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KALENDERGESCHICHTEN/101: 05-2019   Der kleine Elefant - eine böse Überraschung ... (SB)


Roland und Nico plantschen im Wasserloch, im Hintergrund schleicht der riesige Löwe - Buntstiftzeichnung © 2019 by Schattenblick

Roland, der kleine Elefant, wurde von den Affen zu einer Elefantenherde gebracht, wo er die Bekanntschaft mit Mama Maja, der Anführerin und ihrem kleine Baby Nico machte, das ebenso groß war, wie Roland. Mama Maja erzählte er, woher er kam, doch auf die Frage, warum er so klein sei, wusste er keine Antwort, Mama Maja aber schon. Sie erklärte nämlich den anderen Elefanten, dass Roland aus einem Steinland käme, wo es nicht genug zu essen gibt und Elefanten ohne Essen nicht groß werden können. Das genügte als Erklärung und so nahmen sie ihn freundlich in ihre Mitte.

"Hey Ronny, kommst du mit mir zum Wasser?", ungeduldig zappelte Nico, der Baby-Elefant, vor Roland hin und her. "Komm, plantschen, das ist toll!" Roland, der kleine Elefant, der von den großen Elefanten freundschaftlich Ronny genannt wurde, war verunsichert und schaute hilfesuchend zu Mama Maja hinüber, die ihn gleich ermunterte: "Geh nur, Ronny, du bist doch bestimmt schon ziemlich alt und erfahren, du kannst doch auf das Baby aufpassen, oder?"

"Oh ja, ich bin sehr alt, glaube ich, doch habe ich noch nie zuvor auf einen Baby-Elefanten Acht gegeben."

"Nun, so schwer ist das nun auch wieder nicht, nun geh schon und habt Spaß! Wir sind hier ganz in der Nähe, es wird schon nichts passieren."

Nico platzte schon vor Ungeduld. Endlich stratzten die beiden in Richtung Wasserstelle. Das Elefanten-Baby rannte los, blieb aber am Ufer stehen, drehte sich zu Roland um und wartete bis auch er das Wasser erreicht hatte. Sofort tauchte es seinen Rüssel in das frische Nass, sog etwas Wasser hinein und führte ihn zu seinem Mund, was ihm allerdings noch nicht so recht gelingen wollte und so platschte viel Wasser auf die Erde. Roland schmunzelte, er konnte sich noch gut daran erinnern, wie oft er geflucht hatte, weil sein Rüssel nicht das getan hatte, was er wollte. "Tja, Nico, trinken will gelernt sein!", lachte er. Nico fühlte sich verspottet, zog abermals einen kräftigen Schluck Wasser auf, drehte sich um und spritzte Roland mitten auf den Kopf. Das ließ der kleine Elefant sich nicht gefallen und rief: "Na warte, du kleiner Teufel!" Also tauchte auch er seinen Rüssel ins Wasser und im nächsten Moment regnete es über dem Elefanten-Baby. Immer hastiger sogen sie Wasser auf und spritzten sich gegenseitig nass. Bald tobten und tollten sie herum, tapsten sogar in die Wasserstelle hinein, wenn auch nur ganz nah am Ufer und waren bald patschnass.

"Uff, genug, aufhören", japste Roland, "ich bin ganz aus der Puste, lass uns eine Pause machen und endlich mal was trinken, ich bin am Verdursten!"

Plötzlich stieß Nico einen markerschütternden Schrei aus, der so voller Angst war, dass Roland sich total erschreckte. "Was ist los?", rief er dem Elefanten-Baby zu, doch er bekam keine Antwort. Nico schrie erneut und noch lauter. Hastig suchte Roland die Umgebung ab, um zu erkennen, wovor Nico sich so gefürchtet hat und dann erblickte er es - und blieb wie gelähmt stehen. Fassungslos starrte er auf den Löwen, der aber nicht so aussah, wie jene in seiner Heimat. Nein, bei diesem Löwen handelte es sich um einen Riesenlöwen, um einen Monsterlöwen.

Langsam näherte sich die gewaltige Raubkatze, setzte zunächst lauernd eine Pranke vor die andere, beschleunigte dann aber und es sah ganz danach aus, als wolle sie sprinten und dann auf ihre Beute, das Elefanten-Baby, springen, um ihm die Kehle durchzubeißen.

Der kleine Elefant war verzweifelt, er hatte keine Ahnung, was er unternehmen sollte, um Nico zu retten. Alles ging so unglaublich schnell - und dann bebte die Erde unter seinen Füßen und er fürchtete schon, ein großer Spalt würde sich unter ihm auftun. Doch das geschah nicht. Die vielen Elefantenfüße stampften im Trab auf die Wasserstelle und auf den Löwen zu. Ein Tosen begleitete die anstürmende Elefantenherde - der Löwe verharrte in seiner Bewegung, fauchte wütend und sperrte seinen riesigen Rachen auf, sodass seine spitzen Reißzähne wie weiße scharfe Dolche deutlich zu sehen waren. Davon wenig beeindruckt setzten die Elefanten ihren Angriff fort. Der Löwe wäre wohl vor Zorn geplatzt, doch sah er ein, dass er diesmal der Unterlegene war und auf sein Mittagessen verzichten musste. Er fauchte noch einmal, drehte sich um und mit erhobenem Löwenmähnenhaupt verließ er die Wasserstelle.

Die Elefantenherde stoppte ihren Lauf und augenblicklich stand Mama Maja vor Nico, betastete ihn mit ihrem Rüssel. Nico verkroch sich ohne ein Wort zu sagen unter ihren Bauch, dort fühlte er sich am sichersten. Roland, der kleine Elefant, ließ sich auf sein Hinterteil fallen und blieb einfach sitzen. Er war total durcheinander. Ein Elefantenbulle näherte sich ihm und meinte: "Na, das war wohl ein bisschen viel für dich?!"

"Das kann man wohl sagen. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so gefürchtet. Mir scheint, ich passe nicht in dieses Land, das ist viel zu gefährlich. Überall lauern Gefahren und ich weiß noch nicht einmal, dass es welche sind. Ich bin so ahnungslos und unwissend. Ohne euch oder ohne die Affen wäre ich schon lange gefressen worden, da bin ich ganz sicher", seufzte Roland.

"Ja, gefährlich ist es hier schon, aber deswegen ist es auch so wichtig, dass wir aufeinander achten und wenn Gefahr droht, sofort alle gemeinsam gegen den Angreifer vorgehen. Allein solltest du besser keinen Schritt im Dschungel wagen."

"Oh, ich bin sicher, dass ich das nicht vergessen werde", versprach Roland wohl am meisten sich selbst.

Fortsetzung folgt ...


zum 1. Mai 2019


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