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GUTE-NACHT/2912: Der schönste Ort auf Erden (SB)


Gute Nacht Geschichten


Schriftsteller Egon erzählt die Geschichte von Oma Gerda weiter. Im Kreis von Bäumen hockt sie und traut sich nicht von diesem Hexentanzplatz herunter.


*


Unter dem Baum war eine mit Moos bewachsene Stelle. Darauf hockte ich und es war angenehm weich. Inzwischen hatte ich meine Jacke um mich geschlagen, die hier seit dem Nachmittag noch am Boden lag. Dennoch fror ich. Außerdem knurrte mein Magen. Eigentlich hatte ich zum Abendbrot zuhause sein wollen. Ich kramte in meinen Jackentaschen und fand noch einen klebrigen Bonbon. In der zweiten Tasche war ein Stückchen getrocknetes Brot. Das hatte ich meinem Häschen vorbeibringen wollen, bevor ich zum Spielen hierher kam. Aber da die anderen mich abholten, hatte ich Penelope ganz vergessen. Das stimmte mich zusätzlich traurig. Dennoch aß ich das Hasenbrot. Ganz langsam kaute ich darauf herum, daß es möglichst lange anhalten sollte. Solange ich beschäftigt war, hatte ich nicht ganz so viel Angst.

Es wurde immer dunkler. "Ich wünschte, der Mond stünde am Himmel", hörte ich mich sagen. Ich weiß nicht, ob ich eingenickt war. Doch als ich nun zum Himmel blickte, stand der Mond in seiner vollen Größe da. Wie konnte das sein? "So schnell kann doch der Mond nicht aufgehen?", überlegte ich und konnte es nicht verhindern, mich zu fragen, ob ich vielleicht selber den Mond herbeigehext hatte oder ob hier Hexen um mich waren, die mich zum Narren hielten, bevor sie mich gleich brieten und dann verspeisen würden. Auch solches wurde von diesem Platz berichtet.

Da nun auch noch Stimmen laut wurden, glaubte ich, meine zweite Überlegung träfe zu und ich duckte mich auf meinem Moosfleck noch tiefer gen Boden, um unsichtbar zu werden. Die Jacke zog ich mir über den Kopf, daß meine hellen Haare nicht im Mondlicht zu sehen sein würden. Lauter wurden die Stimmen. Vielleicht würde es noch einmal klappen, wenn ich mir jetzt etwas wünschte. Oder konnte ich gar drei Wünsche aussprechen?

Zuerst wünschte ich mir, daß mich keine Hexe erblicken mochte, selbst wenn sie genau neben mir stünde. Als dritten Wunsch sprach ich aus, daß ich jetzt am liebsten zuhause in meinem Bett wäre. In diesem Moment war das für mich der schönste Ort auf Erden.

Wie ich an diesen schönsten Ort endlich gelangte oder ob ich nie von dort fort gewesen war, ist mir noch immer ein Rätsel.

20. April 2009

Gute Nacht