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MEMORIAL/147: Armata Italiana in Russia zur Unterstützung Hitlers gegen die UdSSR entsandt (Gerhard Feldbauer)


An der Seite Nazi-Deutschlands

Zur Unterstützung der Aggression Hitlers gegen die UdSSR entsandte Mussolini eine Armata Italiana in Russia

Ihre Zerschlagung im Dezember 1942 am Don beförderte sieben Monate später seinen Sturz

Von Gerhard Feldbauer, 29. Juni 2016


Vier Tage nach dem Überfall Hitlers auf die UdSSR befahl Mussolini am 26. Juni 1941 zur Teilnahme an der Aggression ein Korps von vier Divisionen in Marsch zu setzen. Im Sommer 1942 wurde es um weitere acht Divisionen (Hitler hatte 20 gefordert) zur Armata Italiana in Russia (ARMIR) auf eine Stärke von 230.000 Mann aufgestockt, um die schweren Verluste der Wehrmacht in der Schlacht vor Moskau auszugleichen. Grundlage der italienischen Beteiligung an dem verbrecherischen Vernichtungsfeldzug Hitlers war der am 22. Mai 1939 zwischen Italien und Deutschland geschlossene "Stahlpakt" genannten "Freundschafts- und Bündnisvertrag", der den gegenseitigen Beistand im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen festlegte. Er trat nach dem Eintritt Italiens am 10. Juni 1940 an der Seite Hitlerdeutschlands in Kraft.

Zusammen mit den Satellitenverbänden aus Ungarn und Rumänien hatten die Italiener im Herbst 1922 am Don eine 270 Kilometer lange Frontlinie zu besetzen. Während der Gegenoffensive der Roten Armee wurde die Armata zwischen dem 11. und 22. Dezember in die verschneite Donezsteppe getrieben, dort eingekesselt und größtenteils vernichtet. Nach Italien kehrten nur einige Tausend Soldaten zurück.

Ein Bericht des italienischen Generalstabes beschuldigte die Wehrmacht, dass sie die Italiener während des schrecklichen Rückzuges erbarmungslos ihrem Schicksal überließ, die deutschen "Verbündeten" den "Italienern stets jegliche Hilfe versagten, sich aller verfügbaren Kraftfahrzeuge bemächtigten, unsere Verwundeten ohne Transportmittel, ohne Nahrungsmittel und ohne erforderliche Versorgung zurückließen." Als das Schicksal der ARMIR in Italien bekannt wurde, trug das im Frühsommer 1943 zur wachsenden Antikriegsstimmung bei. Der verlorengegangene Mythos von der "Unbesiegbarkeit" der Hitlerwehrmacht führte unter den Trägern der faschistischen Diktatur Italiens zu ersten Erkenntnissen, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war.

Bereits im Vorfeld der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad war Marschall Pietro Badoglio, der sich 1940 gegen den Kriegseintritt Italiens ausgesprochen hatte und danach am 6. Dezember als Generalstabschef des Heeres zurückgetreten war, im November 1942 in Mailand in der Wohnung des Schwerindustriellen Enrico Falck, König der italienischen Eisen- und Stahlindustrie, mit führenden Großindustriellen und Größen der Faschistischen Partei zusammengetroffen, um ein Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse zu erörtern. Teilnehmer waren auch Vertreter der bürgerlichen Opposition, unter ihnen Alcide De Gasperi von den Christdemokraten (DC). Danach kam es zu ersten Sondierungen mit Washington und London über einen Bruch mit Hitler.

Selbst Mussolini beschlichen Zweifel am "Endsieg" der Wehrmacht. Am 1. Dezember 1942 äußerte er gegenüber Göring bei dessen Besuch in Rom, "dass auf die eine oder andere Weise das Kapitel des Krieges gegen Russland, der keinen Zweck mehr hat, abgeschlossen werden müsse". Die freiwerdenden Kräfte der Wehrmacht sollten für den Kampf gegen die Anglo-Amerikaner im Westen und im Mittelmeerraum eingesetzt werden. Außenminister Graf Galeazzo Ciano, der am 18./19. Dezember ins Führerhauptquartier "Wolfsschanze" flog, übermittelte Hitler den Standpunkt des "Duce", ob es zur Beendigung des Zweifrontenkrieges nicht möglich sei, mit Russland zu einer Lösung der Art "neuer Brest-Litowsk-Friede" zu kommen, um größere Truppenmengen von der Ostfront abziehen zu können. Hitler entgegnete, das strategische Hauptziel bleibe nach wie vor, "den bolschewistischen Koloss zu zerschlagen".

Die deutschen Niederlagen an der Ostfront wirkten sich auf die Lage in Nordafrika aus. Es konnten keine erforderlichen Verstärkungen herangeführt werden, da alle Kräfte gegen die Rote Armee gebraucht wurden. Britische Flugzeuge und Schiffe versenkten 30 bis 40 Prozent des ohnehin nicht ausreichenden Nachschubs. Im Oktober/November 1942 führte das zum Scheitern der Offensive Rommels zur Eroberung Ägyptens, die weiter in den Nahen und Mittleren Osten führen sollte. Mit der Niederlage bei El Alamein, in der Rommels Panzerarmee über 50.000 Mann und einen Teil ihrer Panzer und Geschützte verlor, trat die Wende auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz ein. Rommel zog sich mit den verbliebenen Panzer- und motorisierten Verbänden 1.200 Kilometer nach Westen zurück, während die Infanteriedivisionen meist eingeschlossen und vernichtet oder gefangen genommen wurden. Badoglio hielt in seinen Memoiren "Italien im Zweiten Weltkrieg" (Leipzig 1947) fest, dass, wie an der Ostfront auch bei El Alamein, "sich die Deutschen aller unserer Beförderungsmittel zur Beschleunigung ihres Rückzuges (bemächtigten) und die italienischen Abteilungen vor unüberwindlichen Schwierigkeiten" zurückließen.

Die Eroberung von Tunis und Biserta durch deutsche Luftlandetruppen im November 1942 brachte nur vorrübergehend eine Entlastung. Im März 1943 begannen die überlegenen anglo-amerikanischen Truppen ihre Offensive. Sie endete am 13. Mai 1943 am Kap Bon nahe Tunis mit der Kapitulation der zur Hälfte aus Deutschen und Italienern bestehenden, noch 250.000 Mann zählenden Heeresgruppe Afrika, von der Rommel vorher abberufen wurde. Als nach der Landung der Alliierten am 9. Juli auf Sizilien die Krise des Faschismus offen ausbrach, stürzten die Palastverschwörer am 25. Juli Mussolini.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2016

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