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GUTE-NACHT/3152: Edgar (SB)


Gute Nacht Geschichten

In einer Bücherei in der Kelleretage bei den Zeitschriften und Kinderbüchern sitzt ein junger Mann verblüfft an einem Tisch. Vor ihm auf der Tischplatte hockt die Leseratte Benjamina, während der Bücherwurm gleich daneben zwischen den Seiten eines dicken Buches steckt.

"Wie kann es nur angehen, daß ihr sprecht und du sogar lesen kannst?", möchte der Student wissen. Aber die Leseratte Benjamina und der Bücherwurm, der noch immer keinen Namen trägt, wissen es nicht. Es ist ihnen eigentlich auch einerlei. "Warum sind die Menschen immer nur so neugierig?", fragt die Ratte. Jetzt weiß der Student keine Antwort. Doch möchte er sich erst einmal bekannt machen: "Darf ich mich zu dieser mitternächtlichen Stunde vorstellen? Mein Name ist Edgar. Mein Vater wollte mich eigentlich Allen nennen. Aber Mutter hat sich bei der Namensgebung durchgesetzt. Ich gehe davon aus, daß auch ihr einen Namen habt?"

Die Leseratte nickt mit dem Kopf und gibt sogleich eine Antwort: "Ich bin Benjamina, die Leseratte. Der Bücherwurm hat noch keinen Namen. Wir sind aber dabei, einen für ihn zu finden." - "In welche Richtung soll die Suche denn gehen. Vielleicht kann ich behilflich sein?", möchte Edgar wissen.

Die Leseratte und der Bücherwurm schauen sich an. "Warum nicht", sagt Benjamina und der Bücherwurm nickt nur dazu. Hat er sich doch schon wieder den ganzen Mund voller Buchstaben gesteckt. Edgar stellt fest: "Um einen passenden Namen zu finden, ist es hilfreich einiges über die Person zu erfahren, die den Namen tragen soll."

"Hey, Bücherwurm, erzähl doch mal etwas von dir!", versucht Benjamina einen Anstoß zu geben. "Was gibt es da schon groß zu erzählen. Ich habe Bücher zum Fressem gern." - "Das sehe ich!", stellt Edgar fest und blickt den Buchstaben, die im Mund des Bücherwurms verschwinden hinterher. Dann erst wird ihm bewußt, daß das dicke Buch auf dem Tisch das seinige ist.

"Stop!", ruft er plötzlich, "so leid es mit tut, aber du kannst nicht meine Wörter auffuttern. Wie soll ich sonst lernen?" Jetzt protestiert der Bücherwurm: "Aber ich habe Hunger!" - "Na, da sollten wir, bevor wir weiter nach einem Namen fahnden, lieber nach einem Buch oder einem Heft suchen, in dem es nicht schade ist, wenn die Buchstaben fehlen. Ich glaube, ich habe da etwas für dich."

Edgar geht zu den Zeitungsständern hinüber. Er greift sich die Zeitschrift mit der meisten Werbung. Dann läßt der den Bücherwurm aus seinem Buch heraus- und in die Zeitschrift hineinkriechen.

"So für den Hunger ist gesorgt", stellt Edgar fest. Benjamina schaut etwas traurig zu dem schmatzenden Heft hin, in dem der Bücherwurm verschwunden ist. Auch ihr knurrt der Magen. Aber Bücher - davon kann sie sich nicht ernähren. Zum Glück ist Edgar sehr aufmerksam. Er holt aus seiner Tasche eine Brotbox hervor. Von seinem Käsebrot gibt er Benjamina gleich etwas ab.

"Morgen werde ich dem Herrn Bücherwurm etwas zu Fressen mitbringen, sonst haben die Bücher hier in den Regalen irgendwann keine Geschichten mehr darin! Dann wird uns sicher auch ein Name einfallen."

Von der Aufregung dieser Nacht ist Benjamina richtig müde. Edgar holt ihr ein Kissen und läßt sie auf dem Tisch neben seinen Büchern schlafen. Er verspricht, sie bevor er am Morgen geht, wieder unter dem schwarzen Schrank zu verstecken und auch den Bücherwurm mit der Zeitschrift dort abzulegen. So kann der kleine Wurm den ganzen Tag über nicht seinen Standort verändern und somit auch keinen Unfug anstellen. Edgar verspricht am nächsten Abend auf jeden Fall wieder zu kommen.


4. März 2010

Gute Nacht