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GUTE-NACHT/2558: Die Rettung von Nili Manela - Der Tausch (SB)


Der Tausch

Im Kaufhaus gab es an diesem neuen Tag keine Kuscheltierkissen mehr. Alle waren verkauft. Schmerzlich dachte die Verkäuferin aus der Spielzeugabteilung noch einmal darüber nach, warum sie sich nicht gleich eines der Tierkissen gesichert hatte. Doch es half nichts, die Tiere waren fort. Es gab nur eine einzige Chance für die Verkäuferin, auch noch ein solches Kuscheltierkissen zu erhalten, sollte einer der Kunden mit seinem Tier nicht zufrieden sein und es zurückbringen. Doch wer würde schon - einmal im Besitz der Schildkröte Schilda von Wittenwurz, der Eselin Emilia London, dem Nilpferd Nili Manela oder dem Pandabären Coco von Weißnichtwohin - sich wieder von diesen kuscheligen Wesen trennen?


*


Der Bruder, auf dessen Bett die Schildkröte lag, wurde von ihrem Blick völlig in den Bann gezogen. Er würde Schilda schon deswegen nicht fortgeben, weil sie ein Geschenk seiner kleinen Schwester war.

Auch die Eselin war ein Geschenk. Sie lebte anfangs im Nebenzimmer bei der Freundin des Bruders. Doch beide fanden schnell heraus, daß die beiden Wesen am liebsten beieinander waren. So durften sie mal in diesem und mal in jenem Zimmer zusammen sein.

Kaum zwei Tage waren vergangen, da brachte die Freundin noch ein drittes Kuschelkissen mit. Sie hatte es mit ihren beiden besten Freundinnen gekauft. Es sollte ein Geschenk für Nadja, die vierte Freundin im Bunde, werden. Nadja aber war für ein Jahr nach London gegangen. Dorthin sollte das neue Kuschelkissen geschickt werden.


*


Als die Tüte mit dem Geschenk für Übersee auf das Bett geworfen wurde, stöhnte der Inhalt auf. Was war das für eine unfreundliche Angelegen- heit, ein Nilpferd in einer Einkaufstüte gefangen zu halten und dann noch so durch die Luft zu schleudern.

Auch Schilda und Emilia waren entsetzt, als die Tüte knapp an ihren Köpfen vorbeisegelte. Entrüstet blickten sich beide an. Dann vernahmen sie das Stöhnen aus der Tüte und es kam ihnen seltsam bekannt vor. Neugierig näherten sie sich in einem von den Menschen unbeobachteten Augenblick und krochen vorsichtig auf die Tüte zu. In der Tüte raschelte es erneut. Da konnte nur etwas Lebendiges drinnen sein, daß nach außen drängte. Schilda und Emilia bewegten sich langsamer weiter. Ein erneutes Stöhnen ließ sie in der Bewegung innehalten.

Das Knistern der Tüte wurde heftiger, und da schob sich auch schon etwas wie ein Hinterleib bedächtig aus der Tüte heraus. Ob dies für Schilda und Emilia gefährlich werden konnte? Die beiden gingen gleich zwei Schritte rückwärts. Erneut ein lautes Stöhnen und jetzt auch ein Schimpfen: "Wo bin ich hier? Wer hat sich da einen solchen Scherz mit mir erlaubt?"

Schilda und Emilia atmeten auf. Anhand der Stimme erkannten sie nun in dem kräftigen Hinterteil ihren Verbündeten, das Nilpferd Nili Manela wieder. Freudig riefen sie seinen Namen. Verwundert drehte sich das Nilpferd zu ihnen um, und erkannte ebenfalls seine Freunde sogleich wieder. Was war das für ein freudiges Wiedersehen. Doch leider sollte diese Freude nicht lange andauern, wußten Schilda und Emilia doch, was mit Nili Manela geschehen sollte.

"Könnte ich in meine Heimat nach Afrika reisen, ich würde gern eine solche Reise antreten. Aber in die Großstadt Londen, will ich nicht", sagte Nili. "Es heißt nicht Londen sondern London", verbesserte Emilia sogleich und gab sich den Träumereien hin, sie selbst würde in einem Paket in die große Weltstadt gesandt. Schon immer wollte sie einmal im Leben nach London. Die drei Freunde überlegten, ob es eine Möglichkeit gäbe, Nili hier irgendwo zu verstecken. Doch da kam auch schon die Menschenfrau mit ihrem Paket und packte alles für Nadja ein, auch das Nilpferd. Traurig blickte Nili Manela aus dem noch offenen Karton.

Während die junge Frau drüben am Tisch saß und einen Brief für Nadja schrieb, überlegten die drei Kuscheltiere, wie Nili seinem Schicksal entgehen könnte. Leider hatten sie keine wirklich gute Idee. Deshalb versuchte Emilia ihrem Freund die Vorzüge der Großstadt näher zu bringen. Ärgerlich sagte Nili: "Du kannst ja an meiner Stelle fliegen." Das war das Stichwort. Warum war Emilia nicht schon selber darauf gekommen. Vielleicht weil es ihr hier bei Schilda so gut ging? Doch dann faßte sie einen Entschluß: "Komm Nili! Schnell, wir tauschen die Plätze." Gesagt, getan? Ein Nilpferd aus einem schon gepackten Karton wieder heraus zu bekommen und dafür eine Eselin hinein zu stecken, ist gar nicht so einfach. Schilda stupste und half, wo sie konnte. Zum Glück schrieb die Menschenfrau doch einen sehr langen Brief. Darum schafften die zwei Freunde wohl ihren Tausch. Eigentlich hätte ihre Paketpackerin den Wechsel bemerken müssen. Doch sie las schnell noch einmal die letzten Zeilen durch, als der Bruder schon drängelte: "Wolltest du das Paket nicht heute noch abschicken? Uns bleibt nicht mehr viel Zeit dazu."

Schnell wurde der Brief eingesteckt und dann der Karton zugeklebt. Für Schilda und Nili blieb keine Zeit mehr zur Verabschiedung von Emilia. Sie mußten sich sowieso verstecken, damit der Tausch nicht noch aufflog.

Emilia war ganz aufgeregt und überglücklich. Endlich würde sie nach London kommen. Dort würde es jemanden geben, der sie bestimmt sehr lieb haben würde. Aber das Beste war, daß Emilia nach einem Jahr wieder in die Heimat zu ihren zwei Freunden zurückkehren würde. Bestimmt würde Nadja irgendwann einmal zu Besuch im Hause von Schilda und Nili sein. Bis dahin würde Emilia London aus vollem Herzen genießen.

In der ganzen Aufregung hatte keiner an Coco von Weißnichtwohin gedacht. Wo steckte der Pandabär bloß?



19. Februar 2008

Gute Nacht