Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3583: Der kleine Nachtwächter und sein Steinkreis (SB)

Der kleine Nachtwächter und sein Steinkreis

Gute Nacht - Geschichten vom kleinen Nachtwächter

Auf der niedrigen Mauer des Walls rund um die Burg schlummern zwei Gestalten in der Abendsonne Kopf an Kopf. Jetzt regt sich etwas. Der kleine Nachtwächter, der auf dem Rücken liegt, öffnet die Augen und starrt in den Himmel. Schnell hält er sich eine Hand schräg vor die Augen, um das noch immer grelle Licht abzuschirmen.

Die leisen Geräusche, die von dem kleinen Nachtwächter ausgehen, bewirken, daß sich auch Rebells Augen öffnen. Seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehend schleckt er das Gesicht des kleinen Nachtwächters ab. Der lacht, ändert aber sogleich seine Lage. Jetzt liegt er bäuchlings auf der Mauer. Sein Blick geht erneut zum Abendhimmel. "Das Rot im Himmel sieht ein bißchen wie Feuer aus", stellt er fest, "wie bei dem Feuerspucker, der letztens hier auf der Burg war."

Das große Mittelalterfest liegt erst drei Wochen zurück. Da stand die Burg in hellem Aufruhr. So viele Menschen hatte dieses alte Gemäuer schon lang nicht mehr gesehen. Es gab Gaukler und Musikanten, Schmiede zeigten ihre Kunst, auch ein Pfeifenmacher und ein Glasbläser boten ihre Waren feil. An jeder Ecke gab es Stände mit Eßbarem und Getränken.

In Erinnerung schwelgend läuft dem kleinen Nachtwächter das Wasser im Munde zusammen. "Weißt du was, Rebell, ich habe Hunger. Am liebsten hätte ich jetzt gern ein gegrilltes Würstchen oder ein Stockbrot." Rebell wufft zustimmend. "Mhm, ein Würstchen und Brot läßt sich auftreiben, aber wir haben keinen Grill", überlegt der kleine Nachtwächter laut. Er setzt sich aufrecht auf die Mauer und denkt einige wenige Augenblicke nach. Auch Rebell hat sich aus seiner liegenden Position aufgerichtet und balanciert auf der Mauer entlang, hin und her, so lange bis der kleine Nachtwächter aufspringt und zum Stall läuft. Rebell folgt ihm sogleich.

Im Stall findet der kleine Nachtwächter einen Rost, auf dem sicher schon jede Menge Würstchen gegrillt wurden. Einer der Verkäufer auf dem Mittelalterfest hatte den Rost wohl später vergessen. Doch der Rost allein nützt nicht viel. Der kleine Nachtwächter überlegt, wie die Kaufleute auf dem Fest ihre Grillstellen aufgebaut hatten. Einige hatten ihren Rost an drei gegeneinandergestellte und mit Nägeln verbundene dicke Stöcker aufgehängt. Darunter wurde das Feuer entfacht. Andere hatten eine Art fahrenden Backofen, den sie immer mitführten, benutzt.

Der kleine Nachtwächter schaut sich um. Sein Blick bleibt auf dem Steinhaufen in der Nähe hängen. "Damit bauen wir uns eine Feuerstelle", stellt er kurzerhand fest und beginnt schon einen geeigneten Platz auszumachen. Mit der Schubkarre holt der kleine Nachtwächter die Steine herbei, legt sie in einem Kreis aus und schichtet weitere geschickt darauf. Dann kann der Rost folgen.

"Jetzt brauchen wir Brennbares für das Feuer", stellt der kleine Nachtwächter fest. "Lauf! Such Stöckchen!", befiehlt er. Rebell läuft los und bringt den ersten Fund sogleich heran. Er wundert sich, daß der kleine Nachtwächter das Stöckchen nicht sofort wieder wegwirft. "Such noch ein Stöckchen, ein anderes", ist dagegen die Order. Auch der kleine Nachtwächter sucht kräftig mit. Auf der Schubkarre wird das gefundene Holz zusammengetragen und zum selbstgebauten Grill gefahren.

"Jetzt nur noch das Feuer entfachen und dann können wir grillen. Aber halt, uns fehlt ja noch das Wichtigste." Schnell holen die beiden Kumpane Essen aus der Burgküche. Sie bringen sich auch noch Streichhölzer und Papier mit, um das Feuer anzufachen. Auch einen Eimer Wasser stellt der kleine Nachtwächter bereit. "Für alle Fälle, falls mit dem Feuer mal was schiefgeht", erklärt er Rebell, der den Eimer für einen neuen Trinknapf hält. "Okay, einen Schluck Wasser, darfst du ruhig nehmen, auch einen großen. Aber am Ende des Grillens müssen wir mit dem Wasser die Glut löschen, damit sich nicht noch irgendwas ringsum entzündet und wir einen riesigen Brand verschulden. Das wollen wir doch nicht."

Es dauert seine Zeit bis das Feuer brennt und sich die Hölzer in "Grillkohle" verwandeln. "Nicht zu dicht an den Grill, Rebell!", mahnt der kleine Nachtwächter. Alsdenn vergehen die Flammen. Nur die Hitze der Glut bleibt und brät die Würstchen und das Brot auf dem Grill. Es dämmert. Urgemütlich ist es hier und es schmeckt den beiden. Noch lange sitzen sie in dieser Nacht an der warmen Glut, bis der kleine Nachtwächter den Rest mit dem Wasser aus dem Eimer erstickt.

Gute Nacht



zum 2. August 2012