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AUSSENHANDEL/225: Südliches Afrika - Gespräche über EU-Partnerschaftsabkommen in der Sackgasse (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Juli 2013

Südliches Afrika: Gespräche über EU-Partnerschaftsabkommen in der Sackgasse

von Servaas van den Bosch


Bild: © Patrick Burnett/IPS

Die Fischerei steuert mindestens zehn Milliarden Dollar zur afrikanischen Wirtschaft bei
Bild: © Patrick Burnett/IPS

Windhuk, 19. Juli (IPS) - Das Scheitern der letzten Gespräche über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der Europäischen Union im Juni hat die Gefahr für die Länder des südlichen Afrikas, ihre Vorzugsbehandlung beim Zugang zum lukrativen EU-Markt zu verlieren, erheblich erhöht. Experten zufolge könnten die Verhandlungen im Herbst die letzte Chance sein, das Unheil abzuwehren.

Doch der Besuch von EU-Handelsminister Karel de Gught in der dritten Juliwoche im südlichen Afrika hat vor allem eins klar gemacht: die Vorstellungen der beiden Weltregionen gehen weit auseinander. Die schwierigen Handelsgespräche zwischen der EU und der EPA-Gruppe der Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC), die aus den Ländern Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland (BLNS) sowie Angola, Mosambik und Südafrika besteht, haben die auf 2008 festgelegte Frist bereits um fünf Jahre überschritten.

Südafrika hat sich den Verhandlungen erst vor zwei Jahren angeschlossen. Das wirtschaftliche Kraftwerk des Kontinents ist bemüht, vor allem für seine Agrarprodukte bessere Bedingungen im Rahmen des Abkommens für Handel und Entwicklungszusammenarbeit auszuhandeln.

Die BLNS, die rund 80 Prozent ihres Warenaustauschs mit Südafrika abwickeln, gehören zusammen mit dem Kapstaat der Südafrikanischen Zollunion an (SACU). Dass Südafrika auf der Bildfläche erschienen ist, hat Vor- und Nachteile für die Verhandlungen und die regionale Wirtschaftsintegration.

Während die beiden wirtschaftlichen Schwergewichte Südafrika und EU auf Konfrontationskurs gehen, halten sich die kleineren Länder des südlichen Afrikas lieber im Hintergrund.

Die Gespräche vom 14. bis 21. Juni in Brüssel kamen kaum von der Stelle. "Im Grunde sind wir dort, wo wir bereits im letzten Jahr waren", meinte Rejoice Karita, Handelsberaterin des Forums für Agrarhandel, einem namibischen Unternehmen, das die Interessen der Landwirtschaftsindustrie vertritt.


Pattsituation

Die EU ist der Meinung, dass Südafrika den Europäern größere Zugeständnisse beim Zugang zu seinem Markt machen sollte. Sie verlangt den Marktzugang für 67 Zolltarifpositionen. Pretoria hingegen will die Zahl auf 20 begrenzen. Auch hält der Kapstaat am Schutz seiner Milch- und weiterverarbeiteten Produkte wie Schinken und Süßwaren fest.

Das derzeitige Patt gefährdet jedoch die Verhandlungen über landwirtschaftliche Sicherheitsnetze, wie sie gerade für die kleinen Volkswirtschaften des südlichen Afrikas so wichtig sind. Es geht um das Recht, Zölle zu erhöhen oder Quoten vorzugeben, wenn ein plötzlicher Anstieg der Importe die lokale Agrarproduktion gefährdet. Doch ohne ein Entgegenkommen Südafrikas ist die EU zu solchen Zugeständnissen nicht bereit.

Karita misst der kommenden Verhandlungsrunde im September und Oktober große Bedeutung bei. "Da beide Blöcke auf ihren Positionen beharren, ist es allerdings unwahrscheinlich, dass in die Gespräche Bewegung kommt", meint sie und wirft der Europäischen Kommission vor, mit der Aufnahme neuer Paragraphen in den Vertragstext den Verhandlungsprozess nur noch weiter zu verschleppen und Namibia über kurz oder lang zu benachteiligen.

Ein größerer Stolperstein ist die Frage nach den Exportsteuern. Aufgrund der chinesischen Konkurrenz ist die EU an einem begünstigten Zugang zu den Rohstoffen interessiert, die die Entwicklungsländer des südlichen Afrikas jedoch besteuern wollen, um ihren Ausfuhren einen Mehrwert zu geben und die lokale Wirtschaft entwickeln zu können.

Wie de Gught in der namibischen Hauptstadt Windhuk gegenüber IPS erklärte, ist die Frage der Exportsteuern so gut wie gelöst. Es müsse nur noch über Industrieexportsteuern verhandelt werden. Doch der namibische Unterhändler Malan Lindeque meinte dazu, dass man nicht damit einverstanden sei, dass über die Angelegenheit einfach hinweggegangen werde.


Namibia beharrt auf Rohstoffexportsteuern

"Exportsteuern sind für Namibia von großer Bedeutung. Wir sind in erster Linie Rohstoffexportländer. Es ist uns wichtig, dass wir mit den Exportsteuern vorankommen", sagte er gegenüber IPS und kritisierte die Entscheidung der Europäer, für die Gespräche eine Frist bis Oktober 2014 festgesetzt zu haben. Danach verliert Namibia seine Zugangserleichterungen zum EU-Markt.

Lindeque befürchtet zudem, dass sich ein erweiterter Südafrika-Zugang für europäische Agrargüter über die Zollunion des Südlichen Afrikas negativ auf den namibischen Markt auswirken wird. "Schon jetzt haben europäische Produkte erhebliche Wettbewerbsvorteile. So ist es preiswerter, Grundnahrungsmittel aus Europa zu importieren als sie lokal zu erzeugen. Es ist immer eine Sisyphusarbeit für lokale Produzenten, ihre Produkte in die lokalen Geschäfte zu bringen geschweige denn sie innerregional zu exportieren."

Auch wenn sich Europa bei den Gesprächen mit den Ländern des südlichen Afrikas bemüht, den richtigen Ton zu treffen, werden die Verhandlungen, wie der letzte Besuch von de Gught gezeigt hat, von Anschuldigungen und Misstrauen beherrscht.

Als Angel Carro, Leiter der Abteilung Südliches Afrika des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Kommission, vor den Juni-Handelsgesprächen Namibia einen Höflichkeitsbesuch abstattete, ging die freundlich gemeinte Geste nach hinten los. So wurde Carro von lokalen Kommentatoren als "Euro-Gauner" bezeichnet, als er in einem Interview vor Ort erklärte, dass Namibia aufgrund seines Wirtschaftswachstums und seines Status als Land mittleren Einkommens die EU-Hilfe gekürzt werde.

2011 hatte die Weltbank Namibia angesichts seines Pro-Kopf-Einkommens von 4.700 US-Dollar als Land mittleren Einkommens eingestuft. Zahlen der internationalen Finanzorganisationen belegen ferner, dass sich das Wirtschaftswachstum des Landes 2012 auf 4,9 Prozent belief.


Eurokrise führt zu Ansehensverlust

Das Ansehen der ehemaligen Kolonialmächte hat seit der Eurokrise gelitten, zumal einige Verhandlungsstaaten der SADC-EPAs und insbesondere Botswana, bessere wirtschaftliche Ergebnisse vorweisen können als etliche EU-Mitgliedstaaten.

Andererseits stagniert die Wirtschaft Südafrikas. Im letzten Jahr konnte das Land lediglich ein Wachstum von 2,5 Prozent vorweisen. Mit einem schwachen Wechselkurs und Investoren, die das Land meiden, wird der Kapstaat schmerzlich daran erinnert, dass er noch weit davon entfernt ist, den Wirtschaftskurs des Kontinents vorzugeben. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/07/southern-african-trade-talks-stall-and-the-clock-ticks/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2013