Schattenblick →INFOPOOL →GEISTESWISSENSCHAFTEN → GESCHICHTE

MEMORIAL/028: Italien 1947 - Wie die antifaschistische Einheitsregierung zu Fall gebracht wurde (G. Feldbauer)


Wie der Sozialdemokrat Giuseppe Saragatt 1947 in Italien die antifaschistische Einheitsregierung zu Fall brachte

von Gerhard Feldbauer, 3. Januar 2012


Am 3. Januar 1947 begab sich der italienische Ministerpräsident Alcide De Gasperi auf eine folgenschwere Reise nach Washington. Während seines Besuchs in den USA wurden die Weichen gestellt für einen kalten Staatsstreich, den Sturz der im April 1944 im Kampf gegen Hitlerdeutschland gebildeten antifaschistischen Einheitsregierung, die von Kommunisten und Sozialisten bis zu der großbürgerlichen Democrazia Cristiana reichte.

Der Christdemokrat De Gasperi gilt allgemein als der Politiker, der die Linie Präsident Harry Trumans durchsetzte und die Kommunisten und Sozialisten im Mai 1947 aus der Regierung vertrieb. Aber die Vorarbeit und die eigentliche Spalterrolle übernahm der Sozialdemokrat Giuseppe Saragat. Am 9, Januar 1947 spaltete er sich mit seinen Abgeordneten von der Sozialistischen Partei ab und gab die Bildung einer Sozialdemokratischen Partei bekannt.

Im Vorfeld des Kalten Krieges und der sich abzeichnenden Blockkonfrontation ging es den USA darum, sich Italien als ihre Einflusssphäre und Südflanke der künftigen NATO zu sichern. Sie forcierten ihr Vorgehen, als nach den Ergebnissen der Gemeinderatswahlen vom März und der zur Verfassungsgebenden Versammlung vom Juni 1946 (zu deren Präsident der Kommunist Umberto Terracini gewählt wurde) sowie des gleichzeitigen Scheiterns der Monarchie im Referendum sich die reale Möglichkeit eines linken Wahlsieges bei den dann im Frühjahr 1948 stattfindenden Parlamentswahlen abzuzeichnen begann. Die US-Militärregierung beseitigte die unter den Befreiungskomitees in Norditalien durchgesetzten antifaschistisch-demokratischen Errungenschaften und unterstützte die Restauration der angeschlagenen Herrschaft des Kapitals. Im Dezember 1946 half Washington De Gasperi, der noch über das Image eines Antifaschisten verfügte, an die Spitze der Regierung, wo er den gewünschten antikommunistischen Kurs einschlug.


Washington stellte die Weichen

Für dieses Vorgehen war die Einheitsregierung jedoch weiterhin das entscheidende Hindernis. Denn in ihr verfügten Kommunisten, Sozialisten und die Aktionspartei noch immer über eine Mehrheit. So inszenierte man in Washington mit Hilfe der CIA, wie 1975 einem Bericht des Mailänder "Corriere della Séra" (vom 8. März) zu entnehmen war, die Abspaltung des auch von der Sozialistischen Internationale geforderten rechten Flügels unter Giuseppe Saragat von der ISP, nachdem ihr Vorsitzender, Pietro Nenni, es abgelehnt hatte, das seit 1934 bestehende Aktionseinheitsabkommen mit der IKP aufzukündigen.

Zur Absprache der weiteren Vorgehens begab sich De Gasperi am 3. Januar 1947 nach Washington. Bezeichnenderweise nahm er Außenminister Nenni nicht mit auf die Reise, ein Affront, dessen Ziel anschließend deutlich wurde. Denn während des Aufenthalts des italienischen Regierungschefs wurde in Washington eine hemmungslose Kampagne gegen die Kommunisten entfesselt, die ebenso auf die mit ihnen verbündeten Sozialisten abzielte. Einer der reaktionärsten Kleriker, Erzbischof Flanelly, empfing den Christdemokraten De Gasperi in Anwesenheit von seinem Gesinnungskompagnon Kardinal Spellman in der St. Patrick's Cathedral in New York und verkündete: "Das Mittelmeer ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf." Präsident Harry Truman forderte unmissverständlich, die Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung auszuschließen und machte das zur Bedingungen für eine Wirtschaftshilfe für Italien, die später im Rahmen des Marshallplans 150 Mio. Dollar und 50 Schiffsladungen Getreide und Kohle betrug. Zeitgleich hatte Saragat mit seiner Fraktion am 9. Januar die ISP verlassen und die Italienische Sozialdemokratische Partei gebildet, die sofort einen scharfen antikommunistischen und voll auf die USA-Einmischungspolitik ausgerichteten Kurs einschlug.

Nach seiner Rückkehr aus den USA trat De Gasperi am 20. Januar als Ministerpräsident zurück und provozierte damit eine Regierungskrise. Am 1. Februar bildete er eine neue Regierung, aus welcher der kommunistische Finanzminister Mauro Scoccimarro, der eine Einschränkung der Macht der Monopole gefordert hatte, und Nenni als Außenminister ausgeschlossen wurden. Mit den Sozialdemokraten Saragats besaß De Gasperi nunmehr eine Regierungsmehrheit. IKP und ISP begingen einen schweren Fehler, in der Regierung zu verbleiben. Die Folge war, dass De Gasperi sie bei einer erneuten Regierungsbildung am 31. Mai 1947 dann der Forderung Trumans entsprechend aus der Regierung vertrieb. Truman hatte am 12. März 1947 seine berüchtigte Doktrin der "Eindämmung des Kommunismus" (Containment), verkündet, die den Beginn des "kalten Krieges" einläutete.

De Gasperi gestand vor der Verfassungsgebenden Versammlung ziemlich unverblümt ein, dass er unter dem massiven Druck der USA handelte, indem er die Macht der USA in Italien als die einer "vierten Partei" beschrieb, die "in der Lage ist, jede Anstrengung, die wir unternehmen, zu lähmen und vergeblich zu machen, indem sie die Kreditsabotage und die Kapitalflucht organisiert, die Preissteigerungen und die Skandalkampagnen." Man könne Italien heute nicht regieren, ohne "die Repräsentanten dieser vierten Partei, die über das Geld und die ökonomische Macht verfügt, in die Regierung einzubeziehen."

Im Juni 1947 stimmte die Regierung De Gasperi dem Marshallplan zu. Im April 1949 folgte die Teilnahme an der NATO-Gründung und im Januar 1950 der erste Vertrag, der den USA Militärstützpunkte zur Verfügung stellte. An der Spaltung der Einheitsgewerkschaft CGIL, die im September 1949 abgeschlossen wurde und zur Bildung der katholisch orientierten UIL und der zu den Sozialdemokraten tendierenden CISL führte, war, wie vorher bei der Abspaltung der Saragat-Fraktion, die CIA mit ihren Agenten in der AFL-CIO maßgeblich beteiligt. Als die ISP es weiterhin ablehnte, das Aktionseinheitsabkommen mit der IKP zu beenden, schloss die Sozialistische Internationale sie im Mai 1947 aus ihren Reihen aus.


*


Quelle:
© 2011 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2012