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GUTE-NACHT/3418: Der kleine Nachtwächter hilft beim Sängerfest (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Am heutigen Abend fällt dem kleinen Nachtwächter und Rebell, seinem Hund, eine besondere Aufgabe zu. Ein großes Sängerfest wird in der Stadt ausgetragen. Da sind alle großen und kleinen Leute auf dem Festplatz versammelt. Kaum jemand bleibt daheim. Deshalb ist es besonders wichtig, daß der kleine Nachtwächter seine Runden durch die Stadt dreht. Denn auch Diebe wissen die Gunst der Stunde zu nutzen. Aber nicht nur darauf paßt der kleine Nachtwächter auf. Er sieht ebenso beim Bauern nach, ob in den Ställen alles ruhig ist. Rebell treibt die Schafe auf der Weide zusammen und jagt die Lämmer, die durch den Zaun gekrochen sind, wieder auf die Weide zurück.

Von Weitem weht der Wind Fetzen der Gesänge vom Festplatz herüber. Chöre treten auf und gegeneinander an. Kindergruppen geben ihre Lieder zum Besten. Jeder will den Pokal für den besten Sänger oder die beste Gruppe gewinnen.

Auch den kleinen Nachtwächter hat das Fieber der Stunde erfaßt. Er singt, summt und pfeift mit den Gesangesfetzen um die Wette. Es ist ein Wunder, daß nicht auch noch Rebell mit Wolfsgeheul einstimmt.

Nach einer Weile strebt der kleine Nachtwächter dem Festplatz zu. Schließlich will er auch hier einmal nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Gerade singt ein Seemannschor Lieder von der Hudson Bay und von der Mary-Ann, und der kleine Nachtwächter wird vom Fernweh ergriffen. Er lehnt sich gegen einen Baum und blickt hinüber zum Zelt. Durch den offenen Eingang kann er bis zur Bühne hinüber schauen.

Die Weisen der Seemänner nehmen ihn gefangen. Fast hätte er vergessen, warum er hier ist. Doch da schreckt Gebell ihn auf. Sein Hund flitzt an ihm vorbei, geradewegs auf den Zelteingang zu. Der kleine Nachtwächter sieht ihn schon voller Schrecken auf der Bühne zwischen den Sängern herumtoben, und sein Kopf läuft vor Verlegenheit rot an.

Aber Rebell biegt kurz vor dem Eingang nach links ab und verfolgt anscheinend ein anderes Ziel. Der kleine Nachtwächter läuft hinterdrein. Um die Ecke gebogen, sieht er etwas unter der Zeltwand hervorkriechen, und eine dunkle Gestalt richtet sich auf. Sie scheint etwas in den Händen zu halten.

"Der Pokal!", schießt es dem kleinen Nachtwächter durch den Kopf und er beschleunigt seine Schritte. Aber da hat Rebell die Gestalt schon gestellt und bellt aus Leibeskräften. Die Gestalt versucht zu flüchten, aber Rebell läßt das nicht zu. Jetzt ist auch der kleine Nachtwächter herangenaht. Schnell zieht er seine Taschenlampe aus der Jackentasche und leuchtet zuerst den Gegenstand in der Hand des Fremmden an, dann ihm direkt ins Gesicht.

"Den Pokal wolltet ihr stehlen!", empört er sich, "warum das bloß? Verkaufen läßt er sich bestimmt nicht." - "Ich bin der beste Sänger auf der Welt. Darum gehört der Pokal mir!", sagt der Dieb. "Das muß sich erst beweisen!", entgegnet der kleine Nachtwächter, "deshalb gebe ich dir eine Chance. Du gibst mir den Pokal, kehrst zurück ins Zelt - diesmal durch den Zelteingang - und trittst gegen die anderen an. Nur so kannst du wissen, ob du wirklich so gut bist wie du annimmst."

Am liebsten würde der Fremde noch immer mit dem Pokal reißaus nehmen. Aber Rebell hält ihn davon ab. So reicht er unwillig den Pokal dem kleinen Nachtwächter und trollt sich ins Zelt. Auf halber Strecke dreht er sich noch einmal um und fragt: "Und du, wirst du mich auch bestimmt nicht verraten?" - "Wenn du dich der Jury stellst, dann ist es abgemacht!"

Für den Rest des Abends behält der kleine Nachtwächter den Pokal bei sich. Er sitzt unter einem Baum, singt und summt die Melodien, die aus dem Zelt dringen mit und fühlt sich selbst als Sieger. Sogar noch als er den Pokal am Ende des Festes dem Sieger weiterreicht, ist ihm als hätte er gewonnen.

Der wahre Sieger aber ist Rebell, er hat den Pokal gerettet.

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zum 2. Juli 2011