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KALENDERGESCHICHTEN/074: 02-2017 - Der kleine Dschinn - ein erster Fehlschlag ... (SB)



Auf der vorderen gelben Blüte hockt die Hummelkönigin, hinter ihr der kleine Dschinn, auch auf gelber Blume und auch als Hummmelkönigin - Buntstiftzeichnung © 2017 by Schattenblick

Der kleine Dschinn und die seltsame Königin

Der kleine Dschinn hockte vor dem verschlossenen Eingang zum Reich der Dschinn, dicht hinter dem Grabstein am Fuße der alten Eiche. Es schneite dicke Flocken, aber sie berührten ihn nicht, da er sich in einen unsichtbaren Dschinnhauch zurückverwandelt hatte. Nur so hätte er zurückkehren können, wenn, ja wenn man ihn gelassen hätte. Er fühlte sich erbärmlich. Wollte er nicht zu einem gefrorenen Nebelhauch erstarren, so musste er flugs eine andere Gestalt annehmen. Weit und breit war aber kein Tier zu sehen, nach dessen Vorbild er sich hätte verwandeln können. Es war einfach schrecklich. Alles hatte sich gegen ihn verschworen. Doch dann erblickte er eine zarte gelbe Blume und wollte gerade erfreut so werden wie sie, als plötzlich ein haariges, gestreiftes Insekt auf ihr landete. Es sah ganz danach aus, als würde es aus dieser Pflanze trinken oder gar von ihr essen? Der kleine Dschinn wusste es nicht, aber sofort verwandelte er sich in dieses Tier.

Der kleine Dschinn flog nun zu ihm auf die benachbarte Blüte, beobachtete es und machte ihm einfach alles nach. Mmmmh, er saugte süßen Nektar auf und wurde schon bald richtig satt davon. Als die Hummelkönigin, denn um eine solche handelte es sich bei diesem Tier, ihn entdeckte, zischte sie ihn an: "Was willst du hier? Es kann nur eine geben, nur eine - und das hier ist mein Gebiet, suche dir einen anderen Ort!"

Erschrocken und ziemlich verdaddert schaute der kleine Dschinn sie an: "Sehr erfreut, deine Bekanntschaft zu machen! Warum muss ich fort, ich verstehe das nicht?" Die Hummelkönigin mäßigte sich in ihrem Ton und antwortete etwas freundlicher: "Nun, ich bin davon ausgegangen, dass du als Königin genau Bescheid weißt. Also, es ist ganz einfach: eine Königin in einem Königreich. Alles klar? Und da ich zuerst hier war, gehört dieses Reich mir. Und jetzt halte mich bitte nicht länger auf. Ich muss mir eine schöne Erdhöhle aussuchen und darin ein Nest bauen, du verstehst schon, ein neues Volk gründen ..." Mit diesen Worten flog sie davon. Der kleine Dschinn verstand nichts von alledem, aber immerhin wusste er nun, dass er eine Hummelkönigin war. Traurig ließ er sich auf einem Blatt unter der gelben Blüte nieder. Dort fühlte er sich gut versteckt und sicher. Es dauerte nicht lange und er fiel in einen tiefen Schlaf.


Die uralten Dschinn hatten den Kleinen nicht aus den Augen gelassen und wussten um sein erbärmliches Dasein. Sie wollten natürlich nicht, dass er verloren geht, aber viel konnten selbst sie nicht für ihn tun. Nach langen Beratungen beschlossen sie, ihm einen Traum zu schicken und genauso geschah es.


Als die ersten Sonnenstrahlen den Schnee noch heller strahlen ließen und ihm seinen Hummelpelz wärmten, erwachte der kleine Dschinn. Er hob seine Flügel und schlug sie ein paar mal auf und ab. Dann begann er sich zu putzen. Anschließend krabbelte er wieder auf die gelbe Blüte und trank eine große Menge des süßen Nektars. Zwar war er nun satt und das war schon mal gut, aber was sollte er jetzt nur anfangen? Da erinnerte er sich an seinen merkwürdigen Traum. Beinahe hätte er ihn vergessen. Angestrengt dachte er nach und kramte die Traumstückchen zusammen. Da war diese hohl und dunkel klingende Stimme, die ihm zuraunte, dass er nur dann wieder zurückkehren kann, wenn er, in welcher Gestalt auch immer, jemanden trifft, der ihn von ganzem Herzen lieb hat - und zwar auch dann noch, wenn er ihm offenbart, dass er eigentlich ein Dschinn ist. Erleichtert seufzte er auf. "Das dürfte wohl nicht allzu schwer sein. Ich warte hier einfach auf die Hummelkönigin und frage sie, ob sie mich lieb hat."

Er hatte Glück. Nicht viel später summte die Königin fröhlich um die Blüten herum, bis sie dann den kleinen Hummelkönigin-Dschinn erblickte. "Hab ich dir nicht gestern geraten, dir ein eigenes Reich zu suchen?", brummte sie ihn an. "Doch, doch, das hast du. Aber ich kann das nicht. Ich verstehe nichts davon. Jetzt habe ich mich gefragt, ob du mir vielleicht helfen könntest? Ich meine, wie wäre es, wenn wir gemeinsam ein Reich gründen? Das ist doch nicht verboten, oder?" Erstaunlicherweise antwortete die Hummelkönigin nicht. Sie sah sehr nachdenklich aus. Der kleine Dschinn wollte sie nicht stören und wartete geduldig. "Hmmm, ja, also, ich muss gestehen, das ist ziemlich neu für mich. Aber, nein, verboten ist es wohl nicht."

"Na, prima, dann ist es abgemacht - wir sind beide Königinnen eines Reiches!", freute er sich. "Hey, nun mal langsam. Wie stellst du dir das denn vor?", stoppte sie ihn. "Nun, du zeigst mir wie ich ein Nest baue und sagst mir, was ich sonst noch alles tun muss. Am Besten ist es, wenn ich meine Unterkunft direkt neben deiner einrichte, dann können wir uns besser unterhalten", schlug der kleine Dschinn vor und war begeistert.

Die Hummelkönigin zögerte noch einen Moment, denn nie zuvor hatte sie von so einer Unternehmung im Hummelreich gehört. Letztlich siegte aber ihre Neugier und sie willigte in das Vorhaben ein. Munter machten sie sich ans Werk. Der Hummelkönigin gefiel es sogar immer besser, die Lehrerin zu sein. Als sie so buddelten und räumten, fasste der kleine Dschinn einen Entschluss. Wenn ihre Nester fertig waren, wollte er sie fragen, ob sie ihn lieb habe. Doch es kam alles ganz anders, denn seine neue Lehrmeisterin war nun doch ziemlich erstaunt darüber, dass sie ihm wirklich alles beibringen musste.

"Sag mal, du hast überhaupt keine Ahnung? Du weißt echt nicht, was eine Hummelkönigin für Aufgaben hat? Ich kann 's nicht glauben. Woher kommst du? Irgendwie bist du mir ein bisschen unheimlich - eine Hummelkönigin, die rein gar nichts weiß!" Sie schüttelte den Kopf. Der kleine Dschinn fühlte sich überrumpelt, was sollte er ihr nur antworten? Schließlich fasste er sich ein Herz: "Oh, ich komme von überhaupt nicht weit her, eigentlich wohne ich direkt hier ganz in der Nähe. Aber bevor ich dir das weiter erkläre, möchte ich etwas von dir wissen." - "Nur zu! Ich bin gespannt." - "Hast du mich lieb?", platzte er mit seiner Frage heraus.

"Also, wirklich. Was denkst du dir eigentlich. Wir kennen uns doch noch gar nicht, wie soll ich da wissen, ob ich dich mag? Und warum sollte ich dich gern haben? Ich bin eine Königin und lieber allein, habe genug mit meinen Aufgaben und Pflichten zu tun. Du kannst froh sein, dass ich dich überhaupt in meiner Nähe dulde und dir obendrein auch noch helfe, in dem ich dich alles lehre, was eine Hummelkönigin wissen sollte!", ereiferte sie sich.

Der kleine Dschinn war enttäuscht, aber er musste einsehen, dass er nicht gerade sehr klug vorgegangen war. Doch nun wollte er sich ihr auch nicht als Dschinn zu erkennen geben. Das war jetzt nicht mehr wichtig. Schließlich sagte er etwas kleinlaut: "Sei nicht böse mit mir. Wie gesagt, ich kenne mich wirklich mit überhaupt nichts aus. Hab' aber Dank für deine Hilfe."

Sie sah ihn an und schüttelte abermals verständnislos ihren Kopf, schlug ihre Flügel auf und nieder, hob sich in die Luft und rief ihm von oben her zu: "Ist schon gut, aber ich werde aus dir nicht schlau. Ich flieg' erst mal 'ne Runde und außerdem habe ich noch eine Menge zu erledigen." Dann flog sie davon.

Der kleine Dschinn setzte sich auf eine weiße Blüte und ließ seinen Blick schweifen, in der Hoffnung auf irgendein Lebewesen zu treffen, in das er sich verwandeln könnte, um sein Glück von Neuem zu versuchen.

Weitere Abenteuer des kleinen Dschinn folgen ...


zum 1. Februar 2017


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