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KALENDERGESCHICHTEN/052: 04-2015   Weggefährten - enttäuscht aber wachsam ... (SB)



Der Storch schimpft auf das Kamel, die Gans versucht ihn zu stoppen - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Was bisher geschah

Edith hatte das Kamel mit den Kühen bekannt gemacht, die es freundlich aufnahmen. Doro mischte sich unter die Rinder, leider ragten noch ihr Kopf und ihre Höcker über die Rücken der Kühe hinaus. Als der Trecker des Bauern zu hören war, duckte das Kamel seinen Kopf nach unten, aber der Bauer sah noch immer die Höcker und wunderte sich doch sehr. Im letzten Augenblick legte Doro sich auf die Wiese und als der Bauer wieder hinschaute, nahm er an, sich getäuscht zu haben. Gerade noch mal gut gegangen! Aber nun musste ein neues Versteck her ...


Gustl Storch hatte sein riesiges Nest auf dem Dach des Nachbargehöftes. Sofort nachdem der Bauer die Haustür hinter sich schloss, machten Mäuschen, Edith und Doro sich auf den Weg dorthin.

"Mann, das war ganz schön knapp, fast hätte Bauer Sepp dich entdeckt. Falls Gustl uns helfen will, sollten wir warten bis zur Dämmerung und dich erst dann in die Scheune bringen. Sicher ist sicher. Wenn alle Kühe gemolken worden sind, kehrt Ruhe ein auf dem Hof." Als Edith ihre Überlegungen kundtat, schritt sie wie eine Anführerin erhobenen Hauptes durch das Gras.

"Hoffentlich hat Gustl gut gegessen", muhte Mäuschen.

"Warum das?", wollte Edith wissen.

"Na, ja, wenn der hungrig ist, hat er meist eine üble Laune und vielleicht hat er dann auch gar keine Lust, uns zu helfen."

"Dann sollten wir ihm etwas mitbringen", schlug Doro vor, "was isst er denn am liebsten?"

"Oh, nein, ich will ihm nichts mitbringen! Er mag Frösche, Mäuse oder Blindschleichen. Nein, mich gruselt es schon daran zu denken, einen Frosch auch nur anzufassen", wehrte Edith den Vorschlag entschieden ab.

"Na, dann lassen wir das lieber, ich möchte auch ganz bestimmt nicht zusehen, wie er verspeist wird", schloss sich Mäuschen der Gans an.

"Ist Gustl Storch gefährlich, frisst er etwa auch Kamele?", fürchtete sich Doro doch ein bisschen.

"Nein, ich glaube nicht, aber, tja, wer weiß, hier leben keine Kamele, wie soll man 's wissen?", lachte Edith, als sie in Doros erschrockenes Gesicht blickte.

"Lass dich nicht ärgern, Doro. Edith macht einen Scherz, der Storch ist viel kleiner als du, er wird dir nichts tun", beruhigte Mäuschen sie.

Schon von Weitem hörten sie Gustl laut klappernd in einem Streit mit seiner Frau, die kräftig zurück klapperte. Plötzlich war es still und die drei Gefährten konnten Frau Storch hoch am Himmel eine kreisrunde Bahn über dem Storchenhorst fliegen sehen.

"Na, das ist kein guter Moment den Gustl um etwas zu bitten, scheint mir", besorgt schaute Mäuschen hinauf zum Storchennest. Drei kleine Schnäbel ragten über den Rand dem Storchenvater entgegen: "Hunger, Papa, wir haben Hunger! Hast du uns nichts mitgebracht?"

"Nein, verflucht, ich fliege und jage und fange und bringe euch alles Mögliche zu Essen, aber kaum dass es in euren Schlünden verschwunden ist, schreit ihr schon wieder, dass ihr am verhungern seid, verdammt! Haltet endlich mal den Schnabel!"

Einen Moment lang war es ganz still und die Schnäbel verschwunden. Gustl Storch drehte seinen Kindern den Rücken zu und zupfte ärgerlich hier und da am Nest herum. Plötzlich setzte das Geschrei von Neuem ein, aber diesmal: "Mama, Mama, wir haben Hunger, komm schnell, gibt mir zuerst." - "Nein, mir!" - "Nein, mir zuerst", forderte der Kleinste."

Frau Storch landete vor ihren Kindern und fütterte eines nach dem anderen. Gustl war noch immer wütend auf seine Frau und seine Kinder. Er breitete seine Flügel aus und flog davon. "Bring etwas zu Essen mit, Gustl", rief ihm Frau Storch streng hinterher.

Auf dem Hofplatz entdeckte er etwas, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Er flog noch eine Runde und etwas tiefer hinab, zählte vier Beine, einen Kopf, einen Hals, einen Schwanz, zwei Ohren, zwei Augen und zwei ??. Gustl konnte sich nicht erklären, was er da auf dem Rücken dieses Wesens sah. Er landete genau vor den drei Eindringlingen und erkannte Mäuschen, die kleine Kuh.

"Halt, stehenbleiben!", kommandierte Gustl Storch und riss dabei seinen großen, langen Schnabel bedrohlich weit auf. "Wer ist das? Oder was ist das, das du da mitgebracht hast?"

"Das ist Doro, sie kommt aus einem fernen Land in dem ganz viele Leute wie sie leben, also Kamele wie sie, verstehst du?", bemühte sich die kleine Kuh um eine möglichst genaue Erklärung.

"Guten Tag", grüßte Doro den Storch freundlich.

"Klapparapappalanurinix, was willst du hier? Warum gehst du nicht wieder dort hin, woher du gekommen bist? Was hast du hier verloren?", schnauzte Gustl das Kamel an.

Doro war ganz verdaddert. Was hatte sie dem Storch bloß getan. Sie kamen noch nicht einmal dazu, ihre Bitte um Hilfe vorzutragen. Was mochte ihn nur so verärgert haben?

Edith indessen wurde es zu bunt. Sie reckte ihren Hals vor, plusterte sich auf und breitete ihre Flügel aus: "Du unverschämter Kerl! Was haben wir dir angetan, dass du so griesgrämig bist? Das ist doch total blöd! Verdammt! Wir wollten dich um einen Gefallen bitten und du benimmst dich wie ein Ungeheuer. Was soll das?"

"Einen Gefallen? Mir tut auch nie jemand einen Gefallen. Ich fliege mir die Flügel schlapp und immer wird gemeckert. Nie ist es genug. Ich hab es satt!", brüllte Gustl viel lauter als nötig und flog davon.

"Ich glaube, wir müssen jemand anderen fragen. Gustl ist im Moment etwas daneben. Wer weiß, was er für einen Kummer hat", meinte Mäuschen. Doro war ganz traurig und konnte sich gar nicht erklären, warum der Storch so böse auf sie war.

"Komm, Doro, lass den Kopf nicht hängen. Gustl ist einfach mit sich selbst im Unreinen, das wird schon wieder", versuchte Edith sie zu trösten.

"Aber was machen wir denn nun? Es wird bald dunkel und ich weiß noch nicht einmal in welche Richtung ich laufen muss, um in meine Heimat zu gelangen", schluchzte Doro.



Kamel und Gans wollen die Nacht in der Scheune verbringen - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

"Also, heute wirst du sowieso nicht mehr losgehen. Ich habe eine Idee. Wir gehen zurück, bringen Doro in die Scheune ohne sie im Heu zu verstecken und halten Wache. Wenn sich jemand der Scheune nähert, müssen wir den Eindringling vertreiben ...", schlug Edith vor.

Und so machten sie sich auf den Rückweg einer unsicheren Nacht entgegen ...

Fortsetzung folgt ...

zum 1. April 2015


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