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GUTE-NACHT/3509: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil  4 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Am Abend herrschte große Freude im Schuhschrank. Gerade hatte es zur sechsten Stunde geschlagen, da geschah etwas Überraschendes. Alle Schuhe, auch die Sandalen und die Stiefel hatten sich in der vergangenen Nacht ganz große Sorgen gemacht. Denn als sich alle Schuhe zu einer Versammlung auf dem großen Teppich im Eingangsflur eingefunden hatten, fehlte plötzlich der kleine Turnschuh, der noch am Nachmittag so jämmerlich um seinen Bruder, den zweiten kleinen Turnschuh, geweint hatte.

Nun aber bog der Kleine gerade um die Ecke. Nein, er kam nicht alleine daherspaziert. Schließlich konnten auch die Kinderschuhe nicht einfach mal so ganz allein am frühen Abend spazieren gehen ohne an den Füßen eines Kindes zu stecken. Wie würden sich sonst die menschlichen Hausbewohner erschrecken. Sicher würden sie glatt ihr Haus verlassen und vor den vermeintlichen Geistern fliehen. Dann hätten die Schuhe keine Arbeit mehr. Das wollte keiner von ihnen.

Wie kam aber der kleine Turnschuh dann hierher? Es war kein Hausbewohner, der ihn ins Schuhregal zurückbrachte. Irgendwie waren die Hausbewohner nicht sehr aufräumfreudig. Das hatte sich auch der kleine Toni, dem die Turnschuhe gehörten, von den Großen abgeguckt.

Doch ihm blieb meist nichts anderes übrig als aufzuräumen. Denn er war der Kleinste im Haus und jeder, ob Vater, Mutter oder Schwester, ermahnte ihn stets seine Sachen wegzuräumen. Da hatte Toni sich was ganz Besonderes einfallen lassen. Er nahm sich Tessa vor, den Bernhardiner, und brachte ihm bei, Dinge dahin zurück zu bringen, wohin es Toni ihm auftrug.

Für Tessa war das ein spannendes Spiel. Denn der Bernhardiner liebte die Hundekekse, die er als Belohnung bekam. Ihm konnte dieses Spiel nie langweilig werden. Deshalb brachte er manchmal sogar verlorene Dinge an einen für sie zutreffenden Ort, ohne daß Toni ihn beauftragt hatte. Heute war es ebenso. Tessa hatte heute morgen den kleinen Turnschuh neben sich in seiner Ecke gefunden. Den Bernhardiner wunderte dies. Er wußte ja nicht, daß der kleine Turnschuh in der Nacht in die Hundeecke gelaufen war, in der Hoffnung, am nächsten Morgen durch den Haushund in den Garten zu gelangen. Diesen Gefallen bereitete Tessa ihm nicht. Der Schuh wurde nur kurz beschnüffelt und blieb dann in der Ecke liegen - den ganzen Tag. Vielleicht hob sich Tessa den Schuh für einen besonderen Leckerbissen von Toni auf.

Den ganzen Tag ließ sich aber Toni nicht bei Tessa blicken. Tessa war schon richtig traurig, daß es keine Hundekekse gab. Dann hörte er die Abendglocken läuten und wußte, daß jetzt Toni heimkam. Toni kam immer nach dem Läuten nach Hause. Tessa schnappte sich den kleinen Turnschuh und wartete an der Eingangstür auf sein Lieblingsherrchen. Der kam auch bald. Er kraulte Tessa hinter den Ohren und erblickte seinen Turnschuh in Tessas Maul. "Nein Tessa! Wir wollen nicht rausgehen, ich komme doch gerade rein!" Daß Tessa gar nicht raus wollte, sondern nur das Hundekuchenspiel spielen wollte, merkte Toni nicht. So versuchte Tessa es anders. Er brachte den kleinen Turnschuh zum Schuhregal hin und kehrte gleich zu Toni zurück, um sich einen Hundekeks abzuholen. Doch auch diesmal ging Tessa leer aus, denn Toni merkte einfach nicht, was Tessa von ihm wollte. Er war total geschafft vom Fußballspielen und warf sich einfach aufs Sofa. Tessa mußte an diesem Tag wohl auf den Hundekeks verzichten und war sauer.

Doch Tessa war nicht der einzige im Haus, der sauer war. Auch der kleine Turnschuh war sauer - sogar stinksauer. War er doch einfach nicht nach draußen in den Garten gelangt, um seinen Bruder zu suchen. Der kleine Turnschuh war so sauer, daß er sogar das Weinen vergaß. Er mußte sich einfach einen neuen Plan ausdenken, um seinen Bruder wiederzufinden.

Im Schuhschrank blieb das Fehlen der jammernden Geräuschkulisse nicht unbemerkt, alle Schuhe atmeten auf, auch wenn wieder nur einer der kleinen Turnschuhe heimgekehrt war. Doch das sollte nicht lange wären, denn schon überlegte sich der kleine Turnschuh erneut, wie er vorgehen konnte, um seinen Bruder zu finden. Doch darüber hatte er erst einmal eine Weile nachzusinnen.


Gute Nacht

zum 7. Januar 2012