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GUTE-NACHT/3301: Der einsame Pantoffel auf Tauchstation (SB)


Gute Nacht Geschichten vom einsamen Pantoffel


In der hintersten dunklen Ecke unter dem großen Bett liegt ein einsamer rechter Pantoffel und träumt von früheren Zeiten, in denen es auch einen linken gab, ...

... bis ein Geräusch den Pantoffel wieder in die Gegenwart zurückholt. Was war das? Etwas ist zu Boden gefallen und zersprungen. Ein recht großer Glassplitter hat es dabei sogar bis unter das Bett geschafft und landet genau vor dem roten Pantoffel.

Oma Erna schimpft. Sie geht aus dem Zimmer und kommt kurze Zeit später mit einem Besen wieder zurück. "Ausgerechnet die schöne Schneekugel von Opa", bedauert sie ihr Mißgeschick und liest zuerst die größten Scherben auf. Dann beginnt sie zu fegen. Auch Bello hat den Knall gehört und lungert neugierig an der Schlafzimmertür herum. "Nein Bello, du mußt draußen bleiben!" Oma geht noch einmal los und Bello folgt hinterdrein. Da Oma die Schlafzimmertür hat offen stehen lassen, hört der Pantoffel an ihren Schritten, wohin die beiden gehen. Oma und Bello sind nun in der Küche. Oma gibt Bello etwas zu fressen. Das erkennt der Pantoffel am Rascheln der Packung.

"Gut so", denkt der Pantoffel, "da hat dieser kleine Kläffer wenigstens keinen Hunger mehr auf unsereinen." Der Pantoffel betrachtet die Glasscherbe, die vor ihm gelandet ist. Was soll er mit ihr anfangen? Ob Oma vielleicht nach der Scherbe suchen wird? Der Pantoffel beschließt, die Scherbe für Oma Erna aufzubewahren und schiebt sie vorsichtig noch weiter nach hinten unter das Bett. Dann rückt er sich selbst wieder ein Stück nach vorne, um durch die offene Tür besser sehen zu können. Oma und Bello sind noch immer in der Küche. Irgendwie zieht ein wundersamer Geruch durch die Stube und dringt auch unter das Bett. "Diesen Geruch kenne ich doch?", denkt der Pantoffel. Er kramt in seinen Erinnerungen und dann fällt es ihm wieder ein. "Das kann nur ein Bratapfel sein! Hm, lecker!"

Wenn es draußen kalt und stürmisch war, hatten sich Oma und Opa vor den Kamin gesetzt und heiße Bratäpfel gegessen. Derweil steckten die roten Pantoffel an Opas Füßen oder lagen einfach so vor seinem Lieblingssessel. Gern würde der Pantoffel ein Stückchen näherrücken. Doch er traut sich nicht unter dem Bett hervor. Womöglich würde Bello ihn auch noch zerbeißen, zerkauen, zermalmen, zerfetzen. Nur bis zur Bettkante schiebt sich der Pantoffel vor, so daß er noch immer unter dem Schutz des Bettes steht. Von hier aus beobachtet er, was in der Küche los ist. Es klappert Geschirr und der Wasserhahn läuft. Das kleine Lämpchen am Herd leuchtet rot auf. "Was Oma wohl vor hat?", das interessiert den Pantoffel sehr.

Indess führt Oma in der Küche wieder Selbstgespräche. Sie möchte Kekse backen. Denn es ist ja bald Weihnachten. "Zuerst werde ich Butterplätzchen backen", entschließt sie sich. Dazu holt sie Butter, Zucker, Mehl und Eier aus dem Schrank. Alles wird schön zusammengeknetet und dann kalt gestellt.

"Nein Bello, du bekommst nichts von dem rohen Teig, höchstens Bauchschmerzen." Bello blickt Oma mit seinen treuen Hundeaugen an. Doch Oma läßt sich nicht erweichen. Vorsichtshalber schaut sie in ihr Backbuch, ob sie auch nichts vergessen hat.

"Der Teig braucht jetzt zwei Stunden Ruhezeit. Ich lege mich ein bißchen hin, aufs Bett." Mit diesen Worten zieht sich Oma ins Schlafzimmer zurück, um sich auch wirklich ein bißchen Ruhezeit zu gönnen."

Eilig rutscht der Pantoffel wieder nach ganz hinten in seine Ecke unter dem Bett. "Schnell, schnell!", sagt er sich, "bevor Bello kommt und mich entdeckt."



Vier Stunden später.

In der hintersten dunklen Ecke unter dem großen Bett liegt ein einsamer Pantoffel und beobachtet, was vor sich geht, ...

... während in der Küche wieder Betriebsamkeit herrscht. Oma Erna hat inzwischen den Teig ausgerollt und Plätzchen ausgestochen. Auch gebacken sind sie bereits. Oma braucht sie nur noch zu verzieren. Bello kauert zu ihren Füßen und hofft, daß ihr vielleicht so ein, zwei Kekse aus Versehen herunterfallen. Absichtlich würde Oma Erna Bello niemals Kekse geben. "Das ist doch nichts für einen Hund!", sagt sie bloß, wenn Bello nach Keksen und Süßigkeiten lechzt, "da hat dir dein früheres Frauchen aber eine richtige Unart angewöhnt. Das lasse ich nicht durchgehen." Nein, Oma Erna bleibt hart, Mops Bello bekommt keine Süßigkeiten, nur Hundeleckerlies und manchmal heruntergefallene Bratkartoffeln. Da trickst sich Oma Erna doch ab und an ein bißchen selber aus. "Oh, das ist ja ungeschickt von mir", sagt sie dann, um sich zu beruhigen und sich nicht eingestehen zu müssen, daß sie den kleinen Mops auch ein bißchen verzieht. Nur bei Süßem bleibt Oma Erna konsequent, schließlich kann sich Bello nicht die Zähne putzen und sie wieder von dem Zuckerzeug befreien.

Die Kekse verziert Oma Erna mit bunten Streuseln oder bunten Zuckerperlen und nach niederländischer Art mit Schokoladenbuchstaben. Dann legt sie alle fein säuberlich in eine metallene Keksdose. "So, das sind die ersten Kekse!", stellt Oma Erna fest und steckt sich einen davon probehalber in den Mund. Er schmeckt. Jetzt kann Oma Erna die Küche aufräumen. Als sie den Deckel der Keksdose schließt, gibt Bello ein kleines Stöhnen von sich. Hat er doch vergeblich die ganze Zeit zu Omas Füßen gehockt. Kein einziger Keks hat den Weg zum Boden und in sein Maul gefunden.

"Bello!", ermahnt Oma Erna den kleinen Freund. Sie dreht sich herum und stößt dabei die kleine Flasche mit den Liebesperlen um. Die winzigen Kugeln kullern sogleich aus der Flasche heraus und verteilen sich über den Tisch und auf dem Boden. Oma Erna kann gar nicht so schnell schauen, wie Bello nach den kleinen Zuckerkugeln schnappt. "Bello, nein, ab ins Körbchen!", schimpft sie. Bello verzieht sich, während Oma die Kügelchen aufsammelt ...

... Um einen besseren Ausblick zu haben, hat sich inzwischen der rote Pantoffel ein wenig nach vorne geschoben. Immer noch im Schutz des Bettes, hat er mitbekommen, was in der Küche geschehen ist. Was da aber vom Tisch fiel, konnte er nicht erkennen. Neugierig überlegt der Pantoffel, wie er es anstellen könnte, näher am Geschehen zu sein.

Vielleicht sollte er sich ein anderes Versteck suchen, einen Platz, von dem aus er alles gut beobachten kann, aber dennoch außerhalb von Bellos Reichweite bleibt. Was wäre da geeigneter als Opas Lieblingssessel. Der Sessel steht in der Stube und hat so wenig Spielraum darunter, daß Bello auf keinen Fall unten drunter paßt. Doch für den roten Pantoffel reicht es aus. Wann aber soll sich der Pantoffel dorthin schleichen? Am besten, wenn Oma und Bello schlafen. Geduldig wartet der Pantoffel in seiner Ecke bis am späten Abend das Licht gelöscht wird. Dann wartet er noch Bellos Schnarchton ab, bevor er vorsichtig unter dem Bett hervorkriecht. Langsam und geräuschlos schiebt er sich weiter. Bald ist er an der Schlafzimmertür angelangt. Hier nur gleich rechts um die Ecke biegen, schon ist der Pantoffel in der guten Stube. Aber auch die Küchentür steht offen und aus der Küche dringt ein Nachtlicht. Jetzt erinnert sich der Pantoffel an die umgeworfene Flasche und fragt sich, ob vielleicht von ihrem Inhalt noch etwas auf dem Boden zurück geblieben ist.

Vorsichtig schlurft er in die Küche. Gut, daß er aus Filz ist und deshalb auf dem Fliesenboden nicht klappert, sonst wäre womöglich Bello doch aufgewacht. Unter dem Tisch sucht der Pantoffel alles ab. Leider hat Oma hier gefegt. So findet der Pantoffel rein gar nichts. Wenn er doch nur wüßte, wonach er eigentlich sucht.

Ohne den geringsten Fund macht der Pantoffel nach einer Weile kehrt, um sich nun unter dem Sessel zu verstecken. Doch da! Voller Schreck entdeckt er auf der Türschwelle Bello. Wie hatte es der Mops geschafft, ohne einen Laut von sich zu geben, hierher zu gelangen? Regungslos bleibt der Pantoffel liegen. Bello dagegen streckt sich und begibt sich zu seinem Freßnapf. Nun steht er mit dem Hinterteil dem Pantoffel zugewandt. An Bello vorbeischleichen traut sich der Pantoffel nicht. Er versteckt sich lieber gleich hinter dem Mülleimer rechts in einer kleinen Schranknische.

Zwar muß sich der Pantoffel an dem Mülleimer vorbeidrücken, um noch dahinter zu passen, doch scheint ihm das ein sicheres Versteck in Bezug auf Bello. Hier verbringt er die ganze Nacht. Denn nachdem Bello seinen Freßnapf leergefuttert hat, streckt er sich lang auf dem kühlen Küchenfußboden aus. Vielleicht träumt er von den Heinzelmännchen, die ihm ein paar Kekse aus Omas Weihnachtsdose herunterwerfen.



27. November 2010

© 2010 by MA-Verlag - Pantoffel hinter dem Mülleimer