Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → REDAKTION

PARTEIEN/247: Bankenkrise in Irland - politisches Chaos in Dublin (SB)


Bankenkrise in Irland - politisches Chaos in Dublin

Die Koalitionsregierung aus Fianna Fáil und den Grünen vor dem Aus


Die am Abend des 21. November erfolgte Bekanntgabe der Entscheidung der irische Regierung, nach monatelangen gegenteiligen Beteuerungen zur Bewältigung der Bankenkrise auf der grünen Insel doch noch Finanzhilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Kommission, Großbritanniens und Schwedens in Höhe von 80 bis 90 Milliarden Euro anzunehmen, hat in Dublin heftige politische Turbulenzen ausgelöst. Der kleinere der beiden Koalitionspartner, die Partei der Grünen, hat am darauffolgenden Tag von Premierminister Brian Cowen Neuwahlen gefordert - und bekommen. Am selben Abend hat Cowen Neuwahlen bis Ende des Jahres, spätestens Januar 2011 angekündigt. Die Opposition fordert ihrerseits Neuwahlen sofort - das hieße innerhalb von drei Wochen. Nun weiß niemand, was aus dem "Hilfspaket" wird, mittels dessen die EU ein Überspringen der Finanzkrise von Irland auf Portugal - und danach eventuell auf Spanien, Italien und Großbritannien - verhindern wollte.

Derzeit verfügt die Regierungskoalition aus der nationalkonservativen Fianna Fáil und den Grünen im Dubliner Parlament - Dáil Éireann - über eine hauchdünne Mehrheit von drei Stimmen. Am 25. November findet im Bezirk Donegal South-West eine Nachwahl statt, bei der alle Umfragen auf einen Sieg von Pierse Doherty, dem Kandidaten der linksnationalen Partei Sinn Féin, hindeuten. Bereits am 24. November wollte die Regierung den Vierjahresplan veröffentlichen, den sie mit IWF und EZB abgesprochen hat und mit dem bis 2014 die Neuverschuldung unter die Maastricht-Dezifitgrenze von drei Prozent gebracht werden soll (Derzeit liegt sie bei 32 Prozent des Bruttosozialprodukts), und am 7. Dezember den dazugehörigen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr dem Parlament zur Abstimmung vorlegen.

Die Opposition - bestehend aus der ebenfalls nationalkonservativen Fine Gael, der sozialdemokratischen Labour Partei und Sinn Féin - lehnt die Pläne der Regierung ab und behauptet, letztere habe kein Mandat und auch kein Recht dazu, dem Land auf vier Jahre hinaus ein finanzielles Korsett anzulegen, das mit schmerzhaften Einschnitten in vielen Bereichen - besonders bei Bildung, Gesundheit und Sozialem - einhergehen wird. Ihrerseits argumentiert die Regierung, allen voran Finanzminister Brian Lenihan, Vierjahresplan und Haushalt müßten so rasch wie möglich vom Parlament verabschiedet werden, um das Land vor dem endgültigen Finanzkollaps und die anderen Staaten in der Eurozone vor weiteren Angriffen durch Spekulanten auf den internationalen Finanzmärkten zu bewahren.

Die Appelle der "two Brians" - Cowen und Lenihan - an das patriotische Gewissen dürften in den Ohren zahlreicher Iren wie der reine Hohn klingen. Das Krisenmanagement von Premier- und Finanzminister gilt im allgemein als suboptimal. Viele Menschen werfen den beiden Fianna-Fáil-Politikern vor, durch die Bankengarantie vor zwei Jahren ihren Amigos in der Finanzwelt und im Bausektor geholfen, dafür jedoch das Land in den Staatsbankrott gesteuert zu haben. Hinzu kommt die katastrophale Informationspolitik im Vorfeld der Ankunft der IWF-EZB-EK-Expertengruppe, mit der letzte Wochen Cowen und Lenihan ihr letztes Quentchen Glaubwürdigkeit verspielt haben.

In den jüngsten Umfragen liegt Fianna Fáil auf einer historischen Tiefe von 17 Prozent. Ihr steht nicht nur eine verdiente Erholungspause auf den Oppositionsbänken bevor, sondern es droht eventuell mehr als der Hälfte aller Fianna-Fáil-Abgeordneten der Verlust ihres Sitzes im Parlament. Deswegen rumort es bei den Fianna- Fáil-Hinterbänklern, von denen einige bereits Cowen die Gefolgschaft aufgekündigt haben. Dies wiederum läßt Zweifel aufkommen, ob die Regierung überhaupt die knappe Mehrheit wird aufbringen können, um den Vierjahresplan und den Haushaltsentwurf durch das Parlament zu bringen. Auf eine solche vertrackte Lage paßt die englische Redewendung "All bets are off", die als "alle Wetten sind ungültig" oder "es werden keine Wetten mehr angenommen" übersetzt werden könnte.

23. November 2010