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AUSSENHANDEL/301: Im Handelsstreit mit den USA spielt die Zeit für die EU (idw)


Hans-Böckler-Stiftung - 28.05.2018

IMK: Im Handelsstreit mit den USA spielt die Zeit für die EU - Zölle haben in der Vergangenheit vor allem US-Wirtschaft geschadet

Europäer sollten Quotenmodell aushandeln


Im Handelsstreit mit den USA sind die EU-Staaten in einer relativ starken Verhandlungsposition. Denn nach den Erfahrungen mit vorausgegangenen ähnlichen Auseinandersetzungen spielt die Zeit für die Europäer. Erfolgreich kann eine Strategie sein, die - möglichst hohe - Exportquoten für Stahl und Aluminium auf den US-Markt aushandelt unter der Bedingung, dass europäische Exporteure dafür dauerhaft von den Zöllen auf diese Produkte ausgenommen werden.
Der Schaden durch solche mengenmäßigen Obergrenzen dürfte relativ gering sein. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung*.

Es spreche zwar viel dafür, dass die US-Regierung mit ihren Abgaben auf Stahl und Aluminium vor allem Richtung Kanada, Mexiko, Südkorea und die EU-Länder ziele - und weniger auf China, schreibt IMK-Außenhandelsexpertin Dr. Sabine Stephan in ihrer Analyse. Schließlich seien mehr als 90 Prozent der US-Importe dieser Warenklassen aus dem Reich der Mitte schon seit längerem mit Zöllen belegt gewesen.

Die Europäer könnten aber trotzdem in Verhandlungen "ihre Interessen ebenso selbstbewusst vertreten, wie die amerikanische Seite". Denn Washington baue zwar hohen Druck auf, bestehende Agreements in den Handelsbeziehungen zu revidieren. Es gehe dabei jedoch nicht um tiefgreifende Reformen, "sondern um punktuelle Verbesserungen zu ihren Gunsten, die US-Präsident Trump im Wahlkampf für die Midterm Elections im Herbst als handelspolitische Erfolge vermarkten kann."

In dieser Konstellation seien Zugeständnisse möglich, die europäischen Exporteuren weniger wehtun als es zunächst scheint, und die schon nach relativ kurzer Zeit wieder hinfällig werden könnten. Denn "es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die gesamtwirtschaftliche Bilanz für die USA negativ sein wird", so Stephan. Ein Deal, bei dem sich die Europäer verpflichten, mengenmäßig etwas weniger Stahl und Aluminium in die USA zu exportieren als bisher, diese Exporte dann aber dauerhaft zollfrei bleiben, sei vor diesem Hintergrund besser als der Einstieg in einen "Handelskrieg" durch harsche europäische Gegenmaßnahmen. "Europa könnte den Handelskrieg gewinnen, indem es ihn nicht führt", schreibt die IMK-Expertin.

Die Ökonomin verweist auf Zölle und Importquoten, die US-Präsident George W. Bush 2002 eingeführt hatte. Knapp zwei Jahre später wurden die Beschränkungen schon wieder aufgehoben. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt bereits rund 200.000 Industriearbeitsplätze in den USA verloren gegangen. Grund dafür: Während die Stahlindustrie profitierte, mussten stahlverarbeitende Unternehmen und die Baubranche durch die Zölle höhere Preise für Vorprodukte zahlen - sei es, weil Preise heimischer Hersteller stiegen oder die Verarbeiter auf verteuerte Importe zurückgreifen mussten. Vor allem die Automobil- und die Bauindustrie machten schnell Druck auf die Regierung, das Zoll-Experiment abzubrechen. Unter dem Strich habe es der amerikanischen Volkswirtschaft deutlich geschadet, analysiert Stephan, die ähnliche Effekte bei den Trump-Zöllen erwartet. Schließlich wären heute Branchen mit 12,3 Millionen Beschäftigten inklusive der Bauwirtschaft von höheren Kosten für Vorprodukte betroffen, während in der amerikanischen Stahl- und Aluminiumherstellung lediglich 200.000 Menschen arbeiten.

Auch eine zweite Erfahrung aus dem Handelskonflikt zur Jahrtausendwende rechtfertigt nach der IMK-Analyse einen pragmatisch-selbstbewussten Verhandlungsansatz: Seinerzeit hatten die EU-Länder von den USA zollfreie Kontingente erhalten. Obwohl dadurch geringere Mengen exportiert werden durften als zuvor, waren die finanziellen Ausfälle deutlich geringer als die mengenmäßige Reduzierung - und auch niedriger als erwartet, so Stephan. Das lag an den steigenden Preisen für Stahl in den USA, von denen auch europäische Lieferanten profitierten. Solche zollfreien Kontingente würden durch das vorgeschlagene Quotenmodell entstehen.

Fazit der Forscherin: "Für die EU käme es darauf an, eine vorteilhafte Quote auszuhandeln, um von den Importzöllen befreit zu sein." Wenn auf diese Weise im ersten Schritt eine kurzfristige Eskalation vermieden werden könne, schaffe das auch Spielraum, um den zweiten Schritt einer Strategie gegenüber der Trump-Regierung anzugehen: Die USA dazu zu bringen, ihre Fundamentalopposition gegenüber der Welthandelsorganisation WTO aufzugeben. Um die USA an den Verhandlungstisch zu holen, könne die EU in diesem zweiten Schritt einen konsequenten Zollabbau im transatlantischen Warenverkehr vorschlagen, schreibt Stephan. "Das hätte zwei Vorteile: zum einen entzöge man mit solch einem Vorschlag dem US-Präsidenten den Boden für weitere handelspolitische (Straf)Maßnahmen. Zum anderen müssten dann auch die USA Zugeständnisse machen und der Mythos von der einseitigen Benachteiligung der USA durch die Zölle der EU würde entzaubert."

Weitere Zugeständnisse, die über eine akzeptable Quote für Stahl und Aluminium hinausgehen, sollte die EU im ersten Schritt aber nicht machen, empfiehlt das IMK. Sollte die US-Regierung mehr fordern - etwa eine weitgehende Marktöffnung für Finanzdienstleistungen oder des öffentlichen Sektors oder eine Lockerung des Datenschutzes für digitale Dienstleistungen, ändere das die Situation fundamental und eine Deeskalation sei nicht mehr möglich. "Dann müsste die EU sehr viel offensiver agieren und etwa handelspolitische Gegenmaßnahmen ergreifen und vor der WTO klagen. Dies könnte dann aber der Auftakt zu einem Handelskrieg sein, der die gegenwärtige globale Handelsarchitektur in Trümmer legen könnte und bei dem es am Ende nur Verlierer gäbe", erklärt Außenhandelsexpertin Stephan.


Weitere Informationen unter:
https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_3_2018.pdf
- (*) Sabine Stephan: Welche handelspolitische Agenda verfolgt US-Präsident Trump und welche Rolle spielen die Importzölle auf Stahl und Aluminium?
IMK-Policy Brief, Mai 2018.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution621

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung - 28.05.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2018

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