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TIERGESCHICHTEN/009: Eichhorntopf ... (SB)



Hoch in den Wipfeln der Buchen, Tannen, Eichen und Birken suchte sich ein Eichhörnchen seinen Weg in sein gemütliches Zuhause. Unterwegs rastete es mal in dem einen oder anderen Kobel, die es als Versteck oder Ausruhgelegenheit zu nutzen pflegte, und prüfte sie auf Schäden, die durch den letzten heftigen Sturm entstanden sein könnten. Nachdem alles begutachtet und da wo notwendig rasch repariert worden war, erreichte es schließlich seinen Wohn-Kobel, in dem das Eichhörnchen es sich recht bequem machen wollte. Da hörte es ein leises Knurren. Nun, kein Grund zur Sorge, sein Magen meldete sich und verlangte nach etwas Essbarem.

"Herrjeminee", seufzte das Eichhörnchen, "nun muss ich doch noch mal den langen Baumstamm hinunter und mir eine Nuss aus meinen Vorräten suchen gehen. "Hey, hättest du das nicht früher sagen können?", schimpfte es mit seinem Bauch. Sodann kletterte es den Stamm hinunter, sprang das letzte Stück, landete gekonnt auf dem Boden und erstarrte. Auf einem niedrigen Ast hockte eine Eule! Eichhörnchen zitterte beim Anblick ihrer riesigen, bösen und gierigen Augen.

Nur einen winzigen Moment später drehte es sich um, bereit zur Flucht wieder hinauf auf den Baum. Aber um Himmels willen, was war das? Eine Katze, eine ziemlich große Katze war mit einem Satz direkt vor ihm und versperrte seinen Fluchtweg. Beim Anblick dieser Monsterkatze flog die Eule davon. "Gut", dachte Eichhörnchen, "ein Feind weniger, aber was nun? Wohin so schnell?" Das Eichhörnchen zögerte keinen Moment länger und raste durch den Garten, erreichte eben noch einen hohen Strauch, dessen Zweige an der Hauswand hochragten. Die Zweige waren dünn, aber stark genug, um Eichhörnchen zu tragen. Es sah sich um. Da hockte die große, dicke Katze und machte ein säuerliches Gesicht. "Ha, ha, ha", lachte Eichhörnchen, froh den Verfolger losgeworden zu sein. Doch wie sollte es nun weitergehen? Da, ein dunkles Loch, eine Höhle vielleicht? Eichhörnchen überlegte nicht lange, sprang hinein und landete auf einem, ja was war das? Eine glatte Fläche aus Holz. "Man ist das ein breiter Ast", staunte Eichhörnchen.

Als seine Augen sich an das schummrige Licht im Haus gewöhnt hatten, untersuchte es die Umgebung, es saß auf einem Küchentisch. Hier roch es einfach fantastisch nach essbaren Dingen. Lagen dort etwa tatsächlich Walnüsse? Eichhörnchen tastete sich behutsam nach vorn, immer dem Duft nach und plötzlich wurde es taghell. Fast wäre es vor Schreck gestorben. Eine große lachende Frau betrat den Raum, vor ihrem runden Bauch trug sie eine Schüssel, die sie nun auf den Tisch stellte. Gerade noch rechtzeitig konnte sich Eichhörnchen hinter dem Milchkrug verstecken. "Oh weh, was für ein Unglück, wo soll ich nur hin. Wenn die Frau mich erblickt, was dann?", jammerte es ganz still in sich hinein.


Das Eichhörnchen hockt bange hinter einem großen Milchkrug - Grafik: © 2021 by Schattenblick

Grafik: © 2021 by Schattenblick


"Hör auf zu flennen, du dummes Eichhörnchen!", wisperte unwirsch eine Maus, von der nur die Ohren wirklich zu sehen waren. Sie lag gut getarnt unter einer leeren Mehltüte. "Spring hinunter, schnell unter den Tisch!", zischte die Maus. Eichhörnchen sprang und landete direkt im Mülleimer, was ein lautes Rascheln und Geknister auslöste. "Nanu, was war denn das?", rief die Frau erschrocken, stürzte sich sogleich auf besagten Eimer und starrte ungläubig auf das braune Etwas. Sie sah nur einen Haufen buschiger Haare. Eichhörnchen hatte versucht sich unter seinem dichten Eichhörnchenschwanz zu verbergen.

Bevor die Frau nach dem Fell greifen konnte, um es näher in Augenschein zu nehmen, stieß sie plötzlich einen entsetzlichen Schrei aus: "Ih, pfui, eine Maus in meiner Küche!" Sie kümmerte sich nicht mehr um den Mülleimer, sondern schlug mit einem Küchenhandtuch nach der Maus, die über ihre Schuhe geflitzt war und nun in Richtung Küchentür rannte, die Frau mit viel Schimpf und eiligen Schritten hinterher. Eichhörnchen nutze die Gelegenheit und sprang mit einem gekonnten Satz aus dem Eimer. Doch hier unten auf dem gekachelten Boden fühlte es sich auch nicht sicher und hielt Ausschau nach einem Fluchtweg.

In einer Ecke entdeckte es etwas Rundes. Es wirkte dunkel und hatte an jeder Seite einen Henkel. Wieder vermutete Eichhörnchen eine Höhle dahinter, doch viel Zeit, sich zu vergewissern,blieb ihm nicht, denn die Frau kam sehr verärgert zurück. Ohne weiter zu zögern, versteckte sich Eichhörnchen jetzt in der vermeintlichen Höhle. Wenige Augenblicke später wurde die "Höhle" aufgehoben, mit einem Deckel verschlossen und auf den Herd gestellt.

"So etwas aber auch, eine Maus, ich fasse es nicht, wo ich doch so reinlich bin. Ich sollte flugs den Kater hereinholen, damit er sich um das Problem kümmern kann. Aber es ist schon spät, will ich meinen Nusskuchen noch fertig backen und einen leckeren Eintopf zubereiten, da muss ich mich sputen". Eilig hantierte die Frau mit den Küchengerätschaften, rührte und knetete Teig, gab viele Nüsse hinzu, belegte das Backblech und schob es in den Ofen. "So, das wäre geschafft! Nun noch der Eintopf."

Die Frau wusch Wurzeln, Porree, Sellerie und noch einige andere Gemüse, dann griff sie nach dem Krug mit Wasser, ging zum Herd, hob den Deckel vom Topf, legte ihn beiseite und wollte just das Wasser hineingießen. Als sich im Topf etwas bewegte, ließ sie plötzlich den Krug fallen. In tausend Scherben zerbrochen lag er auf dem Boden in einer riesigen Wasserlache. Doch die Frau bewegte sich blitzgeschwind, kümmerte sich nicht um den zerbrochenen Krug, sondern griff beherzt in den Topf hinein und erfasste Eichhörnchens buschigen Schwanz.

"Das ist mein Ende", dachte Eichhörnchen, "so hauche ich nun mein Leben aus." Einmal schluchzte es noch und krümmte sich gottergeben zusammen. Die Frau zog das kleine ängstliche Tier aus dem Topf und lachte laut: "Na so etwas, ich habe doch gar keinen Eichhörnchen-Eintopf geplant!" Als die gutherzige Frau das Zittern fühlte, das durch Eichhörnchens Körper bebte, nahm sie es auf den Arm und steichelte es sanft. Langsam beruhigte sich Eichhörnchen und die Frau setzte es auf den Küchentisch, auf dem sich die restlichen Nüsse befanden. Die Frau richtete sich auf und ließ das verängstigte Tier in Ruhe.

"Ich glaub`, ich ... ich glaube es kaum, darf ich die Nüsse wirklich fressen? Ich probier es einfach", dachte Eichhörnchen, griff sich eine Nuss und knabberte eifrig, verputzte noch drei weitere und bemerkte nicht, dass es dabei von der Frau beobachtet wurde. Als Eichhörnchen richtig satt war, blickte es in zwei aufmerksame Menschenaugen und hörte wie die Frau zu ihm sprach: "So du armes Tierchen, hast dich verlaufen, hast dich hier in meinem Kochtopf versteckt, na, na, kein gutes Versteck, kann ich dir sagen. Ich bring' dich jetzt wieder nach draußen."

Eichhörnchen ließ sich diesmal ohne Arg auf den Arm nehmen und hinaus tragen. Draußen steuerte die Frau direkt auf Eichhörnchens Baum zu, setzte es unten am Stamm ins Gras und wünschte dem kleinen Tier viel Glück: "Pass auf dich auf, Eichhörnchen, und spring nie wieder in Kochtöpfe!"


17. März 2021