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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/346: Iran-Report Nr. 6 - Juni 2015


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 6 - Juni 2015
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Versammlungen vor dem Parlament verboten • Rohani: Jeder hat das Recht in seinem Namen zu demonstrieren • Geschlechter-Gerechtigkeit statt Geschlechter-Gleichheit • Steigende Scheidungsrate • Ausschluss von Dissidenten bei Parlamentswahlen • 1. Mai-Demonstration zum ersten Mal erlaubt • Holocaust-Ausstellung abgesagt • Gesundheitsminister operiert Oppositionsführer


VERSAMMLUNGEN VOR DEM PARLAMENT VERBOTEN

Mohammad Resa Yussefi, politischer Geschäftsführer des Gouvernements Teheran, erklärte am 23. Mai laut iranischen Medien, Versammlungen vor dem Parlament seien "illegal", dafür würden kein Erlaubnisse erteilt. Anlass für diese Erklärung war ein Antrag der Basidsch-Studenten der Teheraner Emam Sadegh Universität, die eine Versammlung unter dem Motto "Atomverhandlungen im Schatten von Drohungen und Sanktionen" abhalten wollten. Wie Yussefi der Presse mitteilte, habe er den Studenten vorgeschlagen, einen anderen Platz für ihre Kundgebung zu suchen. Den Nachrichten des staatlichen Rundfunks und Fernsehens zufolge haben die Studenten der Aufforderung Folge geleistet und ihre Kundgebung auf den Palästina-Platz verlegt. Die Gruppe steht den Atomverhandlungen kritisch gegenüber.

Das Verbot von Versammlungen vor dem Parlament widerspricht § 27 der Verfassung der Islamischen Republik. Dort heißt es: "Kundgebungen und Demonstrationen sind erlaubt, wenn keine Waffen getragen werden und sofern sie sich nicht gegen die Grundsätze des islamischen Glaubens richten."

Das Verbot steht auch im Widerspruch zur gewachsenen Tradition von Kundgebungen vor dem Parlament, die seit der Existenz eines Parlaments in Iran, Anfang des vergangenen Jahrhunderts, besteht. Selbst in der Islamischen Republik wurden oft Kundgebungen vor dem Parlament veranstaltet, nicht nur von politischen Parteien und Organisationen, sondern auch von einzelnen Berufsgruppen und Verbänden.


ROHANI: JEDER HAT DAS RECHT IN SEINEM NAMEN ZU DEMONSTRIEREN

Mit Blick auf die Gegner der Atomverhandlungen sagte Präsident Hassan Rohani auf einer Kundgebung in Tabris, niemand dürfe im Namen des Volkes Parolen rufen, Extremismus verbreiten und in der Bevölkerung ein Gefühl der Unsicherheit erzeugen.

In den letzten Wochen haben Konservative die iranischen Vertreter bei den Atomverhandlungen scharf kritisiert und ihnen vorgeworfen, weitgehende Zugeständnisse gemacht zu haben, insbesondere in Bezug auf die Zustimmung zu Inspektionen von Militäranlagen sowie die Regelung zur Aufhebung der Sanktionen. Rohani lobte die iranischen Verhandlungsführer und bezeichnete sie als "Helden der Diplomatie", auf die das Land stolz sein müsse. Das Ende der Verhandlungen werde eine "Ehre für das große iranische Volk sein", sagte der Präsident und fügte hinzu: "Wir haben auf internationaler Ebene große Erfolge erzielt und sind dabei, das Projekt zur Verbreitung der Iran-Phobie endgültig zunichte zu machen."

Am 26. Mai sagte Rohani in einer vom Fernsehen übertragenen Rede, die iranische Bevölkerung strebe nach Frieden mit der Welt. Bis auf eine kleine Minderheit, die laut schreie, wünsche sich das Volk "Frieden, Aussöhnung und eine konstruktive Übereinkunft" mit dem Rest der Welt. "Wir wollen unsere Probleme mit dem Ausland nur noch mithilfe von Argumenten und Verhandlungen lösen", fuhr der Präsident fort.

Am Tag des Lehrers sagte Rohani vor einer Versammlung von Regierungsangestellten und Lehrern am 4. Mai: "Man kann die Leute nicht mit Pistole und Handschellen zum Glauben zwingen. Die Stärkung des Islam und der islamischen Staatsordnung wird erreicht, wenn jeder seine Arbeit und seine Pflichten leistet."

Dies sagte Rohani offenbar mit Blick auf die Kritik gegen seine Äußerung, die Polizei habe nicht die Aufgabe, den islamischen Glauben, sondern die staatlichen Gesetze durchzusetzen. Die Regierung erkenne für alle Schichten und Verbände das Recht, für die Durchsetzung ihrer Forderungen zu protestieren, an. Diese Aussage bezog sich auf Kundgebungen von Lehrern, die mehr Gehalt forderten. Auch die Arbeiter hätten das Recht zu demonstrieren und zu streiken, so Rohani weiter. In diesem Jahr hätten die Arbeiter zum ersten Mal am 1. Mai demonstrieren dürfen. Er sei zuvor gefragt worden, ob die Demonstration erlaubt werden solle. "Ich habe gesagt, lasst sie demonstrieren. Wir müssen es dulden."

Weiterhin forderte Rohani, dass Lehre und Ausbildung "Schritt für Schritt" aus dem Machtbereich des Staates herausgelöst werden sollten. Jugendliche sollten mehr Freiheit haben. "Bei der Förderung von Jugendlichen nur Einschränkungen aufzuzwingen ist nicht gerade die große Kunst", sagte der Präsident. Insbesondere im Zeitalter des Internets könne man Jugendliche nicht einsperren, um ihre nationale und religiöse Identität zu wahren. Es sei falsch zu behaupten, Islam und Freiheit würden sich widersprechen. "Die Freiheit ist kein Monopol des Westens."


GESCHLECHTER-GERECHTIGKEIT STATT GESCHLECHTER-GLEICHHEIT

Die für Frauen und Familie zuständige Vizepräsidentin Schahindocht Molaverdi erklärte am 21. Mai laut iranischen Medien: "Statt für eine Gleichheit der Geschlechter treten wir für Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ein." Diese Geschlechter-Gerechtigkeit, die frei von Übertreibungen durchgesetzt werden solle, werde die Lage der Frauen verbessern. "Damit dieses Ziel weltweit als Vorbild dient, müssen zu seiner Realisierung konkrete Schritte unternommen werden. Wir dürfen uns nicht mit verbalen Bekundungen begnügen", sagte die Vizepräsidentin.

Molaverdi, die in Begleitung des Präsidenten Hassan Rohani nach Täbris in die Provinz des iranischen Aserbaidschan gereist war, berichtete bei einem Treffen mit ortsansässigen Frauen, es seien Berichte über die Lage der Frauen in einzelnen Provinzen erstellt und dem Präsidenten vorgelegt worden.

Laut Molaverdi habe sich die Regierung in erster Linie dafür eingesetzt, dem Gesetz für Schwangerschaftsurlaub Geltung zu verschaffen. Dieses Gesetz werde trotz des Urteils des Verwaltungsgerichts, das einen Schwangerschaftsurlaub vorschreibt, aufgrund des finanziellen Aufwands bislang nur teilweise eingehalten, sagte Molaverdi. Mehr als 74.000 Frauen hätten ihre Arbeitsstelle verloren, weil sie den ihnen zustehenden Schwangerschaftsurlaub in Anspruch genommen hätten.

Molaverdi erwähnte auch die hohe Arbeitslosigkeit unter alleinstehenden Frauen. 82 Prozent der Frauen, die alleine für ihre Familien zu sorgen hätten, seien arbeitslos. "Diese Frauen, Geschiedene, Witwen und Frauen, die das normale Heiratsalter überschritten haben, sind vielfach bedroht. Das ist ein wichtiges Thema, dem die Regierung besondere Aufmerksamkeit widmet", sagte Molaverdi.


STEIGENDE SCHEIDUNGSRATE

Der Familienbeauftragte der Regierung, Mohammad Motlagh, zeigte sich besorgt über die steigende Scheidungsrate. Den Angaben des Amtes für Statistik zufolge wurden im vergangenen Jahr 164.000 Ehepaare geschieden. Das bedeutet, dass sich im Durchschnitt jede Stunde 18 Paare geschieden haben. "Diese Statistik ist alarmierend, besonders weil die meisten der geschiedenen Paare unter 30 Jahre alt gewesen sind", sagte Motlagh am 18. Mai in einem Interview mit der Agentur Tasnim.

In der Islamischen Republik wird ein besonderer Wert auf den Familienerhalt gelegt. Wunschgemäß soll die Familienpolitik als moralisches Vorbild für alle Länder gelten. Umso enttäuschender sind die Ergebnisse der jüngsten Erhebung. Nicht zuletzt weil die Scheidungen vorwiegend von Frauen ausgehen. Das ist eindeutig ein Zeichen für das gestiegene Selbstbewusstsein der Frauen. Obwohl die Frauen in der Islamischen Republik weitaus weniger Rechte haben als Männer, haben sie sich im Laufe der Zeit in vielen gesellschaftlichen Bereichen durchgesetzt und Positionen erkämpft und erobert, die bislang nur den Männern vorbehalten waren. So stehen Frauen heute beispielsweise an der Spitze großer Unternehmen, arbeiten als Bus- und Taxifahrerinnen und bekleiden mehr und mehr Posten in der Verwaltung.


AUSSCHLUSS VON DISSIDENTEN BEI PARLAMENTSWAHLEN

Laut den Angaben des Sprechers des Wächterrats haben Dissidenten keinen Zugang zu den im Februar nächsten Jahres stattfindenden Parlamentswahlen. "Alle Abweichler werden von den Wahlen ausgeschlossen", sagte Nedschatollah Erahimian am 4. Mai der Presse. Mit "Abweichler" sind jene Politiker gemeint, die an den Protesten von 2009 gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad teilgenommen bzw. sich von diesen nicht öffentlich distanziert haben. Dies trifft unter anderem auf einen Großteil der Reformer zu, von denen einige sich immer noch in Haft befinden, unter ihnen die führenden Politik der "Grünen Bewegung", Mir Hossein Mussavi, seine Frau Sahra Rahnaward und Mehdi Karrubi, die seit 52 Monaten unter Hausarrest stehen.

Der Wächterrat ist eines der wichtigsten Organe des Regimes. Er kontrolliert die vom Parlament beschlossenen Gesetze und Entscheidungen, die ohne seine Zustimmung nicht in Kraft treten können. Der Rat ist auch für die Wahlen zuständig. Kandidaten, die sich für einen Sitz im Parlament oder für das Amt des Präsidenten bewerben, können nur mit Zustimmung des Wächterrats zugelassen werden. Sollten die Reformer tatsächlich von den Parlamentswahlen ausgeschlossen werden, würde die gemäßigte Regierung Rohani kaum noch in der Lage sein, ihre Reformvorhaben durchzusetzen.


1. MAI-DEMONSTRATION ZUM ERSTEN MAL ERLAUBT

Der Nachrichtenagentur ILNA vom 1. Mai zufolge haben sich am Morgen des 1. Mai mehr als 2.000 Demonstranten in Teheran vor dem "Haus des Arbeiters" versammelt. Danach marschierten sie zu einer Kundgebung auf dem Palästina-Platz. Die Polizei versuchte zunächst, die Demonstranten auseinanderzutreiben, diese bildeten jedoch einzelne Gruppen, die sich auf verschiedenen Wegen zum Palästina-Platz begaben. Schließlich gab die Polizei nach, so dass bei der Kundgebung laut IRNA mehr als zehntausend Werktätige an der Kundgebung teilnahmen.

Mit Sprechchören und auf Plakaten forderten die Teilnehmer Berufssicherheit, angemessene Krankenversicherungen und Lohnerhöhungen. Einige protestierten auch gegen die Beschäftigung von ausländischen, insbesondere afghanischen, Arbeitern.

Zum Schluss der Kundgebung wurde eine Resolution verlesen. Darin heißt es: "Die heutige Kundgebung beinhaltet eine Botschaft an bestimmte Gruppen. Sie stellt auch die organisatorische Stärke der Arbeiter dar, die ihr Demonstrationsrecht am 1. Mai durchgesetzt haben."

Die Hauptforderungen der Kundgebung lauteten: Das Recht der Arbeiter, am 1. Mai zu demonstrieren, solle in Zukunft unantastbar bleiben. Alle Arbeiter sollen versichert sein. Iranische Arbeiter sollen gegenüber Fremdarbeitern geschützt werden. Das Parlament solle endlich eine Reform der Arbeitsgesetze beschließen.

Es war seit Jahren das erste Mal, dass es den Arbeitern gelungen war, am 1. Mai, dem Tag des Arbeiters, zu demonstrieren. Bei der Kundgebung gab es auch einige Festnahmen. Es gibt in der Islamischen Republik keine freien, unabhängigen Gewerkschaften. Alle bisherigen Versuche der Werktätigen, sich zu organisieren, scheiterten an den repressiven Maßnahmen des Regimes. Einige Initiatoren der Gewerkschaftsbewegung befinden sich bereits seit Jahren im Gefängnis.


HOLOCAUST-AUSSTELLUNG ABGESAGT

Die geplante Ausstellung von Holocaust-Karikaturen, die als Protest gegen die Mohammed-Karikaturen der französischen Zeitschrift Charlie Hebdo geplant war, wurde am 9. Mai abgesagt. Zwar wurde die Absage mit der angeblichen Krankheit des Veranstaltungsleiters, Massud Schodschai begründet. Doch es wird vermutet, dass vor allem der Regierung viel daran gelegen war, die politische Atmosphäre während der laufenden Atomverhandlungen nicht zu trüben.

Schodschai, der zu den islamistischen Hardlinern gehört, hatte die Ausstellung mit dem Satz begründet: "Wenn die Beleidigung unseres Propheten legitim ist, sollte eine Untersuchung des Holocaust genauso legitim sein." Seinen Angaben zufolge hatten 312 Zeichner aus 51 Ländern an dem Karikaturen-Wettbewerb teilgenommen. Die besten Karikaturen sollten mit bis zu 20.000 Euro Preisgeld prämiert werden.


GESUNDHEITSMINISTER OPERIERT OPPOSITIONSFÜHRER

Einem Bericht des Nachrichtenportals "Kalameh" vom 29. Mai zufolge wurden die Politikerin Sahra Rahnaward und der Politiker Mehdi Karrubi von Gesundheitsminister Hassan Ghasisadeh Haschemi an den Augen operiert. Die beiden befinden sich zusammen mit dem Oppositionspolitiker und Ehemann von Rahnaward, Mir Hossein Mussavi, seit über vier Jahren im Hausarrest.

Dass gerade ein Minister die Operation durchgeführt hat, wird als Geste der Rohani-Regierung zur Versöhnung mit jenen Oppositionellen gedeutet, die früher zur Führung der Islamischen Republik gehörten und durch die Ereignisse bei der Wiederwahl des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad (2009) in Ungnade gefallen waren. Immerhin war Karrubi Jahre lang Parlamentspräsident und Mussavi Ministerpräsident.

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KULTUR

• Internationale Buchmesse in Teheran
• Washington Post-Reporter vor Gericht
• Persisches Programm der Voice of America eingestellt


INTERNATIONALE BUCHMESSE IN TEHERAN

Die 28. internationale Buchmesse ging am 17. Mai zu Ende. Abgesehen von der Präsentation von Büchern aus dem In- und Ausland, dient die Teheraner Buchmesse als wichtigster Markt zum Verkauf von Büchern. Was hierbei auffiel, war der Anstieg der Buchpreise. Bücher sind im Vergleich zum Vorjahr um 30 bis 50 Prozent teurer geworden.

Das liegt daran, dass die Produktionskosten, d.h. die Kosten für Papier, Druck und Vertrieb, gestiegen sind.

Ein wichtiges Ereignis der diesjährigen Buchmesse war der Besuch des Revolutionsführers Ali Chamenei. Mit seinem Besuch wurden alle Gerüchte hinweggefegt, die besagten, dass der Revolutionsführer der Buchmesse den Rücken gekehrt habe und der Kulturpolitik von Rohanis Regierung ablehnend gegenüber stehe. Die Gerüchte waren aufgekommen, weil Chamenei, der sonst immer die Buchmesse besucht hat, im vergangenen Jahr nicht auf der Messe erschien war. Chamenei besuchte dieses Jahr nicht nur Verlage, die religiöse Bücher publizieren, von denen die meisten staatlich sind oder religiösen Stiftungen gehören. Er schaute auch bei regierungsunabhängigen Verlagen vorbei, selbst solchen, die zu den Gegnern der Vorgängerregierung von Mahmud Ahmadinedschad zählten.

Mit dem Verkauf von Büchern auf der Messe waren die Verleger mehr als zufrieden. Im Vergleich zum Vorjahr wurde ein Anstieg von rund fünfzig Prozent registriert. Allerdings hing der Anstieg des Gesamtumsatzes zum Teil auch mit dem Anstieg der Buchpreise zusammen.

Auch die Organisation der Buchmesse gestalte sich in Vergleich zum Vorjahr positiv. In diesem Jahr wurden die Verbände der Buchbranche im Gegensatz zu den Jahren davor bei den Entscheidungen mit einbezogen. Ihnen wurde sogar die Organisation bestimmter Teilbereiche überlassen. Der Verband der Verleger und Buchhändler war z.B. verantwortlich für inländische Bücher und der Verbandsvorsitzende trat als Sprecher des Messeratsvorstands auf. Auch die Messebesucher waren laut einer Umfrage in diesem Jahr mit der Messe zufriedener als im Vorjahr.

Negativ fiel auf, dass die Messe auch in diesem Jahr nicht frei von Zensur war. Zwar werden auf der Messe nur Bücher ausgestellt, die zuvor die Hürde der Zensur überwunden haben. Trotzdem finden die Zensoren, die auf der Messe präsent sind, insbesondere bei ausländischen Verlagen immer wieder Bücher, die ihrer Ansicht nach moralisch, ethisch und auch thematisch nicht den von der Behörde festgesetzten Normen entsprechen. Somit wurde auch in diesem Jahr eine ganze Reihe von Büchern, die zunächst ausgestellt waren, von der Zensurbehörde wieder eingesammelt.

Beschlagnahmt wurden aber nicht nur einzelne Bücher, sondern auch ganze Verlagsstände. Aufsehen erregte insbesondere die Schließung des Hayan-Stands. Der Verlag, dessen Leiter Mehdi Khasali im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad 2009 verhaftet und verurteilt worden war, hatte die Erlaubnis für einen Stand auf der Messe erhalten. Dennoch musste er auf Anordnung der Zensurbehörde seien Stand wieder räumen. Khasali protestierte gegen die Maßnahme und drohte mit einem unbefristeten Hungerstreik. In einem offenen Brief an Präsident Rohani schrieb er, sein Stand sei auf Anweisung des Kulturministeriums geräumt worden. Er werde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für sein Recht kämpfen. Zwei Tage später entschuldigte sich Vizekulturminister Abbas Salehi, der die Leitung der Messe innehatte, bei Khasali. Es sei ein Fehler passiert, erklärte er. Und zwar sei die Regelung missachtet worden, dass ein Verlag innerhalb der letzten drei Jahre mindesten 35 Bücher publiziert haben müsse, um an der Messe teilnehmen zu können. Man habe jedoch erst nach Eröffnung der Messe festgestellt, dass der Hayan-Verlag diese Voraussetzung gar nicht erfülle. Konservative Zeitungen kritisierten den Vizeminister dafür, dass er sich bei Khasali entschuldigte. Insgesamt wurden rund 30 Stände während der Messe geschlossen.

Zu erwähnen sind natürlich auch die Verlage und Bücher von nicht genehmen Autoren, die von vornherein nicht zu der Messe zugelassen waren.

Trotz dieser restriktiven Maßnahmen fehlte es nicht an guten Worten. Präsident Rohani betonte bei der Eröffnung der Messe die Notwendigkeit klarer Rahmenbedingungen für Verleger und Autoren, die für alle gelten sollten. "Gott behüte, dass die Burteilung der Verlage und Autoren parteiisch wird und sich nach persönlichen Interessen oder den Interessen einer Gruppe oder Partei richtet", sagte Rohani. Subjektive Entscheidungen könnten dazu führen, dass die erste Auflage eines Buchs erlaubt, die zweite aber verboten werde. Weiter sagte der Präsident, man solle sich hüten, die Verleger und Autoren zu sehr unter Druck zu setzen. Zugleich dürften die Rahmenbedingungen nicht so locker gehalten werden, dass jeder Aberglaube und jede extreme und irrige Ansicht verbreitet werden könnte.

Auch Vizekulturminister Salehi erklärte mit Blick auf die Justiz und die Geheimdienste, dass keine Instanz mit Ausnahme des Kulturministeriums befugt sei, sich in die Angelegenheiten der Buchmesse einzumischen. "Die Messe hat einen Verwalter und das ist das Kulturministerium. Niemand sonst ist befugt, über die Messe Entscheidungen zu treffen. Demzufolge dürfen alle Bücher und Stände, die vom Kulturministerium die Erlaubnis zur Teilnahme an der Messe erhalten haben, präsentiert werden", sagte Salehi.

Zugleich dementierte Salehi Berichte über eine Aufhebung der verhängten Teilnahmeverbote. "Alle Verbote, die im vergangenen Jahr ausgesprochen wurden, bleiben weiterhin in Kraft. Somit erhalten jene Verleger, denen im vergangenen Jahr die Teilnahme untersagt wurde, auch in diesem Jahr keine Erlaubnis zur Teilnahme an der Messe", sagte er.

Kulturminister Ali Dschannati kritisierte bei der Eröffnung der Buchmesse, dass die Messe sich zu einem "Buch-Supermarkt" verwandelt habe. "Bücher sollten in Buchhandlungen verkauft werden", sagte er. Offenbar bezog sich diese Kritik auf die Tatsache, dass seit geraumer Zeit sowohl in der Hauptstadt als auch in den Provinzen immer mehr Buchhandlung sich gezwungen sehen, ihre Läden aus finanziellen Gründen zu schließen, während auf der Messe der Verkauf von Büchern rapide zunimmt.

Am 10. Mai nahm der Minister auch zu der Zensur der Presse Stellung. "Wir sollten uns einmal ernsthaft fragen, ob die Einschränkungen etwas gebracht haben", sagte Dschannati. Das Zeitalter des Internets und der sozialen Netzwerke erlaubte nicht mehr eine wie bislang praktizierte Lenkung der öffentlichen Meinung. Es sei höchste Zeit für ein Umdenken.

Filterungen und Verbot von Webseiten und Satellitensendungen seien allein aus technischen Gründen nicht mehr möglich. Es gebe ausreichend Wege, um diese Maßnahmen zu umgehen, sagte der Minister.


WASHINGTON POST-REPORTER VOR GERICHT

Laut einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA hat der Prozess gegen den 39-jährigen, aus Iran stammenden Reporter der Washington Post, Jason Rezaian, am 25. Mai begonnen. Der wegen Spionage, Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten und Propaganda gegen die islamische Staatsordnung angeklagte Reporter befindet sich seit zehn Monaten in iranischer Haft im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis. Sollten ihm die Vorwürfe nachgewiesen werden, drohen ihm bis zu zwanzig Jahre Haft.

Der Anwalt des Angeklagten erklärte, die Staatsanwaltschaft habe bislang keinerlei Beweise gegen seien Mandanten vorgelegt. US-Präsident Barack Obama sowie die Washington Post bezeichneten die Vorwürfe als "widersinnig" und forderten die sofortige Freilassung des Beschuldigten.

Justizsprecher Gholamhossein Mohseni Ejehi sagte der Presse am 24. Mai, die Entscheidung über die Zulassung der Öffentlichkeit zu dem Prozess liege bei dem zuständigen Richter. "Weder ich noch andere haben Einfluss auf seine Entscheidung", sagte Ejehi. Den Antrag auf Teilnahme an den Verhandlungen, den die Washington Post und die Schweizer Botschaft in Teheran gestellt haben, die die Interessen der Vereinigten Staaten in Iran vertritt, bezeichnete er als irrelevant und inakzeptabel.

Der Prozess befasst sich auch mit der Ehefrau des Angeklagten, der Journalistin Yeganeh Salehi, sowie einer weiteren iranisch-amerikanischen Fotografin. Die beiden Frauen, die gemeinsam mit Rezaian im Juli vergangenen Jahres verhaftet worden waren, wurden nach drei Monaten gegen Kaution freigelassen.

Iran erkennt eine zweite Staatsangehörigkeit seiner Bürger nicht an. Daher gilt Rezaian als iranischer Staatsbürger und wird auch als solcher vor Gericht behandelt. Aus demselben Grund wurde der Antrag der Schweizer Botschaft auf Teilnahme an dem Prozess abgelehnt. Als iranischer Staatsbürger habe Rezaian kein Recht auf konsularischen Beistand, hieß es.

Ejehi betonte mehrmals, dass das Gericht unabhängig sei und den Gesetzen der Islamischen Republik entsprechend urteilen werde. Der Prozess steht wegen den laufenden Atomverhandlungen unter besonderer internationaler Beobachtung.


PERSISCHES PROGRAMM DER VOICE OF AMERICA EINGESTELLT

Mit der letzten Sendung am 19. Mai stellte die Stimme Amerikas (Voice of America) nach 36 Jahren ihr persisches Programm endgültig ein. Neben der BBC, die unter den persischsprachigen Auslandssendern die höchste Hörerzahl besitzt, bot die Stimme Amerikas ein Sonderprogramm in persischer Sprache an, das zahlreichen Iranerinnen und Iranern Information und Unterhaltung bot. Das Programm blickt auf eine lange Tradition zurück. Begonnen hat es im November 1949 mit dem Staatsbesuch des damaligen Schahs in den USA. Das Programm sollte zur Intensivierung der Beziehungen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten beitragen. Dreizehn Jahre später, wiederum bei einem Besuch des Schahs, wurde das Programm eingestellt. Der Schah hatte den damaligen Präsidenten der USA John F. Kennedy gebeten, das Programm einzustellen. Erst nach der Revolution wurde das Programm am 9. April 1979 erneut gestartet.

Damals war die US-Botschaft in Teheran noch aktiv. Doch mit der Besetzung der Botschaft und der Geiselnahme der Botschaftsangehörigen im November 1979 bekam das Programm eine wichtige politische Funktion. Das Personal wurde aufgestockt, das Programm erweitert und gegen die neue Macht in Iran eingesetzt. Die Programme des Senders, der der amerikanischen Regierung untersteht, dienten fortan der offiziellen Politik Washingtons. In dem Programm kamen oft auch iranische Oppositionelle, hauptsächlich aus dem Lager der Monarchisten, zu Wort.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt • Abschluss der Verhandlungen über Raketenlieferung • Iran kauft neun Airbus-Maschinen • Ölexport soll wieder den Stand von vor den Sanktionen erreichen • Milliarden-Strafe für israelische Ölgesellschaft • Handelsabkommen mit Indien


ATOMKONFLIKT

Auch ein Monat vor dem Ablauf der festgesetzten Frist, Ende Juni, wurde bei den Atomverhandlungen noch keine Einigung über die wichtigsten Punkte erzielt. Der iranische Verhandlungsführer und Vizeaußenminister Abbas Araghtschi sagte der Agentur IRNA zufolge am 2. Mai in New York, der erste Entwurf zu einem endgültigen Abkommen werde "voll von Widersprüchen" sein. Sowohl Iran als auch die 5+1-Gruppe (UN-Vetomächte plus Deutschland) beharren nach wie vor auf ihren Standpunkten. Gestritten wird über den Zeitpunkt der Aufhebung von Sanktionen, über Inspektionen in Militäranlagen, über die Frist des Vertrages und über die Produktionskapazität bzw. die vorzunehmenden Einschränkungen der Atomanlagen.

Der Oberkommandierende der iranischen Streitkräfte, General Hassan Firuzabadi, veröffentlichte am 3. Mai eine Botschaft an die iranische Verhandlungsdelegation, in der er auf die seiner Ansicht nach unverzichtbaren Forderungen der Islamischen Republik hinwies. Zugleich betonte er, dass jede Vereinbarung von den zuständigen Instanzen in Iran geprüft und genehmigt werden müsse. Um welche Instanzen es sich dabei handeln soll, schreibt Firuzabadi jedoch nicht. Weiterhin erklärte der General, die Gegenseite habe nicht das Recht auf Zugang zu der iranischen Sicherheitsstruktur, den nationalen Verteidigungsplänen sowie der Informations- und Cyber-Politik der Islamischen Republik. Damit sind wohl in erster Linie die vom Westen geforderten Inspektionen der Militäranlagen gemeint. Weiterhin forderte der General die sofortige, gänzliche und dauerhafte Aufhebung der Sanktionen. Ein Verzicht der Regierung auf diese Forderungen wäre ein "unverzeihlicher Fehler", sagte er. Laut Firuzabadi wären die USA nur dann zu einer Einigung mit Iran bereit, wenn sie die künftige Entwicklung des Land unter ihre Kontrolle bringen könnten. Ohne diese Kontrollen hätten die USA die Befürchtung, Iran könnte mit der Freigabe von hunderten Milliarden Dollar weit mehr als bis jetzt in die Cyber-Technologie und Waffentechnik investieren und in zehn Jahren zu einer regionalen und internationalen Großmacht werden.

Außenminister Dschwad Sarif schrieb am 4. Mai auf Twitter, im Atomstreit gäbe es noch einige Differenzen, die ausgeräumt werden müssten. "Die Arbeit am Entwurf geht in New York zwar voran, aber es gibt noch viele Lücken, die geklärt werden müssen." Man sei bemüht, diese "künstliche Krise auszuräumen, um neue Horizonte der Zusammenarbeit zu ermöglichen."

Indes beharren die USA weiterhin auf einer strengen Kontrolle des iranischen Atomprogramms. US-Außenminister John Kerry sagte im 10. Kanal des israelischen Fernsehens am 3. Mai, sollte im Atomstreit eine Einigung erzielt werden, würden die Kontrollen des iranischen Atomprogramms dauerhaft sein. "Wir werden jeden Tag die Anlagen kontrollieren. Das wird nicht für eine Dauer von zehn Jahren, sondern für immer sein." Kerry kritisierte "das Schreien und Klagen" gegen das mögliche Abkommen mit Iran. Er versicherte, dass der Vertrag, sollte er zustande kommen, den Weg Irans zu Nuklearwaffen für immer versperren werde. Er habe Verständnis für die Sorgen Israels, sagte der Minister und betonte, die USA hätten keine Option beiseitegelegt. "Wir haben verschiedene Optionen: Sanktionen, militärische Optionen..."

Im Monat Mai waren alle Verhandlungspartner sichtlich bemüht, die bestehenden Probleme auszuräumen. Sie verhandelten in New York, in Wien und in der Schweiz. Immer wieder lobten die Teilnehmer die gute Atmosphäre und sprachen von "konstruktiven" Verhandlungen. Zugleich waren die Statements häufig auch von impliziten Drohungen begleitet. So versuchten die USA und EU mit einem Sanktionsautomatismus, eine Drohkulisse aufzubauen. Die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power, sagte am 6. Mai in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg, das Ziel sei, einmal gelockerte Sanktionen auch ohne Zustimmung der UN-Vetomächte Russland und China wieder verschärfen zu können.

Am 8. Mai akzeptierte die US-Regierung das Mitspracherecht des Kongresses bei einem Abkommen mit Iran. Demnach muss die US-Regierung dem Kongress mindestens 30 Tage Zeit geben, um das Abkommen zu prüfen. Iran kritisierte die Entscheidung. Wichtig für Iran sei in erster Linie die Aufhebung der Sanktionen, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borudscherdi. Sollte der Kongress die Aufhebung verhindern oder verzögern wollen, werde das iranische Parlament entsprechend reagieren.

Der Vizepräsident des Parlaments, Mohammad Resa Bahonar, kritisierte im iranischen Fernsehen am 10. Mai die wiederholten Drohungen des Westens. "Verhandlungen, die von Drohungen begleitet werden, sind keine Verhandlungen", sagte er. "Sollte man uns weiterhin mit militärischen Einsätzen drohen, werden wir keine Diplomaten mehr an die Verhandlungsfront schicken, sondern andere Mittel einsetzen." Zu dem Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das unangemeldete Inspektionen der Atomanlagen erlaubt, sagte Bahonar, die Regierung könne zwar das Protokoll erst einmal unterzeichnen, doch es gäbe einen Beschluss des Parlaments von vorigem Jahr, der die Unterzeichnung ausdrücklich untersagt. Auch heute würde das Parlament "niemals einer Unterzeichnung zustimmen". Das sei auch der Regierung bewusst. Das Protokoll könne dem Parlament erst dann zur Abstimmung vorgelegt werden, wenn die Sanktionen aufgehoben seien und wenn es genügend Vertrauen gebe, dass die Gegenseite nicht in die Vergangenheit zurückkehren wolle.

Am 12. Mai bereiteten einige Abgeordnete im iranischen Parlament einen Eilantrag vor, mit dem die Regierung verpflichtet werden sollte, "alle Verhandlungen mit und Kontakte zu den USA abzubrechen, bis die Drohungen aus Washington aufhören", berichtete die Agentur Fars. Der Antrag war bereits von 80 Abgeordneten unterzeichnet worden. Die Atomverhandlungen könnten mit anderen Partnern fortgesetzt werden, hieß es in dem Antrag. Die Unterzeichner gehören der Paydari-Fraktion an, die zu den schärfsten Gegnern der Rohani-Regierung gehört. Wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Antrags protestierten einige Abgeordnete, die den Antrag unterzeichnet hatten, ihnen sei nicht gesagt worden, dass es sich um einen Eilantrag handele. Daraufhin zogen sie ihre Unterschriften zurück. Damit wurde der Antrag vorerst zurückgestellt. Araghtschi bedankte sich bei diesen Abgeordneten. Er sagte, die iranischen Verhandlungspartner würden den Vertretern der USA niemals erlauben, Drohungen auszusprechen.

Indes erklärte der Generaldirektor der Internationalen Atombehörde (IAEA), Yukiya Amano, in einem Gespräch mit der AP, die Inspektionen der iranischen Atom- und Militäranlagen müssten auf der Basis des Zusatzprotokolls erfolgen. Iran habe bereits im Rahmen des vorläufigen Abkommens von April dem Zusatzprotokoll zugestimmt. Das werde es der Behörde weitaus besser als bisher ermöglichen, die Anlagen zu kontrollieren. Auch in anderen Staaten, die das Protokoll unterzeichnet hätten, würden gelegentlich Militäranlagen untersucht, "warum nicht auch in Iran?" "Im Prinzip muss Iran das akzeptieren", sagte Amano weiter.

Einen Tag nach Amanos Äußerung lehnte der Sprecher der iranischen Atombehörde dessen Darstellung ab. Es gäbe im Zusatzprotokoll keinen einzigen Absatz, der der IAEA Inspektionen von Militäranlagen gestatten würde. Sollte die Behörde eine Untersuchung fordern, müsste sie zuvor die Zustimmung Irans einholen. Auch Außenminister Sarif äußerte sich zu dem Thema. Das Zusatzprotokoll werde zurzeit in 124 Staaten praktiziert. Es erlaube keineswegs unbegründete und unübliche Inspektionen, sagte der Minister auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ungarischen Außenminister in Teheran am 18. Mai. Abgesehen von Sicherheitsfragen sei auch die Wahrung industrieller Geheimnisse ein wichtiger Grund der gegen die Inspektionen spreche. Daher gäbe es keinerlei Regelungen, die Inspektionen in sensiblen, militärischen Bereichen erlaubten.

Am 17. Mai warfen Borudscherdi und Ali Akbar Welayati, der außenpolitische Berater Chameneis, den USA vor, die erzielte Einigung über die Zahl der Zentrifugen in der Atomanlage Fordo zu ignorieren. "Bedauerlicherweise werden nun die Vereinbarungen von Lausanne von den USA in Frage gestellt", sagte Borudscherdi am Rande einer Parlamentssitzung den Journalisten. "Sie meinen nun die vereinbarte Zahl der Zentrifugen in Fordo sei zu hoch (...) und stellen auch zusätzliche Forderungen." Ähnlich äußerte sich

Welayati auf der Webseite Chameneis. Die USA hielten sich nicht einmal an die Version des vorläufigen Abkommens, die sie selbst veröffentlicht hätten. Es sei zum Beispiel in Lausanne vereinbart worden, dass sämtliche Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu Sanktionen gegen Iran nach einem umfassenden Abkommen als nichtig erklärt würden. "Nun sagen die Amerikaner, die Aufhebung der Sanktionen würde längere Zeit in Anspruch nehmen."

Am 18. Mai sagte US-Präsident Barack Obama beim Treffen mit den Staaten des Golfkooperationsrats in Camp David, es sei im Interesse aller, sicherzustellen, dass Iran nicht an Nuklearwaffen gelange. "Selbst wenn wir eine Einigung im Atomkonflikt erzielen sollten, bleibt immer noch die Sorge um einige Aktivitäten Irans, der Revolutionswächter und der Hisbollah." Die vorgesehenen Kontrollen der iranischen Atomanlagen seien die weitgehendsten, die je einem Staat auferlegt worden seien, sagte Obama.

Am 20. Mai sagte Revolutionsführer Chamenei in der Teheraner Militärakademie, er werde keinerlei Inspektionen in Militäranlagen erlauben. "Nun stellen sie (die westlichen Verhandlungspartner) auch noch neue Forderungen. Sie wollen iranische Atomwissenschaftler interviewen", sagte er. "Das bedeutet Verhör. Ich werde niemals erlauben, dass Fremde mit unseren Wissenschaftlern, die uns technologisch so weit voran gebracht haben, Gespräche führen." Auch Rohani erklärte am 21. Mai: "Es wird nie ein Abkommen geben, das einen Zugang zu unseren geheimen militärischen Daten ermöglichen würde."

Außenamtssprecherin Afkham erklärte am 21. Mai, Iran werde nur dann einer Einigung zustimmen, wenn alle seine Anliegen berücksichtigt würden, sonst werde es keine Einigung geben. Demgegenüber sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums Mary Harf, sollte Iran den Inspektion von Militäranlagen nicht zustimmen, werde es "Probleme geben".

Bei einer nichtöffentlichen Sitzung des iranischen Parlaments am 25. Mai kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Sarif und dem Abgeordneten Mehdi Kuchaksadeh. Der Abgeordnete warf dem Außenminister wegen der Zustimmung zu den Inspektionen in Militäranlagen "Volksverrat" vor. Daraufhin verließ Sarif das Parlament. Nach der Sitzung sagte Araghtschi im Fernsehen, Iran habe einem "betreuten Zugang" zu den Militäranlagen zugestimmt.

Indes wurden Stimmen laut, die an der Einhaltung der für die Verhandlungen festgesetzten Frist, Ende Juni, zweifeln. Frankreichs Botschafter in den USA, Gerard Around, sagte am 27. Mai, die Verhandlungen könnten einige Wochen in den Juli hinein andauern. Auch Araghtschi sagte laut Irna, die Verhandlungen würden "bis zur Frist fortgesetzt und könnten auch danach weitergehen." Die Partner seien nicht zeitlich gebunden. Wichtiger sei es "ein gutes Abkommen zu erreichen, bei dem alle Details unseren Erwartungen entsprechen".

Indes forderte Frankreich einen Zugang der IAEA zu den iranischen Militäranlagen. "Frankreich wird (ein Abkommen) nicht akzeptieren, wenn nicht klar ist, dass alle iranischen Einrichtungen überprüft werden können, auch die militärischen", sagte Außenminister Laurent Fabius am 27. Mai in der französischen Nationalversammlung. "Was diesen Punkt angeht, wünsche ich, dass alle großen Länder, die mit uns diskutieren, die französische Position annehmen."


ABSCHLUSS DER VERHANDLUNGEN ÜBER RAKETENLIEFERUNG

Der Agentur AFP vom 26. Mai zufolge gab der iranische Vize-Außenminister Hossein Amir Abdollahian bekannt, dass alle Modalitäten über die Lieferung der russischen S-300-Raketen zwischen Teheran und Moskau geklärt und die Gespräche darüber abgeschlossen seien. So könne die Lieferung in Kürze vonstattengehen. "Es wird schnellstmöglich geschehen", sagte Abdollahian nach einem Treffen mit dem russischen Vize-Außenminister Michail Bogdanow.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 13. April das Ausfuhr-Verbot für hoch entwickelte S-300 Luftabwehrraketen nach Iran aufgehoben. Der Kreml teilte mit, dass Putin ein entsprechendes Auslieferungsdekret unterzeichnet habe. Das System, das gegen Marschflugkörper und Flugzeuge eingesetzt werden kann, wurde bereits zu sowjetischer Zeit entwickelt. Iran will die Raketen erwerben, um sich gegen einen möglichen Angriff auf seine Atomanlagen zur Wehr setzen zu können.

Die Wende in diesem Geschäft, das über lange Zeit auf Eis lag, ereignete sich im April mit dem Abschluss des Rahmenabkommens zwischen Iran und der 5+1-Gruppe. Darauf verwies auch der russische Außenminister Sergej Lawrow. In einem Interview betonte er, dass die S-300 eine "ausschließlich defensive Waffe" sei, die "nicht für offensive Zwecke eingesetzt werden" könne und deshalb die Sicherheit keines Landes - Israel inbegriffen - gefährden werde.

Der Vertrag über die Lieferung von S-300 Raketen im Wert von 800 Millionen Dollar wurde bereits 2007 zwischen Teheran und Moskau abgeschlossen. Doch 2010 erklärte Moskau, dass sich die Lieferung gegen die von der UNO verhängten Sanktionen gegen Iran richten würde und deshalb nicht erfolgen könne.

Die USA und Israel kritisierten die Entscheidung Russlands den Auslieferstopp aufzuheben. Der israelische Minister für internationale Beziehungen, Juval Steinitz, veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß, dies sei das direkte Ergebnis des Atomabkommens und der damit einhergehenden neuen Legitimität, die Iran auf diesem Wege verliehen wurde.

Seitens des russischen Außenministeriums wurden die Angaben Abdollahians zunächst nicht bestätigt. Laut der AFP-Meldung wurde nur die "Bedeutung eines regelmäßigen russisch-iranischen Dialogs" hervorgehoben.


IRAN KAUFT NEUN AIRBUS-MASCHINEN

Wie auf der Webseite der staatlich-iranischen Luftfahrtgesellschaft am 10. Mai zu lesen war, erklärte der Leiter der Gesellschaft Aliresa Dschahangiri, Iran habe acht Airbusse des Typs A340 und einen Airbus des Typs A320 gekauft. Diese Maschinen hätten eine Lebensdauer von zehn bis fünfzehn Jahren. Damit hätten die Maschinen der staatlichen Luftfahrtgesellschaft zum ersten Mal im Durchschnitt eine Lebensdauer von neunzehn Jahren. Seit Februar dieses Jahres habe die Gesellschaft insgesamt siebzehn zusätzliche Maschinen bekommen.

Der Luftfahrtexperte Ali Resa Eftekhar sagte in London der BBC, die Airbusse seien in Europa gekauft worden. Sie böten gute Sicherheit. Iran habe in Bezug auf Wartung, internationale Kontrollen und den Erwerb von Ersatzteilen keine nennenswerten Probleme mehr. Daher könnten sich die neu erworbenen Maschinen insbesondere bei Langstrecken-Flügen nach Europa und Asien positiv auswirken. Wichtig sei auch, dass die Airbusse einmal vollgetankt ohne nochmalige Betankung hin und zurück fliegen könnten.

Durch die gegen Iran verhängten Sanktionen hatten iranische Maschinen bei Langstrecken-Flügen häufig Probleme, vor allem bei der Betankung und Wartung auf fremden Flughäfen. Zudem hatte der Boykott der Lieferung von Ersatzteilen dazu geführt, dass zahlreiche Maschinen nicht mehr für Langstrecken eingesetzt werden konnten. Mit dem vorläufigen Atomabkommen scheinen diese Probleme nun weitgehend gelöst worden zu sein.


ÖLEXPORT SOLL WIEDER DEN STAND VON VOR DEN SANKTIONEN ERREICHEN

Iran hofft, mit der Aufhebung der Sanktionen rasch den Ölexport auf den Stand von vor der Verhängung der Sanktionen steigern zu können. Dieses Ziel soll nach Angaben des Vize-Erdölministers, Rokneddin Dschawadi, bereits drei Monate nach Aufhebung der Sanktionen erreicht werden. Die von der UNO, den USA und der EU verhängten Sanktionen gegen Iran haben seit 2012 zu einem drastischen Einbruchs des Ölexports geführt. In der Zeit vor den Sanktionen exportierte Iran rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag. Inzwischen liegt der Export bei rund einer Million Barrel pro Tag.

Dschawadi, der am 18. Mai an der asiatischen Öl- und Gas-Konferenz teilnahm, sagte am Rande der Konferenz, Iran habe die Absicht, verlorene Marktanteile in Asien wieder zu gewinnen.

Die iranische Regierung hofft auf einen Erfolg der Atomverhandlungen. Eine Einigung, die nach iranischem Wunsch die sofortige Aufhebung der Sanktionen zufolge haben sollte, werde die seit Jahren andauernde Wirtschaftskrise beenden und zu einem beachtlichen Aufschwung der Wirtschaft führen, meinen Wirtschaftsexperten. Ob aber bis zur festgesetzten Frist, dem 30. Juni, eine Einigung erzielt werden kann, ist längst nicht ausgemacht.


MILLIARDEN-STRAFE FÜR ISRAELISCHE ÖLGESELLSCHAFT

Der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zufolge hat ein Schweizer Gericht eine israelische Ölgesellschaft zu 1,1 Milliarden US-Dollar Entschädigung an Iran verurteilt. Das Urteil wurde nach mehr als zwanzig Jahren Streit zwischen den beiden Ländern ausgesprochen. Gegenstand des Streits war der Anteil Irans an dem Unternehmen Eilat Ashkelon Pipeline Company, die den Bau einer Ölpipeline vom Roten Meer zum Mittelmeer plante. Die Gesellschaft wurde 1968 gegründet. Das gemeinsame Projekt sollte den Export iranischen Öls nach Europa erleichtern. Damals war der Suez-Kanal wegen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Ägypten geschlossen. Eine Pipeline zwischen Eilat im Norden des Roten Meers zum israelischen Hafen Ashkelon am Mittelmeer verhieß damals eine günstige Alternative für den iranischen Ölexport nach Europa.

Zurzeit der iranischen Revolution (1979) befanden sich rund 800.000 Tonnen iranischen Rohöls in der Pipeline und den dazugehörigen Reservelagern, deren damaliger Wert nach Angaben von Haaretz bei 120 Millionen Dollar lag. Die Hälfte davon gehörte Iran. Doch die neu gegründete Islamische Republik kümmerte sich bis 1980 nicht darum. In den Jahren danach wurden die Kompensations-Forderungen Irans von Israel abgewiesen. Schließlich wandte sich Iran an internationale Schiedsgerichte in Genf und Paris.

Israel muss nun 1,1 Milliarden Dollar Entschädigung an Iran zahlen. Dazu erklärte Israels Finanzminister laut der "Times of Israel", dass die geltenden Handelsgesetze Israels Geldüberweisungen an ein Feindesland verböten.


HANDELSABKOMMEN MIT INDIEN

Trotz einer Warnung aus den USA haben Indien und Iran am 6. Mai ein vorläufiges Abkommen über den Ausbau des Chabahar-Hafens am Meer von Oman und dem Indischen Ozean vereinbart. Das Abkommen wurde von Irans Minister für Straßen- und Städtebau, Abbas Akhundi, und Indiens Minister für Schifffahrt, Nitin Gadkari, unterzeichnet. Sollte tatsächlich ein Vertrag zustande kommen, erhielte Indien zwei Anlegestellen, die es als Terminal nutzen kann.

Indien und Iran hatten sich bereits 2003 sich über den Ausbau des Hafens verständigt. Doch die von der UNO, den US und der EU verhängten Sanktionen gegen Iran hatten die Fortsetzung der Verhandlungen blockiert. Nun scheinen beide Seiten entschlossen zu sein, trotz den Protesten der USA, zu einer Einigung zu gelangen.

Wendy Sherman, Vizeaußenministerin der USA und Verhandlungsführerin der US-Delegation bei den Atomverhandlungen mit Iran, warnte bei ihrem Indien-Besuch vor übereilten Handelsabkommen mit Iran. "Beeilen Sie sich nicht, noch haben wir mit Iran keine Einigung erzielt", sagte sie. Sie könne nachvollziehen, dass "niemand am Ende der Schlange stehen" möchte. "Wenn die Sanktionen aufgehoben werden, will jeder der Erste sein."

Akhundi erklärte: "Die neue Regierung Indiens ist entschlossen, große Investitionen zum Ausbau des Hafens von Chabahar zu tätigen."

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AUSSENPOLITIK

• US-arabischer Gipfel in Camp David • Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien halten an • Staatsbesuch des irakischen Präsidenten in Teheran • Der Konflikt in Jemen • Iran und der Konflikt in Syrien • Iran kritisiert ergebnislose Atomwaffensperrvertrag-Konferenz • Bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Kurden • Aufgebrachter dänischer Frachter wieder freigegeben • Achtzigtausend Raketen der Hisbollah abschussbereit • Keine Informationen über die Verhandlungen mit den Taliban • Neuer Konflikt zwischen Iran und Bahrain • 14 iranische Seemänner in Somalia entführt • UNO warnt vor steigenden Hinrichtungszahlen in Iran


US-ARABISCHER GIPFEL IN CAMP DAVID

Zur Beruhigung der arabischen Staaten, die dem Atomabkommen mit Iran mit großer Skepsis gegenüberstehen, lud US-Präsident Barack Obama deren Führer zu einem Treffen auf seinen Landsitz in Camp David ein. Doch nicht alle Staatschefs der Länder des Golfkooperationsrats folgten der Einladung. Lediglich zwei der sechs Länder waren durch ihre Staatschefs vertreten. Dabei fiel die Absage des saudischen Königs Salman besonders ins Gewicht, denn Saudi-Arabien gilt nach Israel als engster Partner der USA im Nahen Osten. Der König ließ sich durch Kronprinz Mohammed bin Najef vertreten. Die arabischen Staaten am Persischen Golf befürchten, dass ein Atomabkommen nicht nur zur politischen und wirtschaftlichen Stärkung Irans führen könnte, sondern auch zu einer Annäherung zwischen Teheran und Washington auf Kosten der Golfstaaten.

Obama versicherte nach dem Treffen am 15. Mai, dass die USA weiterhin "eisern" zu den Golfstaaten halten würden. Die Teilnehmer hatten vereinbart, ihre militärische Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Washington sei "bereit, mit den Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats zusammenzuarbeiten", um externe Bedrohungen "abzuwenden und ihnen entgegenzutreten", zitierte AFP den Präsidenten.

Die Teilnehmer bekräftigten in einer gemeinsamen Erklärung, ihre "Sicherheitszusammenarbeit weiter zu verstärken, insbesondere hinsichtlich beschleunigter Verfahren für Waffenlieferungen, dem Anti-Terror-Kampf, der Sicherheit auf hoher See, der Cyber-Sicherheit und der Verteidigung mit ballistischen Raketen". Diese Maßnahmen seien zur Abschreckung Irans und zur Verhinderung seiner "destabilisierenden Aktivitäten in der Region" beschlossen worden, betonten die Teilnehmer. Zugleich hob Obama in seiner Pressekonferenz hervor: "Das Ziel der Sicherheitszusammenarbeit ist nicht, irgendeine langfristige Konfrontation mit Iran endlos fortzusetzen oder etwa das Land zu marginalisieren."

Zu den ferngebliebenen Staatschefs sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Ernest, in Washington, er wisse, dass das Fernbleiben der arabischen Staatschefs als Protest gegen die Politik der US-Regierung gedeutet werden könnte. Doch diese Deutung treffe nicht zu, denn Washington habe keine entsprechende Botschaft erhalten. Im Gegenteil, alle Botschaften seien positiv. Das Weiße Haus gab auch bekannt, dass der saudische König Salman in einem Telefongespräch mit Präsident Obama sein Bedauern zum Ausdruck gebracht habe, nicht an dem Treffen teilnehmen zu können.

Irans Präsident Hassan Rohani reagierte auf das Treffen der arabischen Staatschefs mit Obama etwas spöttisch. Diese sollten sich keine Sorgen machen und statt bei den Amerikanern in Camp David, lieber "im Camp des Propheten und des Korans" Zuflucht suchen. Im Übrigen sollten sie ihre Iran-Phobie einstellen, empfahl er den arabischen Staaten. Die Islamische Republik habe in ihrer mehr als drei Jahrzehnte alten Geschichte noch nie ein anderes Land angegriffen. Nur im Irak-Krieg habe das Land gegen die irakischen Aggressoren Widerstand geleistet.


SPANNUNGEN ZWISCHEN IRAN UND SAUDI-ARABIEN HALTEN AN

Zum Abschluss des Gipfeltreffens des Golfkooperationsrats in der saudischen Hauptstadt Riad am 4. Mai beschlossen die Teilnehmerstaaten laut dem TV-Sender Al-Arabia eine Erklärung, in der es unter anderem heißt, die Mitgliedsstaaten hätten die Absicht, ihre Beziehungen zu Teheran zu normalisieren, vorausgesetzt, Iran werde sich nicht in die Angelegenheiten der arabischen Staaten einmischen. Zudem wurde beschlossen, mit den syrischen Oppositionsgruppen ein Treffen zu vereinbaren, das den Sturz des Regimes von Baschar al-Assad beschleunigen soll.

An dem Gipfeltreffen des Rats nahm überraschend auch Frankreichs Präsident Francois Hollande teil. In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Golfkooperationsrat wurde gefordert, ein Abkommen im Atomstreit mit Iran dürfe nicht die Stabilität und Sicherheit der Region gefährden und keine Bedrohung für Irans Nachbarstaaten darstellen. Nach dem Treffen führte Hollande ein Zweiergespräch mit dem saudischen König Salman, anschließend erklärten die zwei Staatsoberhäupter, das endgültige Atomabkommen mit Iran müsse fundiert, dauerhaft, makellos und bindend sein. Hollande unterzeichnete zuvor einen Vertrag über Waffenlieferungen in Katar.

Die arabisches Staaten, allen voran Saudi-Arabien, befürchten, dass ein Abkommen mit Iran nicht nur zur politischen und wirtschaftlichen Stärkung Irans, sondern auch zu einer Neugestaltung der geostrategischen Architektur der USA und des Westen in der Region führen könnte. Die Annäherung zwischen Teheran und Washington werde die Beziehungen zwischen den USA und den Golfstaaten beeinträchtigen und die Sicherheit letzterer bedrohen, so die Befürchtungen. Washington versichert zwar immer wieder, sich voll und ganz für die Sicherheit der Golfstaaten einzusetzen, gleichzeitig ist aber klar, dass ein Abkommen mit Iran geostrategische Folgen haben wird.

Am 11. Mai warf Irans Vizeaußenminister und Verhandlungsführer im Atomkonflikt, Abbas Araghtschi, Saudi-Arabien vor, das sich abzeichnende Atomabkommen sabotieren zu wollen.

Am 24. Mai kamen bei einem Selbstmordanschlag gegen eine schiitische Moschee im Osten Saudi-Arabiens 21 Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. Der sogenannte Islamische Staat (IS) übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Iran verurteilte das Attentat scharf. "Die Verantwortlichen für den Tod der unschuldigen Gläubigen sollten schnellstens gefunden und bestraft werden", sagte die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham. Zugleich übte sie Kritik an den Angriffen Saudi-Arabiens und seiner Alliierten gegen die Huthis in Jemen. Statt dieser Angriffe sollten alle Staaten gemeinsam gegen die Terrormiliz des Islamischen Staats kämpfen, sagte Afkham.

König Salman verurteilte den Anschlag auf die Moschee und versprach, alle Beteiligten gebührend zu bestrafen. Das Attentat bezeichnete er als ein "Verbrechen", das die Werte des Islam zunichtemache. Das saudische Innenministerium veröffentlichte den Namen eines mutmaßlichen Täters (Saleh ben Abdolrahman Saleh al-Ghaschmaider), der mit dem IS in Verbindung gestanden haben soll.

Es ist das erste Mal, dass der IS in Saudi-Arabien einen Anschlag verübte. Die Gruppe drohte, es werde für die Schiiten in Saudi-Arabien "schwarze Tage geben". Auch die USA und die UNO verurteilten den Anschlag. Washington wollte die Täterschaft des IS jedoch noch nicht bestätigen.

Am 26. Mai wurde der saudische Botschafter in Teheran abermals einbestellt, um gegen den Raketenbeschuss in unmittelbarer Nähe zur iranischen Botschaft in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa zu protestieren. Der Botschafter wurde darauf hingewiesen, dass die von Saudi-Arabien geführte Koalition gegen die Huthis in Jemen für die Sicherheit der diplomatischen Vertretungen verantwortlich sei.

Am 29. Mai erklärte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif am Rande einer Konferenz der Außenminister islamischer Staaten in Kuwait, er habe kein Problem, sich mit jedem der Außenminister der arabischen Staaten zu treffen. "Ich habe auch in der Vergangenheit gesagt, dass ich zu einem Besuch in Saudi-Arabien bereit bin, und ich hoffe, dass die Flammen des Krieges (in Jemen) bald gelöscht werden können", sagte er.


STAATSBESUCH DES IRAKISCHEN PRÄSIDENTEN IN TEHERAN

Am 12. Mai traf Iraks Staatspräsident Fuad Maasum zu einem offiziellen Besuch in Teheran ein. Es war der erste Besuch seit seiner Amtsübernahme. Am 13. Mai führte er Gespräche mit seinem Amtskollegen Hassan Rohani, dem Parlamentspräsidenten Ali Laridschani und dem Vorsitzenden des Schlichtungsrats, Haschemi Rafsandschani. Er wurde auch vom Revolutionsführer Ali Chamenei empfangen. Themen der Gespräche waren u.a. der Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten.

Teheran bot Irak an, den Kampf zur Rückeroberungen der strategisch wichtigen Stadt Ramadi, die wenige Tage zuvor von der Terrormiliz Islamischer Staat eingenommen worden war, zu unterstützen. Dies sagte der außenpolitische Berater Chameneis, Ali Akbar Welayati, Reuters TV am 18. Mai. Trotz Dementis aus Teheran, ist bekannt, dass Iran bereits seit längerer Zeit die schiitischen Milizen im Irak logistisch, finanziell und auch militärisch unterstützt. Washington geht davon aus, dass Iran auch Luftangriffe gegen den IS geflogen hat.

Einer Meldung der dpa vom 22. Mai zufolge gab das US-Verteidigungsministerium an, Iran habe die irakischen Streitkräfte auch bei dem Kampf um eine strategisch wichtige Ölraffinerie in Beidschi durch die Entsendung einer Gruppe von Soldaten unterstützt. Die Iraner hätten Kanonen, Raketen und andere schwere Waffen bedient. Die IS-Milizen hatten Anfang Mai bei Beidschi Geländegewinne erzielt. Die USA selbst hatten sich, wie auch bei vorhergehenden Gefechten an anderen Orten, auf Luftangriffe und Aufklärungsflüge beschränkt.

Die Unterstützung, die Iran Irak gewährt, ist auch mit der Sorge um die eigene Sicherheit verbunden. Der Oberkommandierende der iranischen Armee, General Ahmad Resa Purdastan, berichtete laut Fars-Agentur am 24. Mai dem Parlament, IS-Milizen hätten im Sommer vergangenen Jahres fünfzig Kilometer vor der iranischen Grenze "ihre Kräfte versammelt und Waffen herbeigeschafft, um Terror zu verbreiten und Unruhe zu stiften". Die Armee habe fünf Bataillone, begleitet von Kampfhubschraubern, über die Grenze geschickt und die Pläne des IS vereitelt. Auch jetzt befänden sich wieder einige Terrorgruppen in der Nähe der iranischen Grenze. Der General bat die Abgeordneten den Truppen der Armee sowie den Revolutionsgarden besondere Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen die Möglichkeit zu gewähren, mehr Panzer und Kampfhubschrauber zu beschaffen. Iran hatte voriges Jahr erklärt, seine rote Linie für IS-Terroristen verliefe vierzig Kilometer vor der iranischen Grenze. Dies wiederholte Irans Verteidigungsminister Abdolresa Rahmani Fasli am 25. Mai vor der Presse. Sollte der IS diese Linie überschreiten, werde man "die erforderlichen Gegenmaßnahmen" treffen, sagte der Minister.

Ausländische Mächte wie die USA seien nicht in der Lage, die Terrorgruppe zu zerschlagen, sagte Fasli. Diese Gruppe ließe sich nur durch den gemeinsamen Kampf der Nachbarstaaten bezwingen.

Indes warf der legendäre General Ghassem Soleimani, Oberkommandierender der für Auslandseinsätze zuständige Al Kuds-Brigade, den USA vor, die Einnahme von Ramadi durch den IS ermöglicht zu haben. Sie hätten "nicht einen verdammten Finger gerührt", um den Einmarsch der Terroristen zu stoppen, sagte der General laut der Agentur Tasnim. "Bedeutet das irgendetwas anderes als ein Komplize in diesem Stück zu sein?" An den amerikanischen Präsidenten gerichtet sagte Soleimani: "Herr Obama, ihr Stützpunkt ist nur wenige Kilometer von Ramadi entfernt. Wie ist es zu erklären, dass in einem Land, das Sie angeblich schützen wollen, Massentötungen stattfinden, während Sie zuschauen und nichts unternehmen. Was sollen wir davon halten?"

Soleimani, der bei der Rückeroberung von Tikrit eine wichtige Rolle gespielt haben soll, unterstellte den USA, die "Teilnahme an einer Verschwörung". Die USA seien nicht gewillt, gegen den IS vorzugehen, sagte er. Demgegenüber warfen die USA den Irakern einen Mangel an Kampfgeist und Einsatzwillen vor. "Die irakischen Truppen haben einfach keinen Willen zum Kampf gezeigt", sagte US-Verteidigungsminister Ashton Carter am 24. Mai in Washington. "Wir können sie ausbilden, wir können ihnen Ausrüstung geben, aber wir können ihnen keinen Willen zum Kampf geben." Dem widersprachen die irakischen Offiziellen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im irakischen Parlament sagte, die USA hätten den Irakern nicht ausreichend Waffen zur Verfügung gestellt und die Truppen nicht aus der Luft unterstützt. Nun wollten sie die Schuld für die Niederlage auf die irakischen Streitkräfte schieben.

Soleimani warf den USA auch vor, den IS finanziell zu unterstützen. Die Hauptfinanzquellen des IS seien die Ölquellen im Irak und in Syrien. "Das Öl wird aber nicht in Kanistern verkauft, sondern von Öltankern transportiert." Daran seien die USA direkt beteiligt.


DER KONFLIKT IN JEMEN

Die beiden Rivalen Saudi-Arabien und Iran schieben sich gegenseitig die Schuld für das Desaster in Jemen zu. Während Iran jede militärische Einmischung in Jemen bestreitet und sich angeblich nur auf logistische und humanitäre Hilfe beschränkt, versucht Saudi-Arabien zusammen mit anderen arabischen Staaten seit rund zwei Monaten mit militärischen Operationen seine politischen Ziele zu erreichen. Irans Revolutionsführer Ali Chamenei wirft den Saudis Völkermord vor. Auch Präsident Hassan Rohani übte scharfe Kritik an Saudi-Arabien. Ohne den Staat beim Namen zu nennen, sagte er am 9. Mai auf einer Veranstaltung des Roten Halbmonds, "das Nachbarland" habe "einen großen strategischen Fehler" begangen. Die Führung habe keine Ahnung von den politischen Problemen der Region und der Welt, sie sei neu im Amt und "möchte sich als Neuling präsentieren". Der Angriff auf Jemen sei "feige". "Ein Nachbarland bombardiert die arme Bevölkerung eines Entwicklungslandes mit Kampfflugzeugen, die es von Großmächten erhalten hat. Ein Land, das bisher mit Hilfe von Petrodollars verwaltet wurde, tauscht nun Dollars gegen Bomben aus und glaubt, mit den Bomben mächtiger erscheinen und seinen Einfluss in der Region verstärken zu können."

Am 12. Mai warnte General Masud Dschsajeri, Stellvertreter des Oberbefehlshabers der iranischen Streitkräfte, die USA und Saudi-Arabien in einem Interview mit dem arabischen Fernsehsender Al Alam, dass sie die mit Hilfsgütern beladenen Schiffe, die sich auf dem Weg nach Jemen befinden, unbehelligt durchlassen sollten. Ein Angriff auf die Schiffe würde "einen Brand entfachen", der nicht so leicht "gelöscht werden kann", sagte er. "Ich erkläre hiermit ohne Umschweife, dass die Geduld der Islamischen Republik ihre Grenzen hat." Die Frachtschiffe, die auf den jemenitischen Hafen Aden zusteuerten, wurden von iranischen Kriegsschiffen begleitet.

Die USA hatte Iran aufgefordert, die Hilfslieferungen statt nach Jemen nach Dschibuti zu bringen, von wo aus die Vereinten Nationen die humanitäre Hilfe für Jemen koordinierten. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, die iranischen Schiffe stünden unter Beobachtung. Er warnte Teheran vor "provokativen Handlungen".

Zwei Wochen zuvor hatten Saudi-Arabien und seine Verbündeten mit der Bombardierung des Flughafens von Sanaa zum zweiten Mal die Landung iranischer Flugzeuge, die nach iranischen Angaben Hilfsgüter an Bord hatten, verhindert. Damals hatte der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte, General Hassan Firuzabadi, gesagt, der Angriff saudischer Kriegsmaschinen auf ungeschützte Flugzeuge mit Hilfsgütern an Bord, verlange eine "gebührende" Antwort.

Am 13. Mai erklärte die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Marsieh Afkham: "Wir werden den gegen Jemen kriegsführenden Staaten nicht erlauben, iranische Frachtschiffe zu durchsuchen." Die "rachsüchtige Einkreisung" Jemens habe das Land an den "Abgrund einer großen Katastrophe" geführt.

Am 14. Mai gab Vizeaußenminister Hossein Amir Abdollahian bekannt, dass die erforderlichen Koordinierungsmaßnahmen mit den zuständigen Stellen der UNO getroffen worden seien, um iranische Hilfsgüter nach Jemen bringen zu können. Aus Protest gegen die iranische Unterstützung der Huthi-Rebellen zog die jemenitische Regierung noch am selben Tag ihren diplomatischen Geschäftsträger in Iran, Abdollah al-Sirri, aus Teheran ab. Die Begründung hierfür lautete: "Einmischung in unsere Angelegenheit und die Unterstützung für die Huthis". Die Führung der jemenitischen Regierung ist bereits vor geraumer Zeit nach Saudi-Arabien geflohen.

Am 20. Mai lenkte Iran in dem eskalierenden Konflikt um die Frachtschiffe ein. Die Nachrichtenagentur Fars meldete, die Schiffe seien in dschibutischen Gewässern und würden in wenigen Stunden anlegen. Auch Abdollahian erklärte, Iran kooperiere voll mit der UNO. Die Schiffe hätten nun Kurs auf Dschibuti genommen.

Am 23. Mai meldete der staatliche Rundfunk in Teheran, eine iranische Transportmaschine mit Hilfsgütern für Jemen sei durch saudische Kampfflugzeuge an der Landung in Dschibuti gehindert und zur Rückkehr gezwungen worden. Der Leiter des iranischen Halbmonds sagte jedoch in einem Interview mit der Agentur Fars, der eigentliche Grund für die Rückkehr der Maschine sei der Mangel an Aufnahmekapazität für die Hilfsgüter in Dschibuti gewesen. Im staatlichen Fernsehen wurde hingegen behauptet, Dschibuti habe auf Druck Saudi-Arabiens die Landeerlaubnis für die iranische Maschine verweigert. Zu dem Vorgang gibt es bislang keinen Kommentar aus Dschibuti.

Am 29. Mai berichtet die Agentur Fars, dass die iranische Maschine mit 20 Tonnen Hilfsgütern in Dschibuti gelandet sei.


IRAN UND DER KONFLIKT IN SYRIEN

Iran gehört zu den wenigen Ländern, die das Regime in Syrien weiterhin unterstützen. Ohne die Türkei und Saudi-Arabien beim Namen zu nennen, warf Irans Präsident Hassan Rohani den beiden Staaten vor, die Terrormiliz Islamischer Staat zu unterstützen. "Die Länder, die Terroristen als Mittel für ihre politischen Ziele in der Region einsetzen, begehen einen Fehler", sagte er am 13. Mai nach einem Treffen mit seinem irakischen Amtskollegen Fuad Massum in Teheran. Richtig wäre, wenn alle Staaten der Region gemeinsam gegen den IS vorgehen würden, denn er sei für alle Staaten eine Bedrohung. "Die Terroristen aus dem Irak zu vertreiben und sie dann in Syrien wieder zu vereinen, wäre eine erneute Gefahr für die ganze Region."

In einem Interview mit dem Spiegel vom 17. Mai bezeichnete Irans Außenminister Dschawad Sarif die Unterstützung Irans für Syrien als "existenziell wichtig". Wenn es diese Unterstützung nicht gegeben hätte, wäre der IS längst in Damaskus angekommen. Ziel Irans sei es, eine politische Lösung für die Krise in Syrien herbeizuführen und das Blutvergießen zu beenden. Sarif kritisierte jene, die dafür Bedingungen stellen. Offenbar meinte Sarif die Forderung auf einen Machtverzicht des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad, eine Forderung, die der Westen sowie die Türkei und Saudi-Arabien als Voraussetzung für Friedensverhandlungen benennen.

Sarif dementierte die Berichte über eine Zusammenarbeit mit den USA beim Kampf gegen den IS und sagte, Iran sei nicht überzeugt von der Bereitschaft der USA, ernsthaft gegen den IS zu kämpfen. Auch bei den Atomverhandlungen vermisse er bei den westlichen Gesprächspartnern "Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit". Das Ergebnis der Verhandlungen werde zeigen, wie weit sich die USA von der "Wahnidee, einen Regimewechsel in Iran herbeiführen zu können" entfernt hätten.

Über die Beziehung zu Saudi-Arabien sagte Sarif, Iran habe "einen Hagelsturm von Beleidigungen aus Saudi-Arabien empfangen", habe daraufhin aber eine "beachtliche Selbstbeherrschung" gezeigt, und auf eine Reaktion verzichtet.

Am 18. Mai lobte der außenpolitische Berater von Revolutionsführer Chamenei, Ali Akbar Welyati, bei einem Besuch im Libanon die Hisbollah für ihren Kampf gegen die Al-Nusra-Front in Syrien. Die Erfolge, die die Hisbollah gemeinsam mit den syrischen Streitkräften gegen die Extremisten und Terroristen erzielt habe, dienten der Stärkung der Widerstandsfront in der gesamten Region.

Nach Angaben einer britischen Regierungssprecherin haben sich Premierminister David Cameron und der russische Präsident Wladimir Putin in einem Telefongespräch auf die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu Syrien verständigt. Es liege im Interesse beider Staaten, zu einer Lösung im syrischen Bürgerkrieg zu kommen und den Vormarsch der IS-Terroristen zu stoppen.


IRAN KRITISIERT ERGEBNISLOSE ATOMWAFFENSPERRVERTRAG-KONFERENZ

Iran verurteilte die ablehnende Haltung der USA, Großbritanniens und Kanadas bei der UN-Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag, die vom 27 April bis 22. Mai in New York stattfand. Diese drei Staaten hätten ihre Zustimmung zu einem Abschlussdokument, das die Einrichtung einer atomfreien Zone im Nahen Osten vorsah, verweigert. US-Staatssekretärin Rose Gottemoeller bezeichnete den von Ägypten und seinen Verbündeten vorgelegten Antrag mit Blick auf den zu erwartenden Widerstand Israels als "unrealistisch". Israel war zum ersten Mal mit einem Beobachter an der Konferenz beteiligt. Obwohl es bekannt ist, dass das Land über Atomwaffen verfügt, hat es sich bisher geweigert, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen.

Man könne nicht den Frieden und die Sicherheit einer ganzen Region aufs Spiel setzen, um die Interessen eines Staates, der nicht einmal Mitglied des Atomwaffensperrvertrags sei, zu schützen, sagte der iranische Gesandte am 23. Mai in New York.

Die 191 Unterzeichner-Staaten des Abkommens treffen sich alle fünf Jahre zu Beratungen. Die Atommächte Israel, Indien und Pakistan gehören nicht zu den Mitgliedern des Vertrags. Ziel des Atomwaffensperrvertrags, der im März 1970 in Kraft trat, ist es, zu verhindern, dass weitere Länder in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen. Von dieser Reglung ausgenommen sind nur jene Länder, die bereits vor Januar 1967 im Besitz von Atomwaffen waren. Dies waren die USA, die Sowjetunion, Großbritannien, China und Frankreich. Diese Mächte verpflichteten sich im Gegenzug zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung ihrer Nuklearwaffen. Allen anderen Mitgliedern des Atomwaffensperrvertrags wurde das "unveräußerliche Recht" eingeräumt, die Atomenergie friedlich zu nutzen. Die Vertragsunterzeichner sind verpflichtet, "den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu erleichtern." Auch Iran hat den Vertrag 1968 bereits vor Inkrafttreten unterzeichnet.

Mit dem Scheitern des ägyptischen Antrags auf der diesjährigen UN-Konferenz wird die Debatte über die Errichtung einer atomfreien Zone im Nahen Osten jedoch noch nicht beendet sein. Spätestens bis März 2016 soll UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nun, unabhängig von der Haltung Israels und seiner Nachbarländer, eine Konferenz einberufen, auf der das Thema erneut behandelt werden soll.


BEWAFFNETE AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHEN KURDEN

Laut Angaben der Demokratischen Partei Kurdistan Iran (DPK-I) gab es bei einer bewaffneten Auseinandersetzung am 24. Mai mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK einen Toten und einen Verletzten. Die Kämpfe fanden in der irakischen Provinz Ghandil, an der Grenze zwischen Iran und Irak statt. Beide Organisationen haben ihren Stützpunkt im irakischen Kurdistan. Grund für die Auseinandersetzung war den Gerüchten zufolge die Absicht der DPK-I in den Bergen von Ghandil neue Stützpunkte zu errichten, was die PKK zu verhindern versuchte. Diese Gebiete stehen bislang unter der Kontrolle der PKK. In einer Erklärung der DPK-I heiß es, die Partei habe die PKK zu Gesprächen über die Konflikte eingeladen, doch die PKK habe ohne Ankündigung am Morgen des 24. Mai einen Angriff auf die iranischen Peschmerga gestartet.

Hassan Scharafi, Vizepräsident der DPK-I, sagte in einem Interview mit der BBC, die kurdischen Parteien und Gruppen sollten sich in allen Gebieten Kurdistans frei bewegen können. "Wir haben uns bemüht, die Konflikte durch Gespräche zu lösen." Er warf der PKK Zusammenarbeit mit den Herrschen in Teheran vor.

Die PKK verweigert anderer Gruppen die Durchführung von Aktivitäten in den Gebieten, die von ihr kontrolliert werden, obwohl diese Gebiete sich im Irak befinden. Selbst irakischen Kurden wird der Zugang nicht erlaubt.

Die DPK-I, die für die von Kurden bewohnten Gebieten in Iran Autonomie fordert, befand sich bereits kurz nach der Machtübernahme der Islamisten in Iran in bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung. In den 90er Jahren gab sie schließlich den bewaffneten Kampf auf. Seitdem versucht sie, ihre Forderungen politisch durchzusetzen.


AUFGEBRACHTER DÄNISCHER FRACHTER WIEDER FREIGEGEBEN

Einer Meldung der Agentur ISNA vom 7. Mai zufolge gab die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Marsieh Afkham bekannt, dass der Frachter "Maersk Tigris" nach Erledigung bestimmter Verpflichtungen die iranischen Gewässer verlassen habe. Bereits zuvor hatte die staatliche Agentur IRNA die Freigabe des Frachters bekannt gegeben.

Der Frachter, der am 28. April im Persischen Golf von der iranischen Marine aufgebracht und durch Warnschüsse zum Einlaufen in den Hafen von Bandar Abbas gezwungen worden war, war im Auftrag der dänischen Reederei A.P. Moller-Maersk unterwegs. Die Reederei hatte finanzielle Konflikte mit einer iranischen Reederei. Nach der Aufbringung forderte Maersk Iran auf, das Schiff und die Besatzung sofort freizugeben. "Die Aufbringung ist nicht gerechtfertigt" erklärte ein Vertreter des Konzerns nach einem Treffen mit dem dänischen Botschafter in Teheran und Vertretern der iranischen Schifffahrtsbehörde.

Den Angaben zufolge wurde Maersk von einem iranischen Gericht zu einer Geldstrafe in Höhe von dreieinhalb Millionen US-Dollar verurteilt. Der Streit geht auf das Jahr 2005 zurück. Damals hatte eine iranische Firma die dänische Reederei "Maersk Line" beauftragt, Container nach Dubai zu transportieren. Doch die Container wurden von niemandem abgeholt und mussten nach neunzig Tagen von den Behörden entsorgt werden. Die iranische Firma warf daraufhin Maersk die Nichteinhaltung des Vertrags vor und verlangt seitdem eine Entschädigung. Ob Maersk nun die geforderten dreieinhalb Millionen Dollar gezahlt hat, ist nicht bekannt.

Der Agentur AP vom 14. Mai zufolge hat es einen weiteren Vorfall im Persischen Golf gegeben. Die Agentur bezieht sich auf Angaben eines US-Beamten, der nicht genannt werden wollte. Demnach soll ein iranisches Schiff einen Frachter aus Singapur, die MT Alpine Eternity, beschossen haben nachdem er der Aufforderung, iranische Gewässer anzusteuern, nicht gefolgt sein soll. Der Frachter habe Kurs auf die Vereinigten Arabischen Emirate genommen, wobei die Iraner versucht hätten, ihn durch Maschinengewehrschüsse manövrierunfähig zu machen. Schließlich habe die Schutzwache der Emirate der Alpine Eternity Schutz gewährt und das iranische Schiff zur Rückkehr gezwungen. Verletzte habe es bei dem Zwischenfall keine gegeben.

Der US-Beamte erklärte, Grund des iranischen Angriffs seien Schadensersatzforderungen gegen die Alpine Eternity gewesen, die am 22. März eine iranische Ölplattform beschädigt habe.


ACHTZIGTAUSEND RAKETEN DER HISBOLLAH ABSCHUSSBEREIT

Der frühere Befehlshaber der Revolutionsgarden, General Yahya Rahim Safawi, der dem Revolutionsführer als Militärberater zur Seite steht, sagte am 21. Mai im staatlichen Fernsehen, "die Hisbollah in Libanon, die nah am Ohr der Zionisten sitzt, verfügt über mehr als achtzigtausend Raketen, die abschussbereit auf Ziele in Haifa und Tel Aviv gerichtet sind".

Safawi zitierte Revolutionsführer Chamenei mit den Worten: "Sollten die Zionisten sich dreist verhalten, werden wir Haifa und Tel Aviv dem Erdboden gleichmachen." Weiter sagte er, "das ist keine Parole. Iran ist mit der Unterstützung der Hisbollah und anderen befreundeter Organisationen in der Lage, Haifa und Tel Aviv dem Erdboden gleichzumachen, sollten die Zionisten es wagen, Iran militärisch anzugreifen".

Israel gehört zu den Gegnern einer Einigung im Atomstreit mit Iran. Vertreter des Landes haben die Möglichkeit eines militärischen Angriffs auf iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen.

Mit Blick auf die Atomverhandlungen sagte der General, er hoffe, dass die Sanktionen bald aufgehoben und die Amerikaner zu Zugeständnissen bereit sein werden. Es habe in der Zeit des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) auch Sanktionen gegeben, diese seien jedoch nicht so hart wie die in den letzten Jahren gewesen. Die USA und ihre Verbündeten hätten "verbrecherische Sanktionen verhängt und einen regelgerechten Wirtschaftskrieg gegen Iran geführt".


KEINE INFORMATIONEN ÜBER DIE VERHANDLUNGEN MIT DEN TALIBAN

Die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham erklärte am 20. Mai, ihr Ministerium habe keine Informationen über einen angeblichen Besuch von Vertretern der Taliban in Iran. Doch am selben Tag bestätigte Sabiollah Modschahed, ein Sprecher der Taliban auf Twitter den Besuch einer Delegation der Taliban zu Gesprächen in Iran. Dabei sei über die Lage in Afghanistan, in der Region und in den islamischen Ländern gesprochen worden. Auch die Probleme der afghanischen Flüchtlinge in Iran seien erörtert worden. Die Delegation habe bereits mehrere Länder besucht, darunter China, Japan und Frankreich.

"Ich habe keine Informationen über den Besuch einer Delegation der Taliban", sagte Afkham. "Wir müssen den Gerüchten nachgehen, um festzustellen, aus welcher Quelle die Nachricht stammt und wer für die Bekanntgabe verantwortlich ist."

Einen Tag zuvor hatte die Agentur Tasnim, die den Revolutionswächtern nahesteht, berichtet, eine Delegation der Taliban, bestehend aus Mitgliedern des Politbüros der Organisation in Katar habe kürzlich Iran besucht und mit Sicherheitsdiensten Gespräche geführt. Der Leiter des Politbüros in Katar, Tayyeb Agha, habe die Delegation geleitet. Derartige Besuche habe es bereits zweimal gegeben. Die Taliban hätten auch an der internationalen Konferenz über den Islam in Teheran teilgenommen.

Demgegenüber erklärte der Sprecher der Regierung, Mohammad Bagher Nobakht, er habe keine Informationen über den Besuch. "Die Nachricht macht keinen Sinn, ich jedenfalls kann sie nicht bestätigen", sagte er.

Die Beziehungen zwischen den Taliban und Teheran waren in der Zeit, in der die Taliban in Afghanistan herrschten, denkbar schlecht. Spätestens nachdem 1998 einige iranische Diplomaten im Norden Afghanistans getötet wurden, betrachtet Iran die Taliban als Feinde. Daher unterstützte Iran den Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen Afghanistan und war froh, dass damit die Herrschaft der Taliban im Nachbarland beendet wurde. Der Sturz der Taliban ermöglichte Iran, seinen Einfluss in Afghanistan auszuweiten.


NEUER KONFLIKT ZWISCHEN IRAN UND BAHRAIN

Die jüngsten Äußerungen des Revolutionsführers Ali Chamenei über die Völker Jemens, Bahrains und Palästinas haben die ohnehin nicht gerade freundliche Stimmung zwischen Teheran und Manama schwer belastet. Chamenei hatte am 16. Mai die Völker Jemens, Bahrains und Palästinas als Unterdrückte bezeichnet und gesagt: "Wir werden diesen Völkern mit aller Kraft Beistand leisten und deren Unterdrücker bekämpfen."

Unmittelbar danach wurde der iranische Botschafter in Manama, Mohammad Resa Babai, in das Außenministerium einbestellt. Das Ministerium protestierte gegen die Äußerungen Chameneis, die als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bahrains und als "Verstoß gegen internationale Gepflogenheiten und Regeln der Vereinten Nationen" bezeichnet wurden.

Einen Tag später wurde der Botschafter Bahrains in das Teheraner Außenministerium einbestellt. Teheran protestierte gegen die Stellungnahmen der Bahrainer Regierung und der Politiker und Medien des Landes.

Die Beziehungen zwischen Bahrain und Iran sind seit einigen Jahren schwankend. Vor vier Jahren trübten die Unruhen in Bahrain das Verhältnis der beiden Staaten stark. Iran solidarisierte sich mit dem Aufstand der Schiiten, der mithilfe Saudi-Arabiens niedergeschlagen wurde. In Bahrain bilden die Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung.


14 IRANISCHE SEEMÄNNER IN SOMALIA ENTFÜHRT

Einem Bericht des iranischen Fernsehens vom 13. Mai zufolge hat die islamistische Milizenorganisation Al-Shabaab vierzehn Besatzungsmitglieder eines iranischen Fischerbootes vor der Küste Somalias entführt. Das Schiff gehört einem iranischen Fischereiunternehmen, es hatte offenbar in den Gewässern vor dem Land am Horn von Afrika technische Probleme. Augenzeugen berichteten der BBC, die Seemänner seien in eine Stadt sechzig Kilometer von der Küste entfernt gebracht worden. Ein Sprecher der Schabaab-Milizen wollte dies nicht bestätigen.

Kapitän Asghar Mohammadpur, Leiter des Amtes für Sicherheit der Schifffahrt der Islamischen Republik, bestätigte die Entführung und sagte: "Das Schiff gehört dem iranischen Fischereiunternehmen." Es habe vor zwei, drei Tagen im Indischen Ozen vor der Küste Somalias technische Probleme gehabt.


UNO WARNT VOR STEIGENDEN HINRICHTUNGSZAHLEN IN IRAN

Sachverständige der UNO für Menschenrechte warnen vor einer Zunahme der Hinrichtung in Iran, insbesondere vor Hinrichtungen, die nicht bekannt gegeben werden. Ahmad Shahid, UN-Beauftragter für Menschenrechte in Iran, sowie Christof Heyns, UN-Berichterstatter für willkürliche Hinrichtungen, erklärten am 9. Mai, dass in zahlreichen Fällen die Hinrichtungen in Iran nicht offiziell bekannt gegeben und die Namen der Hingerichteten nicht veröffentlicht würden.

Shahid sagte, "die Hinrichtungen in Iran sind erbarmungslos und widersprechen den internationalen Menschenrechten". Einem Bericht der UNO zufolge wurden im laufenden Jahr 340 Menschen in Iran hingerichtet. Unter ihnen befanden sich mindestens sechs, die aus politischen Gründen zum Tode verurteilt worden waren. Sieben der Hingerichteten seien Frauen gewesen.

Nach China verzeichnet Iran weltweit die höchste Zahl an Hinrichtungen. Über die hohe Zahl haben sich internationale Menschenrechtsorganisationen immer wieder besorgt gezeigt. Nicht selten werden die Verurteilten in Iran öffentlich hingerichtet.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
14. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 6/2015 - Juni 2015 / 14. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2015

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