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GUTE-NACHT/2430: Von der Eins, die nicht allein sein wollte (SB)


Eins

Eine schwarze Eins ging einmal spazieren. Sie suchte eine andere Eins, um nicht mehr so einsam zu sein. In ihrer Straße schaute sie zuerst und fand eine rote Eins auf einem Schild vor Tante Emmas Laden. "Hallo Eins! Möchtest du nicht mit mir kommen, dann wären wir zusammen zwei!" sagte die schwarze Eins. Doch die rote Eins war sehr gewissenhaft bei ihrer Arbeit. "Ich bin der Preis und kann jetzt nicht von hier fort, sonst wissen die Menschen nicht, wieviel die Ware kostet. Aber wenn du später wieder vorbeikommst, dann kann ich dich begleiten."

Die schwarze Eins ging enttäuscht weiter und suchte nach einer anderen Eins, um sich mit ihr zu einer Zwei zu verbinden. Sie gelangte an eine Bushaltestelle. Dort wartete gerade ein Bus auf seine Fahrgäste. Oben auf dem Schild, das ankündigte, wohin die Fahrt bald gehen sollte, saß eine grüne Eins. "Möchtest du nicht mit mir kommen?" fragte die schwarze Eins. "Das würde ich schon gern", gab die grüne Eins zur Antwort, "aber ich kann meinen Platz hier nicht verlassen. Ich helfe der Buslinie und schaffe Ordnung, sodaß die Menschen wissen, wenn sie mich sehen, ob sie mit diesem Bus dahin gelangen, wohin sie möchten. Es gibt viele Buslinien und alle haben Zahlen zur Orientierung. Sie zeigen an, wohin die Fahrt geht. Möchtest du vielleicht ein Stückchen mitfahren?" Das ließ sich die schwarze Eins nicht zweimal sagen und wollte schon den Platz neben der grünen Eins einnehmen, als diese strikt ablehnte. "Wenn du dich hier neben mich setzt, dann bilden wir die Linie 11. Es werden die falschen Fahrgäste einsteigen. Aber setze du dich ruhig ganz nach hinten auf die Rückbank des Busses. Dort ist der beste Platz." Die schwarze Eins war damit einverstanden und setzte sich auf die Rückbank. Bald kamen viele Fahrgäste und besetzten alle Plätze im Bus.

"Heh, Eins! Kannst du nicht ein bißchen rücken?" sagte da eine leise Stimme, denn sie gehörte einer sehr kleinen Zahl. Zuerst sah die schwarze Eins nur Papier aus einer Einkaufstasche luken. Erst beim zweiten Hinblick, entdeckte sie, daß die andere Eins auf einer Tageszeitung saß. "Was machst du da auf dem Papier?" stellte nun die schwarze Eins der kleinen Eins eine Frage und ohne eine Antwort abzuwarten, folgte gleich noch eine zweite Frage nach, "möchtest du nicht mit mir kommen und mit mir zusammen zwei werden?" Die kleine Eins widersprach heftig, denn sie wollte ihren Platz auf der Zeitung nicht verlassen. "Ich bin sehr wichtig hier vorne auf der Titelseite. Ich gebe das Datum an. Wer mich anschaut weiß, welcher Tag in welchem Monat welchen Jahres er sich befindet. Ich kann meinen Platz unmöglich verlassen. Ich werde hier gebraucht, genau wie meine Schwester, die Ziffer auf einer Uhr ist. Während ich ja den ganzen Tag über von Bedeutung bin, gibt sie nur dann und wann die Minuten einer Stunde oder zweimal die genaue Stunde an."

Resigniert blickte die schwarze Eins aus dem Fenster. Häuser zogen an ihr vorbei und Bäume, andere Fahrzeuge kreuzten den Weg und ab und an hielt der Bus, um Menschen ein- und aussteigen zu lassen. Der schwarzen Eins wurde nach einer Weile klar, daß sie hier im Bus nicht ihr Glück finden würde und so stieg sie bei der nächsten Haltestelle aus. Sie winkte der grünen Eins zu, die noch immer oben an der Frontseite neben der Linie saß, und ging dann ihrer Wege. Bald wurde es dunkel und die schwarze Eins hockte sich abseits der breiten Straße unter einem kleinen Strauch zum Ausruhen nieder. Der Tag hatte sie viel Neues erleben lassen. Aber ihrem Ziel war sie dennoch kein Stück näher gerückt. "Mal sehen, was der morgige Tag bringen mag", dachte die schwarze Eins und gab nicht auf, sich nach einer weiteren Eins zu sehnen.

17. September 2007

Gute Nacht