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GUTE-NACHT/3446: Knopf, Knöpfchen und Auge rollen in die Tiefe (SB)




K N O P F   &   K N Ö P F C H E N

rollen in die Tiefe


Die erste Nacht in Freiheit hatten Knopf, Knöpfchen und Auge nun hinter sich gebracht. Etwas steif wachte Knopf auf und sah Auge an der vorderen Ecke der Kiste ihres Nachtlagers ruhig sitzen. Auge schien eingeschlafen zu sein. Hatte er vielleicht die ganze Nacht verschlafen?

Knöpfchen war inzwischen ebenfalls aufgewacht. Er drehte gleich ein paar Kullerrunden in der frischen Morgenluft.

Auge erschrak plötzlich als der Luftzug von Knöpfchens Kullerrunden ihn streifte. Die Dunkelheit der Nacht war vollständig dem Licht des neuen Tages gewichen. Wann war er eingenickt? Hatte er lange geschlafen? Hatte er etwas geträumt?

Die drei Abenteurer setzten sich zusammen und bildeten so ein Dreieck. Sie beratschlagten die Unternehmungen des heutigen Tages. Ihnen kam wieder zu Bewußtsein, daß sie eine Brücke finden wollten, über die sie von diesem Ort zu Teddy gelangen konnten, der in einem ganz anderen Haus wohnte.

Plötzlich hörten sie Stimmen. Schnell versteckten sich die Drei in dem hintersten Winkel der nebeneinander stehenden beiden Kisten. Dort war es etwas dunkler. Sie würden wohl nicht entdeckt werden.

"Heute brauche ich aber unbedingt den Jeansknopf. So kann ich nicht mit meiner Jacke losziehen." Das war eine der Stimmen, die sie am gestrigen Morgen bereits vernommen hatten, als die Knopfkiste, in der sie gestern noch steckten, hochgehoben wurde.

"Nun laß mal, ich habe hier einen auf dem Regal liegen. Den nähe ich dir schnell an", meinte die zweite Stimme. "Knopf, Knopf, Knöpfchen!", flüsterte Auge aufgeregt und hätte sich sicher an den Kopf gefaßt, hätte er denn einen gehabt. "Das, das ist die Schwiegermutter - die Schwiegermutter der Mutter von Maria-Luisa."

Auge hatte sie heute gleich wiedererkannt. Gestern in der Knopfkiste hatte er keine Chance die Schwiegermutter überhaupt wahrzunehmen. Er lag ja unter all den anderen Knöpfen, nachdem die Knopfkiste geschüttelt worden war. Doch jetzt hörte er die Stimme ganz deutlich und sah die dazugehörige Gestalt. Ja, es war die Schwiegermutter. Sie war im Laufe der Zeit älter geworden und hatte mehr Falten als früher. Doch sonst sah sie aus wie damals.

"Das ist die Gelegenheit, auf die wir gehofft haben", begann Knopf, "das ist unsere Brücke. Wir haben den Brückenanfang gefunden und müssen ihn nur noch betreten." Knöpfchen verstand kein Wort. Er sah keine Brücke. Er sah nur eine alte Frau, die ein Kleid mit Reißverschluß und zwei Taschen rechts und links daneben trug. Übrigens fand Knöpfchen dieses Kleid sehr häßlich. Wo war denn bitte schön hier eine Brücke?

Auge aber hatte verstanden, was Knopf meinte. Über die Schwiegermutter mußte es möglich sein, zu erfahren, wo sich Maria-Luisa jetzt aufhielt. Wenn sie Glück hatten, saß der alte Teddy noch immer auf Maria-Luisas Bett. Doch das konnte auch anders sein. Schließlich waren schon ein paar Jährchen vergangen, und wer wußte schon, ob Maria-Luisa ihren Bär aufgehoben hatte.

"Wie soll uns aber die Schwiegermutter zu Maria-Luisa bringen?", grübelte Auge vor sich hin. Knopf schlug vor: "Immer langsam mit den jungen Knöpfen! Wir schleichen uns erst einmal an die Schwiegermutter ran!" Währenddessen hatte sich die alte Frau auf einen Stuhl gesetzt. Dabei hatten sich die Kleidertaschen nach vorn aufgebäumt. "Schaut mal!", flüsterte Knöpfchen, "wir können doch in die beiden Höhlen kullern. Dann nimmt sie uns überall mit hin!"

Das war eine glänzende Idee, fanden auch Auge und Knopf. Doch was war das? Jetzt stand die Schwiegermutter schon wieder auf. Hoffentlich ging sie nicht aus dem Zimmer. "Bleib bloß hier!", wünschte Auge inbrüstig. "Setz dich wieder hin!", bat Knopf.

Sie hatten Glück. Die Schwiegermutter hatte nur den Jeansknopf vergessen, vom Regal zu holen. Sie stand auf, nahm den Knopf vom besagten Regal und setzte sich wieder auf den Stuhl. Sie plazierte sich glücklicherweise wieder genau so, daß die Kleidertaschen sich wieder unter der Tischkante nach vorn ausbeulten und also offen standen.

"Glück gehabt", murmelte Auge. "Wie aber kommen wir in die Kitteltasche hinein?", überlegte Knopf, "wir werden keine Zeit haben uns abzuseilen. Wer weiß schon, wie lang sie hier sitzen bleibt." - "Ja, wir müssen schnell handeln!", das sah auch Auge so. "Wir kullern einfach in die offenen Höhlen hinein!", schlug schließlich Knöpfchen vor.

"Wir müssen aber auf alle Fälle zusammenbleiben", mahnte Knopf streng, "also in welche Tasche wollen wir losrollen?" Alle drei waren mit der linken Tasche einverstanden.

Vorsichtig rollte Knopf als erster an den Rand des Tisches. Schwiegermutter war so damit beschäftigt, sich nicht in die Finger zu stechen, daß sie Knopfs Ankunft nicht bemerkte. An der Tischkante angelangt, rollte Knopf gleich in die Kitteltasche hinein.

Als nächstes war Auge an der Reihe. Er rollte Knopf hinterher. Auch sein Anschleichen blieb ungesehen. Leider mißglückte sein Hinabplumpsen. Zwar landete auch er in der Kitteltasche, doch direkt auf Knopf obendrauf. Der konnte nicht mehr ausweichen. Knopf blieb benommen liegen. Das war wohl auch der Grund für das folgende Mißgeschick, das böse hätte enden können.

Knöpfchen bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Nicht etwa vor dem Sprung in die Tiefe. Knöpfchen turnte und kullerte leidenschaftlich gern. Doch er hatte Angst, Schwiegermutter würde jetzt sofort wieder aufstehen. Deshalb beschloß er, so schnell als möglich hinter Auge hinterher zu kullern. Dabei achtete er nicht auf seine Rollgeschwindigkeit und war viel zu schnell. Da Knopf und Auge mit sich selbst beschäftigt waren, warnte auch keiner Knöpfchen.

Knöpfchen rollte los! Vorsicht! Nicht zu schnell! Doch keiner stoppte Knöpfchen. Da geschah es! Knöpfchen flog über die Kitteltasche hinaus und landete ...

gerade den Jeansknopf annähte ...

... na, gute Nacht!

Knopf und Knöpfchen - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 6. August 2011