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AUSSENHANDEL/169: Das EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 307 - Januar 2008
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Eine gegen Alle

Von Berit Thomsen


Die EU drückt ein bilaterales Freihandelsabkommen nach dem anderen durch. Das aktuellste Beispiel ist das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA - European Partnership Agreement).

EU-Handelskommissar Peter Mandelson behielt sein Pokerface bis zum Schluss. In den Verhandlungen um Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den 79 Ländern Afrikas, Asiens und des Pazifiks (AKP-Staaten), die den Ende diesen Jahres auslaufenden Cotonou-Vertrag ersetzen sollen, spielte er die besten Karten aus. Die ehemaligen Kolonien würden ihre Handelspräferenzen in die EU für fast alle Produkte verlieren, wenn sie nicht bereit wären, ihrerseits die Einfuhrbarrieren für EU-Produkte fast komplett abzuschaffen. Auch würde ohne ein Abkommen die zusätzlich angekündigte Zahlung von Entwicklungshilfe gestrichen.


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Experten haben aber bereits vorgerechnet, dass zum Beispiel Namibias Wirtschaft nach Öffnung der Grenzen mit 45 Millionen Euro Verlust rechnen muss. Die Verluste wären dann rund vier mal höher als die jährliche Entwicklungshilfe aus der EU. Alle wissen, dass die freie Fahrt von EU-Billigimporten fatale Auswirkungen auf die lokalen Märkte von Entwicklungs- und Schwellenländern hat (siehe Interview gegenüberliegende Seite). Und trotzdem haben am Ende bis auf acht Länder die AKP-Staaten Freihandelsabkommen mit der EU zugestimmt (bis Redaktionsschluss der BS).


Die EPA-Verhandlungen

Seit 2002 verhandelte die EU mit den AKP-Ländern über neue Handelsregeln. Für die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen führte die EU seither die Verhandlungen mit den in sechs Regionen aufgeteilten AKP-Ländern einzeln. Auf der handelspolitischen Tagesordnung standen der Abbau von Zöllen für Agrar- und Industriegüter, aber auch die so genannten Singapur-Themen: Investitionen, Wettbewerb, Handelserleichterungen und öffentliches Beschaffungswesen. Gegen diese Themen haben die Entwicklungsländer in der Welthandelsorganisation (WTO) erfolgreich opponiert und erreicht, dass sie aus den laufenden Verhandlungen gestrichen werden. Auch der Abbau der Handelsschranken für Güter in den AKP-Ländern geht weit über die WTO-Verhandlungen hinaus, die im Schnitt eine Halbierung der Zölle für Industrieländer und eine etwas geringere Zollsenkung für Entwicklungsländer vorsehen. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen sollen die AKP-Staaten ihre Zölle gegenüber der EU abbauen und zwar auf Null.


Zersplitterung der Regionen

Über Jahre konnte keine Einigung erzielt werden. Ohne Anschlussregelung hätten die AKP-Länder ab 1. Januar 2008 ihre Handelspräferenzen für ihren Export in die Gemeinschaft verloren. Mit dem immer näher rückenden Jahresende haben dann die ersten fünf Länder in Ost- und Südafrika angekündigt, dass sie einem Interimsabkommen zustimmen wollen. Darin sagen die Länder zu, ihre Zölle für Güter in den kommenden Jahren abzuschaffen, und verpflichten sich, noch im nächsten Jahr über die Singapur-Themen zu verhandeln. Eine ähnliche Zusage machten kurze Zeit später vier weitere afrikanische Länder.

Die Verhandlungsmacht der AKP-Länder zerbröckelte und am 14. Dezember haben allen voran afrikanische Länder ihre Zusage für ein Interimsabkommen signalisiert, und die Länder der Karibik wollen bis Jahresende sogar noch ein vollständiges Wirtschaftspartnerschaftsabkommen abschließen. "Das ist Besorgnis erregend", kritisiert Kerstin Bertow von Oxfam. "Abkommen mit einzelnen Ländern und Ländergruppen abzuschließen erhöht den Druck auf die anderen AKP-Staaten, sich auf Freihandelsabkommen mit der EU einzulassen, obwohl diese verheerende Folgen für ihre eigene wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hätten. So verringern beispielsweise sinkende Zölle die Staatseinkünfte und schränken den finanziellen Spielraum der Länder bei Ausgaben für Gesundheit und Bildung erheblich ein."


Folgen für die WTO-Gespräche

Im Gegensatz zu den multilateralen Handelsgesprächen in der WTO, in der die EU die Abschaffung der Exportsubventionen bis 2013 angeboten hat, ist in den EPA-Verhandlungen eine Abschaffung der Ausfuhrerstattungen lediglich als mögliche Option angegeben. Auch die Implementierung wirksamer Schutzmechanismen für Entwicklungsländer, wie es in der WTO angedacht ist, wird von der EU in den regionalen Freihandelsabkommen mit den AKP-Ländern nicht angestrebt werden. Marita Wiggerthale von Oxfam fürchtet negative Auswirkungen dieser Abkommen auf die WTO-Gespräche: "Die EPA-Verhandlungen bringen die Entwicklungsländer in eine ungünstige Verhandlungsposition, um ihre Entwicklungsanliegen in den WTO-Verhandlungen durch zu bringen, weil sie Spielräume für spezielle Schutzmechanismen, den Dienstleistungssektor und die Industriegüter bereits aufgegeben haben."


Weitere bilaterale Gespräche

Da die Verhandlungen in der WTO stocken und ein Abschluss in absehbarer Zeit immer unwahrscheinlicher wird, treibt die EU-Kommission auch noch andere bilaterale Verträge zur Marktöffnung an und immer mehr Länder kommen ins Visier. Mit Indien laufen Gespräche zum Ausbau der Handelsbeziehungen. Zur Grünen Woche soll erstmals eine deutsch-indische Agrarkommission tagen. Ebenso will die Kommission im nächsten Jahr die Verhandlungen mit der ASEANGruppe fortführen, zu der Länder wie Indonesien, Thailand und Malaysia gehören. Auf Eis gelegt sind die Gespräche mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur, zu dem auch Brasilien zählt. Die EU zeigt sich zögerlich, da Brasilien ein starker Agrarexporteur ist. Deshalb ist Mandelson im Dezember nach Mexiko, Guatemala und Kolumbien gereist, um mögliche Chancen für die Ausweitung des Handels zu erkunden.


Ventil für Schweinemarkt

Bei den Verhandlungen mit Südkorea hofft die EU-Kommission bereits im ersten Halbjahr 2008 weitere Fortschritte zu erzielen und das Abkommen vielleicht sogar abzuschließen. Der Vertreter des Deutschen Bauernverband in Brüssel, Willi Kampmann, sieht in dem südkoreanischen Markt eine Chance etwa für den Export von Schweinefleisch. In der EU werden seit längerem mehr Schweine produziert als verbraucht. Dementsprechend niedrig sind die Preise. Aber profitieren die Bauern aus Deutschland und der EU von solchen Exportmärkten? Schweineproduzent Günther Völker aus Rheda-Wiedenbrück (NRW) sieht das skeptisch: "Es ist keine Stabilität in diesen Absatzwegen. Wenn ein Konkurrent auf dem Weltmarkt billiger anbieten kann, dann bricht hier alles weg." Im Gegensatz zu Milchpulver oder Butter sei Fleisch ein Frischprodukt. "Diese Waren müssen zügig weg aus der EU", so Völker.


Fazit

Die Freihandelsabkommen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Die immerhin kleinen Erfolge, die in den WTO-Verhandlungen errungen wurden, fallen dabei unter den Tisch. Die EU als Wirtschaftsmacht bestimmt die Regeln, wobei es in der Hauptsache um mehr Marktzugang geht. Der Marktzugang muss aber, egal ob regional oder multilateral, qualifiziert werden für eine soziale, umweltverträgliche und zukunftsfähige Landwirtschaft auf dieser Welt.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 307 - Januar 2008, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2008