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AUSSENHANDEL/264: Die EPA-Verhandlungen in 2014 und heute (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015
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Die EPA-Verhandlungen in 2014 und heute

Eine Bestandsaufnahme

von Dr. Boniface Mabanza


Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs - Economic Partnership Agreement) bezeichnen die Freihandelsabkommen, welche die EU mit den 78 Ländern Afrikas, der Karibik und dem pazifischen Raum auf der Grundlage des Cotonou-Abkommens verhandelt. Zum Kernpunkt der EPAs gehören die Regeln und der Zeitplan für die Marktöffnung der AKP-Länder gegenüber Gütern aus der EU. Darüber hinaus sollen Verhandlungen zur Liberalisierung des Dienstleistungssektors, der Investitions-, der Wettbewerbsregeln und des öffentlichen Beschaffungswesens durchgeführt werden. Die EPAs sollen angeblich die Kompatibilität mit den WTO-Regeln gewährleisten, welche durch die nicht reziproken Handelspräferenzen der Lomé-Abkommen (1975-2000) verletzt werden.


Im Jahr 2014 überschlugen sich die Ereignisse im Hinblick auf die EPA-Verhandlungen. Waren die Verhandlungen zwischen 2008 und 2013 noch blockiert [1], ging ab Mitte 2014 alles sehr schnell: Kamerun ratifizierte das bereits 2009 unterzeichnete Interimsabkommen mit der EU, das von der EU als Zentralafrika-EPA dargestellt wird und die drei EPA-Regionen Westafrika (ECOWAs+Mauretanien), Ostafrika (EAC) und Südliches Afrika (SADC) paraphierten nacheinander die umfassenden Abkommen über Warenhandel. In Westafrika sollen seit Dezember 2014 sogar elf der sechzehn Mitglieder dieser Region das EPA unterzeichnet haben. Bis jetzt hat sich keine der elf betroffenen Regierungen getraut, offiziell mitzuteilen, die EPAs unterzeichnet zu haben. Dies hat zur Folge, dass die Situation der gesamten Region unübersichtlich erscheint und die Vorbereitungen der Ratifizierung im EU-Parlament erschwert.

Die SADC- und EAC-EPAs gehen hingegen etwas langsamer. Die Endfassungen und Überprüfung der Texte stehen noch aus, bevor die Unterzeichnung vollzogen wird. Was Westafrika angeht, hat das EU-Parlament bekannt gegeben, dass der Ratifizierungsprozess im EU-Parlament nicht erfolgen kann, solange der Unterzeichnungsprozess nicht abgeschlossen ist.


EU-Kommission unter Druck

Seitdem die für den 31. Dezember 2007 für den Abschluss der EPA-Verhandlungen gesetzte Frist überschritten wurde, steht die EU-Kommission unter starkem Druck der Mitgliedsstaaten, die letztlich für die Verhandlungen zahlen. Es sollten so schnell wie möglich zufriedenstellende Ergebnisse vorgewiesen werden, auch wenn es ab 2012 unter den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten einzelne Stimmen zum Aussetzen der EPA-Verhandlungen aufgrund ihrer Belastung für die EU-Afrika-Beziehung gab. Als Alternative lag der Vorschlag der afrikanischen Union vor, eine afrikanische Freihandelszone zu errichten. Doch der Druck anderer EU-Länder zum Abschluss der EPAs war zu groß. Mit der Marktzugangsreform der EU-Kommission von 2012 der EU-Kommission, als Versuch die afrikanischen Länder zur Unterzeichnung zu bewegen, sahen sich die verschiedenen EPA-Regionen, genauer gesagt die Schlüsselländer [2] in diesen Regionen, gezwungen, ihr jeweils regionales Abkommen zu paraphieren, um ihren präferentiellen Marktzugang zur EU nicht zu gefährden. Dies wurde von der EU-Kommission als voller Erfolg verbucht. Nicht nur konnte sie Bewegung in die erstarrten Verhandlungen bringen, sondern auch einige strittige Punkte für sich bestreiten. So verspricht sie Kompensationen für den Verlust der staatlichen Einnahmen, ohne aber eine formale Verpflichtung über das hinaus zu geben, was das Cotonou-Abkommen und der Europäische Entwicklungsfond (EDF) bereits als finanzielle Leistungen garantieren. Und auch im Bereich der Menschenrechte konnte sie einige Dispositionen der umstrittenen Nichterfüllungsklausel, welche die Umsetzung der demokratischen und Menschenrechtsstandards hätte gewährleisten sollen, durch das Regelwerk streuen, was einigen Fraktionen im EU-Parlament gefällt. Angesichts der Tatsache, dass diese Klausel von einer Mehrheit der interessierten Öffentlichkeit in Westafrika aus guten Gründen abgelehnt wurde, ist dies als Erfolg zu verbuchen.


Afrikanische EPA-Regionen geben sich selbstbewusst

Doch auch die Regierungen afrikanischer Länder haben es ihrerseits verstanden, die Punkte herauszustellen, welche aus ihrer Sicht als Erfolge gelten. Südafrika beispielsweise steht laut seinem Handelsminister Rob Davies besser da als unter dem Trade, Development and Cooperation Agreement (TDCA), das 2004 zwischen der EU und Südafrika geschlossen wurde. Insbesondere hinsichtlich der Exportsteuern, die nun erhöht werden dürfen, und der 32 Agrarprodukte, die Südafrika nun in die EU exportieren darf. Außerdem sollen die Mengen für zollfreien Wein erhöht werden. Südafrika erhofft sich daraus die Entstehung zusätzlicher Arbeitsplätze im Agrarbereich. Der namibische Handels- und Industrieminister Calle Schlettwein wiederum betonte die zufriedenstellenden Ergebnisse, unter anderem in Bezug auf die viel diskutierte Meistbegünstigungsklausel. Diese beinhalte nicht, wie von der EU erwünscht, dass alle ökonomischen Vorteile, die die SADC einer anderen wirtschaftlich starken Nation gewährt, automatisch auch für die EU gelten sollen. So habe sich die Region weitere Optionen für zukünftige Süd-Süd-Kooperationen bewahrt. Der Eindruck, dass diese Darstellungen gegenüber den eigenen Parlamenten und der Öffentlichkeit sehr selektiv sind verfestigt sich, wenn man mit Unterhändlern dieser Region spricht. Sie sehen die Ergebnisse weniger euphorisch als die Minister. Vor allem sind, sie sehr skeptisch im Blick auf die Umsetzung dieses Regelwerkes. Was die Minister beider Regierungen und anderer SADC-Länder gerne verschweigen, ist die Frage nach der Zukunft der SADC: Was wird aus der regionalen Integration in der SADC angesichts der durch die EPAs entstandenen Gefahren? Wird das Inkrafttreten des "SADC-EPAs" nach der Definition der EU nicht das Ende aller Regionalintegrationsprozesse der "afrikanischen" SADC bedeuten?

Ein Vergleich mit anderen afrikanischen Regionen bestätigt die Selektivität der Darstellung der Handelsminister aus Namibia und Südafrika. In Westafrika zum Beispiel gewinnt man den Eindruck, dass keine Regierung sich traut, die Unterzeichnung der EPAs offiziell zu kommunizieren, geschweige denn Gründe zu erwähnen, warum die EPAs plötzlich gut sein sollten. Der letzte, gerade geschiedene nigerianische Handelsminister Olusegun Aganga erklärte, es klinge vielversprechend, dass die EU der ECOWAS und Mauretanien 100 % Zugang zum EU-Markt gewähre, während die westafrikanische Region selbst mit ihren 300 Millionen KonsumentInnen zum jetzigen Zeitpunkt "nur" eine graduelle Marktöffnung von 75 % über 20 Jahre umsetzen muss. In der Praxis sei dieses Abkommen jedoch nicht im Interesse der nigerianischen Wirtschaft, die nicht viel nach Europa zu exportieren hat. Die nigerianische Marktöffnung für die EU dagegen beeinträchtige die Entwicklung des eigenen industriellen Sektors, da dieser trotz seines großen Potenzials noch nicht konkurrenzfähig sei. Weitere Folgen seien der Verlust von Staatseinnahmen und Arbeitsplätzen. Dies gilt auch für Länder der Region, die dem Druck der EU nicht standhalten konnten.


Zivilgesellschaft soll kritisch bleiben

Noch schwerer als die Regierungen Westafrikas tun sich zivilgesellschaftliche Organisation, sowohl in den afrikanischen EPA-Regionen als auch in Europa, damit, den EPAs etwas Positives abzugewinnen. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich sehr stark für den Widerstand der afrikanischen Länder gegenüber der EU eingesetzt. Zum Teil ist die kritische Haltung der Regierungen bei vielen strittigen Themen auf sie und ihre Expertise zurückzuführen. Trotzdem fällt es vielen Organisationen nicht leicht, die eigenen Erfolge hervorzuheben. Vielmehr macht sich ein Gefühl der Niederlage breit, was in einer Art Demobilisierung Ausdruck findet. Zudem messen sich viele Akteure nach wie vor an dem ganz zu Beginn der Kampagne gegen die EPAs selbst formulierten Anspruch: Mit vereinten Kräften die EPAs verhindern. Für viele dieser Organisationen ging es nie darum, durch Konzessionen der EU-Kommission ein "besseres" Abkommen zu erreichen, sondern durch das Scheitern der EPA-Verhandlungen ein neues Kapitel der Beziehungen zwischen Europa und Afrika einzuleiten, das das Ende der neokolonialen Durchdringung festschreibt. An dieser Grundorientierung gilt es angesichts der bevorstehenden Ratifizierungsprozesse festzuhalten.

Die EU-Kommission ist froh, nach zehn Jahren zäher Verhandlungen, nun aus ihrer Perspektive zufriedenstellende Ergebnisse präsentieren zu können, während sich die afrikanischen Regierungen schwer tun, die unter Druck zustande gekommenen regionalen Abkommen zu verteidigen. Für die Zivilgesellschaft in Afrika und in Europa gilt nun, sich auf ihre starken Momente während der Verhandlungen zu besinnen, um durch die Mobilisierung der VolksvertreterInnen eine Ratifizierung dieser Abkommen zu verhindern.


Der Autor ist Koordinator der Kirchlichen Arbeitstelle Südliches Afrika in der Werkstatt Ökonomie/Heidelberg.


Endnoten

[1] Abgesehen vom ESA-Interimsabkommen, das 2013 von Simbabwe, Mauritius, den Seychellen und Madagaskar und ohne Sambia und Malawi unterzeichnet wurde.

[2] Ghana und die Elfenbeinküste in Westafrika, Kenia in Ostafrika, Botswana und Namibia im Südlichen Afrika.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015, S.
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2015

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