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GUTE-NACHT/2398: Besser so als anders (SB)


Nur noch zwei Tage, dann fährt Oma Ella wieder nach Hause. Nele ist traurig. Oma könnte doch wie Anna-Lenas Oma auch bei ihnen wohnen. Aber Mama und Papa finden, daß die Wohnung dafür zu klein ist. Sie hätten aber nichts dagegen, wenn Oma eine eigene Wohnung ganz in der Nähe fände.

"Aber ich habe doch noch zwei Wochen Ferien. Warum bleibst du nicht noch?" versucht Nele ihre Oma umzustimmen. Mit Oma ist es immer lustig und spannend. "Die letzten beiden Ferienwochen sind deine Eltern zuhause", entgegnet Oma nur. Dann sagt sie: "Ich mag ganz und gar nicht, wenn du traurig bist. Aber es zeigt mir doch, daß ich hier willkommen bin. Besser so als anders." Was Oma da am Schluß gesagt hat, versteht Nele nicht. Oma erzählt ihr dazu eine Geschichte.


*


Als ich klein war, hatten wir Besuch von der Pflegemutter meiner Mutter. Die beiden hatten sich lange Jahre nicht gesehen. Die Freude war groß. Oma Brinkmann nannten wir die neue Oma. Sie war freundlich und ging meiner Mutter mit uns fünf Kinder gern zur Hand. Das erleichterte meiner Mutter eine Menge. Sie hatte endlich auch Zeit für sich und konnte mit Oma Brinkmann zusammensitzen und über die alten Tage reden.

Ein Übel aber hatte dieser Besuch. Oma Brinkmann war nicht allein gekommen. Sie hatte ein kleines Mädchen mitgebracht. Es sah wunderschön aus, hatte lange schwarze Haare und ein schönes Lachen. Leider lachte sie nicht sehr oft. Sie war eher eine Art kleiner Teufel. Sie ärgerte uns andauernd, wollte alles haben, was wir hatten und wenn sie es nicht bekam, hockte sie sich hin, schrie wie am Spieß oder riß sich an ihren eigenen Haaren. Für uns war das völlig unverständlich und wir mochten die Kleine einfach nicht. Doch Oma Brinkmann war in Ordnung. Sie half auch uns Kindern. Mir zeigte sie, wie ein Nähnadelmäppchen genäht und durch Sticken schön verziert wird. Das brauchte ich für den Handarbeitsunterricht in der Schule.

Bei dem kleinen Mädchen änderte sich während der Zeit, die sie bei uns verbrachte, nichts. Je länger die beiden da waren, um so schlimmer wurden die bösartigen Attacken. Ich glaube, die Kleine konnte nicht damit umgehen, daß sie in diesen Tagen Oma Brinkmann mit uns zu teilen hatten. Einmal war die Kleine wiedermal ganz häßlich zu meinem kleinen Bruder. Da nahm ich ihn in den Arm und tröstete ihn. Ich sagte: "Weißt du, es dauert nur noch ein paar Tage, dann fahren die beiden wieder nach Hause. Dann bist du sie los." Ich hatte damit das kleine freche Mädchen gemeint. Als ich das zu meinem Bruder sagte, hatte Oma Brinkmann meine Worte im Nebenraum gehört. Sie war verärgert und enttäuscht. Sie meinte, wenn sie keiner haben wolle, könnten sie ja auch sofort abreisen. An diesem Tag ging aber kein Zug mehr. Doch am nächsten Morgen fuhren Oma Brinkmann und ihre neue Pfegetochter nach Hause. Da half es auch nichts, daß meine Mutter sich entschuldigte und meinte, sie würden ja alle mögen, nur das kleine Mädchen sei eben sehr anstrengend für uns Kinder.

Kein Reden half, Oma Brinkmann war enttäuscht. Besonders von mir, weil ich so mit meinem Bruder gesprochen hatte. Sie sagte, von mir hätte sie das nicht gedacht, sie habe mir geholfen und ich sei so ungerecht. Nunja, mir selber tat es leid, daß sie meine Worte so falsch aufgefaßt hatte. Ich hatte doch nur die Wahrheit gesagt.

10. August 2007

Gute Nacht