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GUTE-NACHT/3143: Zu viel des Guten (SB)


Gute Nacht Geschichten

Im Keller der alten Bücherei bei den Kinderbüchern und Zeitungen lebt Benjamina, die Leseratte. Bücher liebt sie über alles. Doch auch für Spiele hat sie etwas übrig. Die vielen kleinen Klötzchen, die auf den unterschiedlichsten Spielgründen einher wandern sollen, faszinieren Benjamina. Vor der Zeit in der Bücherei sah Benjamina gern dem Schachspiel von Vater und Mutter Eckhardt zu.

Wenig interessiert an Spielen und Büchern - wenn er die Papierseiten nicht gerade frißt - ist der Bücherwurm. Er findet es neuerdings langweilig tagein, tagaus von einem Buch zum nächsten zu ziehen und sich bloß durch die Seiten zu fressen. Als er vor Tagen Benjamina, die ihm aus einem Buch vorlas, zuhörte, stellte er plötzlich fest, daß ihm dies die ganze Zeit über gefehlt hat. Daher reizt ihn die Bekanntschaft mit der Ratte sehr.


*


Benjamina springt von dem großen alten Schrank mit seinen Verzierungen herunter. Dort oben kann sie sich sehr gut verstecken. Eine verschnörkelte Leiste schirmt die Sicht auf den Schrank ab. Der Schreck von gestern hat die Leseratte wieder vorsichtiger werden lassen. Zwischen den Spielen auf den Auslagetischen wird sie bestimmt nicht wieder einschlafen. Dabei ist das ein so interessantes Versteck.

Mal wieder knurrt Benjamina der Magen. Es wird Zeit, etwas zu fressen zu finden. Seit drei Tagen hat Benjamina nichts Vernünftiges mehr gefuttert. Vielleicht sollte sie wirklich wieder oben im Erdgeschoß die Mülleimer durchforsten. Hier unten im Keller ist kaum noch ein Leckerbissen zu finden. "Vielleicht treffe ich dann auch den Bücherwurm", überlegt die Ratte, "wer weiß, was der inzwischen alles zerstört hat." In nur wenigen Sätzen ist Benjamina vor der Kellertreppe angelangt und diese hinauf geklettert.

Das geschieht so schnell, daß der Bücherwurm gar keine Zeit findet, sich bemerkbar zu machen und nach der Ratte zu rufen. "Hoffentlich erzählt sie jetzt da oben nicht wieder eine Geschichte und ich kann sie nicht hören."

Ein Bücherwurm wandert von einem Buch zum anderen und so immer weiter. Das geschieht, wenn die Bücher nebeneinander liegen. Um schnell eine Strecke zurück zu legen, beispielsweise nach oben in die Eingangshalle zu gelangen, ist ein Büchertransport nötig. Natürlich nützt das nur etwas, wenn der Bücherwurm auch in diesem Buch gerade drinsitzt. Ärgerlich kriecht der Bücherwurm in die Spielanleitung zurück und läßt sich besonders die Is schmecken. Durch die Os kriecht er hindurch. Das klappt, wenn er sich besonders schmal zieht.

Oben im Erdgeschoß freut sich Benjamina über einen riesig großen Apfel, der auf einem Teller auf dem Küchentisch liegt. Dieser Apfel ist so groß und dick, daß sie Mühe hat, ihn zu bewegen. Doch anknabbern und den Rest liegenlassen, hat sie nicht vor. Schließlich will sie keine Spuren hinterlassen. Niemand soll sich daran erinnern können, daß hier überhaupt einmal ein Apfel gelegen hat. Mit aller Macht und allen Tricks bringt Benjamina den Apfel ins Rollen. Er fällt von dem Tisch und kullert in Richtung Tür. Von hier bewegt sie den Apfel bis zur Treppe und gibt ihm dort einen Stoß, damit er die Treppe Stufe für Stufe hinunterkullert. Zwar bekommt der schöne Apfel ein paar braune Stellen. Aber das macht Benjamina nichts aus. Apfelmus mag sie auch sehr gern. Bald ist Benjamina wieder im Kellergeschoß angekommen.

Das Herunterkullern des Apfels geht nicht ohne Lärm vor sich. Das läßt den Bücherwurm hoffen. Er kriecht aus der Spielanleitung hervor und sucht mit den Augen nach der Ursache des Lärms. Zuerst erfreut, die Ratte hier unten wieder zu sehen. Doch gleich darauf enttäuscht, denn Benjamina rollt den großen Apfel unter den alten dunklen Schrank und versteckt ihn hinter einem der Holzfüße. Wie soll der Bücherwurm nur dahin gelangen? Niemand wird ein Buch unter den alten Schrank legen, es sei denn ein Fruß bricht ab und ein Ausgleich wird gesucht, damit der Schrank nicht kippt. Traurig will sich der Bücherwurm in die Spielanleitung, die schon voller fehlender Buchstaben ist, zurückziehen. Da entdeckt er ein kleines farbiges Heftchen. Hier hinein kriecht er jetzt. Es riecht ein bißchen nach Himbeeren.

Unter dem Schrank beginnt es zu schmatzen. Benjamina frißt sich richtig schön satt. Erst zu spät bemerkt sie, daß der leckere Schmaus eindeutig zuviel des Guten war. Sie kann sich kaum noch bewegen. Deshalb drückt sie sich in die hinterste Ecke unter den Schrank und hofft, morgen früh hier nicht entdeckt zu werden. Dabei braucht sie sich gar keine Sorgen zu machen, denn es ist Wochenende und die Bücherei bleibt an diesen zwei Tagen geschlossen.


19. Februar 2010

Gute Nacht