Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2859: Der Geist in Pantoffeln und ein Schleier auf der Treppe (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Was schleichst du denn hier herum?", Mutter ist dermaßen erschrocken, daß sie sich erst einmal hinsetzen muß. Beinah hätte sie das Tablett fallen lassen. Paddy freut sich, daß sie es endlich einmal geschafft hat, ihrer Mutter einen Schreck einzujagen. Doch irgendwie ist sie auch ein bißchen entsetzt, als sie sieht, wie ihrer Mutter eine kleine Träne aus dem Auge rinnt. Es ist sicher keine Freudenträne. Daß man sich so erschrecken kann, hätte Paddy nicht gedacht. Gleich schmiegt sie sich an ihre Mutter, denn sie tut ihr leid.

"Es gibt Leute, die haben sich schon zu Tode erschrocken, und manche, die haben vor Schreck graue Haare bekommen", berichtet Mutter. "Haben die vielleicht einen Geist gesehen?", möchte Paddy wissen. "Kann sein. Doch ich glaube, es waren andere Dinge, die sie erschreckt haben. Ganz wirkliche, traurige Dinge."

Paddy überlegt, was das wohl sein könnte. Mutter scheint nicht mehr darüber verraten zu wollen. Aus der Schublade im Küchenschrank holt sich Paddy einen Block und Buntstifte. Die liegen dort immer bereit, denn Paddy malt ausgesprochen gern. Zuerst zeichnet Paddy einen Geist mit gruseligem Gesicht. Ihm malt sie noch eine Kette zum Rasseln und ein Schwert.

Sie zeigt das Bild ihrer Mutter. "Der ist ja zum Fürchten." Paddy freut sich. Sie malt noch viele Geister, eine ganze Geisterschar. Ein Geist in Pantoffeln ist auch dabei. Mit ihrer Mutter zusammen hängt sie die Geister alle den Flur entlang auf.

Jetzt ist es Zeit zum Abendessen. Zusammen decken die beiden den Tisch. Dann geht Paddy die Großmutter holen. Plötzlich huscht etwas um die Ecke, die Treppe hinauf. Paddy kann gerade noch einen weißen Schleier erkennen. Was war das? Jetzt wird es dem kleinen Mädchen doch mulmig ums Herz. Außer Großmutter, Mutter und ihr selber ist niemand im Haus. Oder etwa doch? So ein altes Bauernhaus ist bestimmt fast so ein guter Ort für Geister wie ein Schloß.

Paddy kehrt zurück in die Küche. "Kommt Oma?", fragt Mutti. "Ich weiß nicht", antwortet Paddy kleinlaut. "Wieso weißt du es nicht?", hakt Mutter nach. "Ich war gar nicht oben", antwortet Paddy. "Wieso nicht? Du bist doch extra deshalb losgegangen, um Oma zu holen?" Paddy entgegnet: "Aber da war jemand mit einem Schleier auf der Treppe. Da habe ich mich nicht mehr hoch getraut." - "Da kann gar nichts sein", meint Mutter, "wir sind allein im Haus. Nun geh schon und hol Oma!" Doch Paddy weigert sich, die Treppe nach oben zu steigen. Auch mit ihrer Mutter will sie nicht hinauf. "Nun, dann rufe ich jetzt unsere Oma. Und nach dem Essen begeben wir uns auf die Suche nach diesem Hausgeist. Du wirst sehen, daß da gar nichts ist."

Während Mutter die Treppe nach oben steigt, ist sich Paddy sicher, daß sie nachher beim Suchen bestimmt keinen Geist aufspüren werden. Der wäre doch schön dumm, wenn er sich zeigt. So einen Geist kann man nur überlisten. Ein bißchen erwacht bei Paddy die Abenteuerlust. Aber da sie nicht weiß, ob der Geist so ein gruseliger wie der mit den Ketten oder so ein kleiner netter wie der Geist in Pantoffeln, die sie beide gemalt hat, sein wird, hält sich ihre Lust auf Geistersuche in Grenzen. Sie würde sich lieber gleich im Bett verstecken und wie eine Art Sicherheit nur noch den vertrauten Worten ihrer Mutter lauschen, die ihr vielleicht eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest.

16. Februar 2009

Gute Nacht