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AUSSENHANDEL/307: Die Anti-Seidenstraße (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 15. Oktober 2018
german-foreign-policy.com

Die Anti-Seidenstraße


BERLIN/BEIJING - Gegen Chinas "Neue Seidenstraße" will sich die EU beim Asien-Europa-Treffen in dieser Woche in Brüssel mit einer neuen "Konnektivitätsstrategie" in Stellung bringen. Die Strategie, die die EU-Außenbeauftragte im September in den Grundzügen vorgestellt hat, zielt darauf ab, die Transportinfrastruktur sowie digitale und Energienetze zwischen Asien und Europa zu verbessern. Auf denselben Feldern ist auch Beiing mit seiner Seidenstraßen-Initiative aktiv. Das Auswärtige Amt hat vor kurzem einen ersten Vorstoß in der Sache gestartet. Dabei erklärte Staatsminister Niels Annen (SPD) in Usbekistan, für Brüssel seien Sozialstandards und Menschenrechte "Prioritäten": "Darin unterscheidet sich unser Angebot von Chinas Belt and Road-Initiative." Deutschland hat jahrelang das usbekische Folterregime unterstützt, unter anderem mit Militärhilfe. Auch Washington hat eine neue Infrastrukturinitiative in Asien gestartet; dazu hat Außenminister Mike Pompeo erklärt, die USA stünden für "ehrliche Verträge" und würden "nie Dominanz über den Indo-Pazifik anstreben".

Der "europäische Weg"

Die neue "Konnektivitätsstrategie", die die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am 19. September vorgestellt hat, zielt ausdrücklich darauf ab, "die Verbindungen zwischen Europa und Asien zu verbessern".[1] Dies soll auf dreierlei Weise geschehen. Zum einen will Brüssel den Ausbau der Transportinfrastruktur vorantreiben, um den Handel mit den Ländern Asiens weiter zu steigern. Am Wert gemessen würden heute 70 Prozent des Asienhandels über See abgewickelt, 25 Prozent auf dem Luft- und fünf Prozent auf dem Landweg, teilt die EU-Kommission mit. Es gebe jeweils noch erhebliches Steigerungspotenzial. Ausgebaut werden sollten zudem digitale sowie Energienetze; ergänzend seien Stipendienprogramme auszuweiten sowie Städtepartnerschaften zu fördern. Die allgemein gehaltene, wenig konkrete Strategie wird mit den üblichen PR-Floskeln angepriesen, für die Brüssel bekannt ist. So heißt es, man wolle einem "europäischen Weg" folgen und die Infrastruktur "nachhaltig", "umfassend" und "regelbasiert" ausbauen. Die Phrasen dienen vor allem dem Zweck, eine angebliche politisch-moralische Überlegenheit gegenüber China zu demonstrieren.

Deutsche Interessen

Berlin hat inzwischen einen ersten Vorstoß unternommen, um die Strategie zumindest punktuell zu konkretisieren. Zu diesem Zweck hielt sich der Staatsminister im Auswärtigen Amt Niels Annen am 17./18. September in Kasachstan und vom 19. bis zum 21. September in Usbekistan auf. In Zentralasien bemüht sich die Bundesregierung schon lange um stärkeren Einfluss. Hintergrund sind zum einen geostrategische Erwägungen, zum anderen aber auch wirtschaftliche Interessen: Kasachstan verfügt über große Erdölreserven und war im Jahr 2016 viertgrößter Erdöllieferant der Bundesrepublik; Turkmenistan wiederum besitzt die viertgrößten Erdgasreserven überhaupt. Das Ziel, turkmenisches Erdgas durch das Kaspische Meer und den Südkaukasus in Richtung EU zu liefern, wird von Berlin heute mit neuem Nachdruck verfolgt (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Unter deutscher Ratspräsidentschaft und auf Druck des Auswärtigen Amts hatte die EU bereits im Jahr 2007 eine Zentralasienstrategie verabschiedet, um ihren Einfluss in der Region zu stärken.[3] Das Vorhaben verlief allerdings im Sand. Im Frühjahr 2016 resümierte ein Korrespondent, der den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf einer Zentralasienreise begleitete: "Aus der Zentralasien-Strategie ist nichts geworden".[4]

"Anders als China"

Während Berlin und die deutsche Wirtschaft es bislang nicht geschafft haben, in Zentralasien im erhofften Umfang Fuß zu fassen, hat in den vergangenen Jahren China seinen Einfluss in der Region massiv ausgebaut. Ein Beispiel bietet Usbekistan, wo Staatsminister Annen am 19. September in einer Rede für die neue Konnektivitätsstrategie der EU warb. Die mit Abstand bedeutendsten Investoren und Handelspartner des Landes sind - in etwa gleichauf - Russland und China; dabei kann die Volksrepublik darauf setzen, dass ihre Stellung mit dem Ausbau der "Neuen Seidenstraße" ("One Belt, One Road", OBOR) wohl weiter erstarken wird.[5] Annen kündigte nun an, Berlin und die EU würden ihre Tätigkeit in der Region "noch weiter" ausbauen - gestützt auf eine Neufassung der EU-Zentralasienstrategie, die im ersten Halbjahr 2019 verabschiedet werden soll. "Prioritäten" seien für Berlin und für Brüssel "sichere Investitionen" sowie "soziale, Umwelt-, Sicherheits- und Menschenrechtsstandards": "Darin unterscheidet sich unser Angebot von Chinas Belt and Road-Initiative."[6] Die Bundesregierung, die sich rühmt, "Menschenrechtsstandards" einzuhalten, hat in Usbekistan jahrelang eng mit dem Folterregime des ehemaligen Präsidenten Islam Karimow kooperiert und ihm sogar Militärhilfe geleistet (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Heute kann Berlin davon profitieren, dass die usbekische Regierung im Sommer einen deutschen Beamten zum Vizeminister für Innovation ernannt hat: Karsten Heinz war dafür direkt aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nach Taschkent gewechselt.[8]

Asien-Europa-Treffen

Mit Hilfe der Konnektivitätsstrategie wollen Berlin und Brüssel jetzt ihre Einflussaktivitäten auch in anderen asiatischen Ländern ausbauen. Begonnen werden soll damit bereits beim Asien-Europa-Treffen ("ASEM-Gipfel"), das am Donnerstag und am Freitag in Brüssel abgehalten wird. ASEM (Asia-Europe Meeting) ist ein Zusammenschluss von mittlerweile 51 Staaten beider Kontinente, die seit 1996 alle zwei Jahre ein Gipfeltreffen und im Jahr dazwischen ein Außenministertreffen abhalten. Auf der diesjährigen Tagesordnung steht neben "Handel und Investitionen" sowie "sicherheitspolitischen Herausforderungen" auch das Thema "Konnektivität". Unter dem Motto "Konnektivität" wird zudem am Donnerstag das Asia-Europe Business Forum durchgeführt, das BusinessEurope, ein Verband von insgesamt 39 europäischen Wirtschaftsverbänden inklusive BDI und BDA, organisiert. Auf der Veranstaltung wird die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc die neue Konnektivitätsstrategie präsentieren.

"Keine Dominanz"

Die EU steht mit ihren Bemühungen, mit Chinas "Seidenstraßen"-Projekt zu rivalisieren, nicht allein. Ende Juli hat auch US-Außenminister Mike Pompeo eine neue Initiative angekündigt, die sich an asiatische Staaten richtet und den wachsenden chinesischen Einfluss schwächen soll. Die Initiative, die die Bezeichnung "Amerikas indopazifische Wirtschaftsvision" ("America's Indo-Pacific Economic Vision") trägt, ähnelt in ihrer Zielrichtung der Konnektivitätsstrategie der EU: Von den 113 Millionen US-Dollar, die sie bereitstellt, sollen 30 Millionen für den Ausbau der Infrastruktur, 25 Millionen für die Förderung "digitaler Konnektivität" und 50 Millionen für Energieprojekte zur Verfügung stehen.[9] Pompeo hat die Initiative mit PR-Phrasen angepriesen, die stark denen ähneln, die nun auch die EU nutzt. Demnach dürfen die Länder Asiens, wenn sie sich an Washingtons neuem Programm beteiligen, auf "ehrliche Verträge" unter "ehrlichen Bedingungen" sowie auf "integre Wirtschaftspraktiken" hoffen. Die Vereinigten Staaten würden "nie Dominanz über den Indo-Pazifik anstreben", behauptete Pompeo; sie würden zudem "jedem Land entgegentreten, das dies tut". Bei dem Land, dem Pompeo unterstellt, anders als die Vereinigten Staaten nach Dominanz zu streben, handelt es sich um China - denjenigen Staat, den Washington aktuell mit einem Handelskrieg und mit weiteren Aggressionen überzieht, um seine globale Vormacht zu sichern.[10]


Anmerkungen:

[1] Joint Communication to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee, the Committee of the Regions and the European Investment Bank: Connecting Europe and Asia - Building blocks for an EU Strategy. JOIN(2018) 31 final. Brussels, 19.09.2018.

[2] S. dazu Die neue "Neue Ostpolitik" (I).
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7698/

[3] S. dazu Prioritäten der EU.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/3764/

[4] Majid Sattar: Im Schatten des großen Spiels. Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.04.2016.

[5] Indra Overland, Roman Vakulchuk: China's Belt and Road Gets a Central Asian Boost. thediplomat.com 03.05.2018.

[6] Rede von Staatsminister Annen bei der Konferenz "Uzbekistan and Germany: cooperation in the field of security and sustainable development in Central Asia". auswaertiges-amt.de 19.09.2018.

[7] S. dazu Diktator für Deutschland
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/5138/
und Ein langjähriger Partner
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7068/

[8] S. dazu Usbekistans deutscher Vizeminister.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7676/

[9] Laura Koran: Pompeo announces new US investments in Indo-Pacific region. edition.cnn.com 30.07.2018.

[10] S. dazu Eine Giftpille gegen China.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7744/

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2018

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