Um Italien aus der einseitigen Abhängigkeit von der Erdölversorgung durch die USA zu lösen, schloss er Verträge mit der Sowjetunion, die vorsahen, 30 % des Landesbedarfs zu sichern. Weitere Lieferungen deckte er durch Abkommen mit arabischen Staaten ab. Das waren damals aus dem nationalen Befreiungskampf hervorgegangene junge Nationalstaaten, die um ihre ökonomische Unabhängigkeit kämpften, die Mattei unterstützen wollte. Heute sind sie dem neokolonialen Joch des Kapitals unterworfen und für ihre kapitalistischen Partnerstaaten wie Italien vor allem Rohstofflieferanten.

Die von Mattei verfolgte Linie der Unabhängigkeit Italiens vom Erdöl der USA berührte aber, von den Profiten, die der Standard Oil damit entgingen, einmal abgesehen, die Versorgung der in Italien dislozierten NATO-Verbände und der im Mittelmeer operierenden 6. US-Flotte, für welche die ENI zuständig war. Wie die Historiker Roberto Faenza und Marco Fini in "Gli americani in Italia" (Mailand 1976) schrieben, wurde von der CIA der ENI-Chef als einer "der gefährlichsten Feinde" der USA und seine Energiepolitik als "eine Bedrohung der amerikanischen wirtschaftlichen und politischen Positionen in Italien und im Nahen Osten" eingeschätzt und dringend empfohlen, "entsprechende Maßnahmen" zu ergreifen. Zumal eine Anzahl Großindustrieller, darunter FIAT-Chef Agnelli, dem Kurs Matteis bezüglich der wirtschaftlichen Unabhängigkeit Interesse entgegenbrachte und ihn, wenn auch nicht offen, unterstützten.

Und die CIA handelte:

Im Januar 1962 wurde ein erstes Attentat auf den widerspenstigen ENI-Präsidenten versucht, das aber entdeckt wurde. Der nächste Anschlag am 27. Oktober 1962 gelang. Mit seinem Privatflugzeug stürzte Mattei bei Pavia ab. Nach der Aufdeckung von Gladio und in den Mafia-Prozessen der 90er Jahre wurde bekannt, dass ein Offizier der Leibwache Matteis, der das Flugzeug vor dem Start inspizierte und den Motor manipulierte, zu Gladio gehörte. Die Ermittlungsakte zum Fall Mattei verschwand kurz nach dem Absturz aus dem Geheimdienstbüro von Pavia. Drahtzieher des Anschlags sollen Leute der Standard Oil und der CIA gewesen sein, die sich auf Sizilien der Hilfe der Mafia bedienten. Brisantes Detail: Zur Zeit des Attentats war John McCone, langjähriger Chef der CIA-Station in Rom, mit einer Million Dollar Aktienbesitzer und Teilhaber an der Standard Oil. Als er später Präsident des ITT-Konzerns wurde, den in Chile die Regierung der Unidad Popular enteignete, gehörte er zu jenen, die den Putsch inszeniert haben sollen, der zur Ermordung Präsident Allendes und zur Errichtung der faschistischen Pinochet-Diktatur führte.

Die New York Times schrieb bereits am nächsten Tag von Umständen, "durch die der Tod eines einzelnen eine Bedeutung für die ganze Welt bekommen kann". Für Washington brachten diese "Umstände" mit einem Schlag die Lösung aller Probleme, die Mattei bereitet hatte. Der Befürworter einer sozialverträglichen Lösung der "kommunistischen Frage" war ausgeschaltet. Unter dem nun wachsenden Einfluss der proatlantischen Kreise wurde in Rom postwendend ein ENI-Nachfolger ernannt, der ganz nach dem Geschmack der Standard Oil war: Eugenio Cefis, der als Finanzier der Faschisten im Geflecht der von der CIA zur Ausschaltung der Kommunisten betriebenen Spannungsstrategie und der Verwicklung in rechtsextreme Putschversuche sowie Mafia-Aktivitäten unrühmlich bekannt wurde. Cefis unterzeichnete bereits im März 1963 ein neues langfristiges Abkommen, welches die italienische Ölversorgung ganz unter die Kontrolle der Standard Oil stellte.

Mit der Benennung der Zusammenarbeit mit Algerien als "Mattei-Plan" will die Faschistin Meloni den Antifaschisten Mattei, der auch "die kommunistische Frage in Italien über kraftvolle soziale und ökonomische Reformen herbeiführen" und die 1947 auf Geheiß der USA aus der Regierung vertriebenen Sozialisten und Kommunisten wieder aufnehmen wollte, für sich vereinnahmen, um so zu verdecken, dass ihr FdI-Vorgänger in Gestalt des MSI und ihre US-amerikanischen Freunde in diese Umtriebe bis hin zum Mord an Mattei knietief verwickelt sein sollen.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 27. Januar 2023

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