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BERICHT/032: Internationales Promotionsprogramm (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum 1/07 - Universität Bayreuth

Kulturbegegnungen - Cultural Encounters - Rencontres culturelles
Ein Internationales Promotionsprogramm an der Universität Bayreuth

Von Christian Begemann


Das Profil, die thematische Ausrichtung und die methodischen Verfahren der Geisteswissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten in entscheidender Weise gewandelt bzw. erweitert. Wenn man heute von 'Geisteswissenschaften' spricht, scheint das kaum mehr als eine Verlegenheitslösung zu sein, weil ein besserer und prägnanterer Oberbegriff für eine Vielzahl von Fächern und Disziplinen nicht in Sicht ist. Zwar haben sie es alle mit ähnlichen Gegenständen zu tun, mit menschlichen Hervorbringungen, sprachlichen und kulturellen Artefakten, doch ist ihnen mit den immer schneller aufeinander folgenden wissenschaftsgeschichtlichen Paradigmenwechseln der letzten vierzig Jahre nicht nur das Pathos und das Sendungsbewusstsein des 'Geistes' abhanden gekommen, auch die relativ klare Kontur der Fächer zersplitterte in eine Vielzahl von Perspektiven und Methoden. Eine gemeinsame Klammer der Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften zeichnete sich erst seit dem 'cultural turn' der 'Geisteswissenschaften' wieder ab. Zumindest in weiten Bereichen arbeiten die 'Geisteswissenschaften' seit geraumer Zeit mit dem interdisziplinären Blick und Instrumentarium von Kulturwissenschaften - ohne damit allerdings die unverwechselbaren Besonderheiten ihrer Gegenstände und damit ihre jeweils spezifische Methodik preisgeben zu wollen. Das gilt gerade auch für die Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften, die ihre Gegenstände als Teil übergreifender kultureller Prozesse begreifen. Dass die Kulturwissenschaften maßgeblich an der Selbstauslegung ihrer Kultur beteiligt sind, indem sie deren Strukturen und Funktionsmechanismen rekonstruieren, dass sie das 'kulturelle Archiv' verwalten und zu diesem Zweck die Produktionsformen von Erinnerung, gesellschaftlichem Wissen und kulturspezifischen Wahrnehmungsweisen zu untersuchen haben, dass sie als Medien- und als Technikwissenschaft die historischen Formen kultureller Kommunikation erforschen, dass sie als historische Anthropologie nach den komplexen Wechselbeziehungen zwischen Natur und Kultur fragen und dass sie mit all dem ihre Kultur in unverzichtbarer Weise über sich selber aufklären und damit erst zu bewusstem Handeln befähigen - all das und vieles andere ist heute kaum mehr umstritten. Die Fokussierung auf die Binnenstrukturen der Kultur bedarf allerdings des interkulturellen Vergleichs, des ergänzenden Blicks nach 'draußen' bzw. von draußen auf das 'Eigene', um dessen Spezifika überhaupt angemessen wahrnehmen zu können.

Die Beschäftigung mit der Begegnung von Kulturen, wie sie an der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät als Nachwuchsforschungsprojekt institutionalisiert worden ist, hat neben dieser wissenschaftsimmanenten Funktion freilich auch eine ganz aktuelle historische Dimension. Im Gefolge der Globalisierung nehmen kulturelle Kontakte einen immer größeren Stellenwert im Alltag ein, und die wissenschaftlichen Debatten können gerade im Zeichen eines kulturwissenschaftlichen Verfahrens davon kaum mehr losgelöst begriffen werden. Probleme der weltweiten Migrationsbewegungen, der kulturellen Identität und Alterität, der nationalen Stereotypenbildung und der interkulturellen Kommunikation, des Synkretismus und der Hybridität von Kulturen gehören seit mehreren Jahren zu den relevantesten und ständig expandierenden Forschungsfeldern gerade der Geistes- und Kulturwissenschaften. Die Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften sind an der Erforschung solcher Phänomene maßgeblich beteiligt, weil sich Kulturbegegnungen im Rahmen kommunikativer Prozesse vollziehen, die sprachlich bzw. medial verfasst sind. Kulturelle Identitäten, Bilder des Eigenen und des Fremden bilden sich weithin durch Textproduktion und -rezeption sowie mediale Inszenierungen. Diese Vorgänge haben aber auch tiefgreifende künstlerische Konsequenzen. Sie lassen sich etwa an der Ausbildung einer neuen, Kulturen hybridisierenden 'Weltliteratur' ebenso beobachten wie an der Entstehung synkretistischer Formen von Theater und Kino, die Sprache, Darstellungsmittel und Inszenierungsformen unterschiedlicher Kulturen integrieren.

Entsprechende Schwerpunkte in der Forschung und Lehre bestehen bereits seit längerem in den verschiedensten Fächern der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät. Außer in den im engeren Sinne afrikabezogenen Fächern liegen sie etwa - um hier nur einige zu nennen - im Bereich der zwischenkulturellen Kommunikation im Fach Interkulturelle Germanistik / Deutsch als Fremdsprache, in der fächerübergreifenden linguistischen Untersuchung des Zusammenhangs von Sprache, Herkunft und Zugehörigkeit, in den romanistischen und medienwissenschaftlichen Arbeiten zur Frankophonie in Afrika oder Kanada, im Bereich der deutschsprachigen Literatur von Migranten, und in den Diaspora-Studien der Anglistik / Amerikanistik, für die mit dem geplanten Bayreuther Institut für Amerikastudien auch ein neuer institutioneller Ort zur Verfügung stehen wird. Auch einige neue Studiengänge sind dezidiert interkulturell angelegt, so etwa der MA Intercultural Anglophone Studies, der MA Etudes francophones oder der MA Literatur im kulturellen Kontext.

Es lag von dieser Ausrichtung der Fakultät her nahe, die Schwerpunkte Kultur und Interkulturalität auf der Ebene der Nachwuchsförderung abzurunden und eine Graduiertenförderung aufzubauen, die sich an in-und ausländische Nachwuchswissenschaftler mit ausgeprägt interkulturellen und kulturwissenschaftlichen Interessen wendet. Seit dem WS 2004/05 besteht das Internationale Promotionsprogramm Kulturbegegnungen - Cultural Encounters - Rencontres Culturelles. Interdisziplinäre Studien zu Sprache, Literatur und Medien, das vom DAAD sowie der DFG im Kontext des PHD-Programms ('Promotion an Hochschulen in Deutschland') gefördert wird. Es umfaßt alle Fächer der Sprach- und literaturwissenschaftlichen Fakultät, integriert aber auch textwissenschaftliche Projekte anderer Fakultäten.

Unter dem weiten thematischen Dach der Kulturbegegnungen sind verschiedene Forschungsschwerpunkte angesiedelt, die wiederum den Rahmen für vielfältige historische, systematische und interdisziplinäre Einzelstudien bilden:

1. Theorien der Kulturbegegnung

2. Sprachliche und literarische Auswirkungen der Globalisierung

3. Interkulturelle Afrika-Studien

4. Das Eigene und das Fremde

Im WS 2006/07 gehörten dem Programm, das auf insgesamt dreißig Teilnehmer angelegt ist, 27 Promovend/innen aus 10 verschiedenen Ländern und 11 Fächern an. Wie ergiebig das Thema Kulturbegegnungen und wie groß die Spannbreite der behandelten Themen ist, zeigt die nachfolgende Auswahl einiger Exposés von Dissertationen, die gegenwärtig im Rahmen des Programms angefertigt werden.


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Das Promotionsstudium bündelt und verbessert die Betreuung der DoktorandInnen, besonders der ausländischen, durch Einbindung in ein klar strukturiertes, in drei Module gegliedertes Studienprogramm. Es dient der methodischen und theoretischen Fundierung und Orientierung der Forschungsarbeit und dem interdisziplinären Austausch über ihre Ergebnisse, ist aber nicht so zeitaufwendig, daß es die intensive Arbeit an der Dissertation beeinträchtigt. Das Lehrprogramm besteht aus eigens für den Studiengang eingerichteten fächerübergreifenden Lehrveranstaltungen, Doktorandentagungen bzw. Workshops, Tutorien und Sprachkursen. Ein neu konzipierter Basiskurs 'Promovieren in Deutschland' dient der Verständigung über wissenschaftliche Standards und der Präzisierung des Wissenschaftsbegriffs unter den Promovenden. Eine intensive wissenschaftliche Begleitung der Promovenden erfolgt durch mehrere Ansprechpartner. Mit diesen Maßnahmen soll ein Abschluß der Promotion innerhalb von drei Jahren sichergestellt werden. Dem eigentlichen Promotionsstudium vorgeschaltet ist ein Vorbereitungsjahr für nachweislich sehr geeignete Studierende, die aber noch nicht über die notwendigen Qualifikationen bzw. Sprachkenntnisse verfügen.


Weitere Informationen finden sich auf der Homepage des
Promotionsstudiengangs:

www.promotion-kb.uni-bayreuth.de


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Quelle:
spektrum 1/07, Seite 10-12
Herausgeber: Der Präsident der Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Tel.: 0921/55-53 23, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de

"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2007