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MEMORIAL/045: Italien Mai 1967 - Plan des General De Lorenzo enthüllt (Gerhard Feldbauer)


Der Plan des General De Lorenzo

Vor 45 Jahren wurde in Italien ein faschistischer Staatsstreichplan aufgedeckt.

Von Gerhard Feldbauer, 4. Mai 2012



Am 10. Mai 1967 erregte ein Bericht des linksliberalen "Espresso" in der demokratischen Öffentlichkeit Italiens Erregung, Empörung aber auch Befürchtungen vor der wachsenden faschistischen Gefahr. Das Mailänder Nachrichtenmagazin enthüllte, dass der Befehlshaber des Carabinieri-Corps, General Giovanni De Lorenzo, drei Jahre vorher in Absprache mit der CIA und NATO-Kreisen einen Colpo di Stato zur Errichtung eines faschistischen Regimes geplant hatte.

1963‍ ‍hatte die Democrazia Cristiana (DC) bei den Parlamentswahlen die Mehrheit eingebüßt. Von 48,4 Prozent 1948 sackte sie auf 38,3 ab. Ihr Vorsitzender, Aldo Moro, nahm daher die 1947 zusammen mit den Kommunisten aus der Regierung vertriebenen Sozialisten wieder in die Regierung auf (Aperturà a Sinistra). In den USA, so wurde nun bekannt, hatten Pentagon und CIA bereits im Vorfeld von Moros "Öffnung nach Links" einen faschistischen Staatsstreich geplant. Die militärische Leitung vor Ort hatte der Militärattaché, Oberst Vernon Walter, eine Schlüsselfigur der Defense Intelligence Agency (Militärische Aufklärung), der später zum Generalleutnant der US-Army und stellvertretenden CIA-Direktor avancierte und an der Ausarbeitung des Szenariums für den Putsch gegen Salvatore Allende (Centauroplan) beteiligt war.(*)


Oberst Vernon Walters forderte eine militärische Intervention

Walter forderte, wie der Publizist Roberto Faenza in "Il Malaffare" (Das Übel, Mailand 1978) schrieb, dass "die Vereinigten Staaten ohne zu zögern das Land militärisch besetzen müssten". Mit der Vorbereitung des Putsches wurde der militärische Geheimdienst SIAFAR beauftragt. Dessen Chef De Lorenzo war ein Monarchist und faschistisch orientierter General, der später auch offiziell zur faschistischen MSI überwechselte.

Staatspräsident Antonio Segni (DC) stimmte zu, "für die Umsturzaktionen" eine Spezialtruppe aufzustellen.

In ihrem Buch "I Giorni di Gladio" (Die Tage von Gladio, Rom 1991) deckten die Geheimdienstexperten Mario Bellu und Giueppe D' Avanzo auf, dass es sich um die in diesen Jahren aufgebaute Gladio-Truppe der NATO handelte, deren Existenz erst 1990 bekannt wurde. Ihren Grundstock bildeten "etwa 2.000 Mann aus paramilitärischen Formationen der extremen Rechten", vor allem Mussolini-Militärs.


Die Geburt der geheimen Nato-Armee Gladio

Zur Leitung des Putsches übernahm De Lorenzo das Kommando über das Carabinieri-Korps, mit dem er zusammen mit Faschisten und Gladio-Einheiten den Umsturz durchführen sollte. Nach Walters Order organisierte De Lorenzo einen "Lauschangriff" auf hohe Persönlichkeiten des Staates und der Parteien - beileibe nicht nur der Kommunisten und Sozialisten. Der SIFAR-Oberst Renzo Rocca fabrizierte für die führenden Politiker, die einer "harten Unterdrückungspolitik" gegenüber den Gewerkschaften und den Linken Vorbehalte hegten, Berichte, die "jede Gewaltaktion rechtfertigen" sollten. Er erfand "gefährliche Aktivitäten" der Kommunisten und der Gewerkschaften, darunter eine "Sitzung der kommunistischen Führer", auf welcher "der Krieg gegen die Regierung", die Vorbereitung der "Revolution und die Machtübernahme" beraten worden sei. Solche "Berichte" wurden an verschiedene Zeitungen lanciert, in denen von der CIA bezahlte Redakteure sie unterbrachten.


157.000 Personen sollten in Konzentrationslager gesperrt werden

De Lorenzo ließ "schwarze Listen" von "verdächtigen" Funktionären der linken Parteien, Gewerkschaftsführern, Antifaschisten und Politikern bürgerlicher Parteien anlegen. Unter der unglaublichen Zahl von 157.000 Personen befanden sich selbst der Vorsitzende der Sozialdemokratie, Giuseppe Saragat, Minister, hohe Regierungsbeamte, als "unzuverlässig" eingestufte Offiziere. In ihrem Buch "Storia dell' Eversione atlantica in Italia" (Geschichte der atlantischen Invasion, Rom 1991) legten Antonio und Gianni Cipriano dar, dass die Personen bei Auslösung des Staatstreiches verhaftet und in Konzentrationslager gesperrt, manche nach dem in den Gladio-Einheiten herrschenden faschistischen Geist auch gleich umgebracht werden sollten.


Neuauflagen des Putschplanes 1969/70, 1973 und 1978

Moro gelang es noch zu Lebzeiten USA-Präsident John F. Kennedys, sich bei ihm eine bestimmte Unterstützung zu sichern. Er verdeutlichte, dass sich die ISP von der IKP getrennt hatte und von einem bevorstehenden Machtantritt der Kommunisten, von dem die CIA schwadronierte, keine Rede sein konnte. Als im Juni 1964 Indiskretionen darüber an die Öffentlichkeit gelangten, blies die Company, wie "Die Welt" (Hamburg) am 25. Juni verlauten ließ, den Plan De Lorenzos zunächst ab. 1969/70, 1973 und 1978 kam er in Neuauflagen wieder auf die Tagesordnung.


(*) Zur unheilvollen Karriere Vernon A. Walters (3.1.1917-10.2.2002), den die Medien gern 'the lone wolf' (den einsamen Wolf) nannten, einige Ergänzungen. Die USA-Intervention in Vietnam, bei der mehr als drei Millionen Menschen umgebracht wurden, nannte er in seinen Memoiren "Silent Mission" einen "der nobelsten und selbstlosesten Kriege" der Vereinigten Staaten. Von 1985 bis 1989 war Walters USA-Botschafter bei der UNO und von 1989 bis 1991 Botschafter in der BRD, wo er das Kommando übernahm, um, wie er es formulierte, "die letzte Ölung zu geben, bevor der Patient (die DDR) stirbt", oder anders ausgedrückt, "dem sowjetischen Sicherheitssystem das Herz herauszureißen".

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2012