Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → LESEN UND LERNEN


ELTERN/288: Isabell Harder - Finja forscht!, Das geheimnisvolle Pulver (SB)


Isabell Harder (Text), Lea Fröhlich (Illustration)


"Finja forscht!"

Das geheimnisvolle Pulver


Cover: © 2019 by Carl Schünemann Verlag - Isabell Harder, 'Finja forscht! Das geheimnisvolle Pulver', ISBN 978-3-7961-1047-4

Cover: © 2019 by Carl Schünemann Verlag - Isabell Harder, "Finja forscht! Das geheimnisvolle Pulver", ISBN 978-3-7961-1047-4

Wissenschaft Kindern nahebringen und schwierige Sachverhalte einfach erklären - eine hervorragende Idee und ein erfreulicher Versuch, dieses Vorhaben umzusetzen, findet sich in dem vorliegenden Buch "Finja forscht - Das geheimnisvolle Pulver" - ob es gelungen ist?

Sehr ansprechend ist die wunderbar erzählte Rahmengeschichte. Die Protagonistin Finja und ihr Freund Malik, beide in der fünften Klasse, finden an ihrem ersten Ferientag im Park eine merkwürdige schwarze Box mit der Aufschrift "Achtung zerbrechlich - Wissenschaftliche Materialproben", in der sich drei kleine, durchsichtige Röhrchen mit weiß-grauem Inhalt befinden. Sie möchten die Box dem Besitzer zurückbringen und machen sich auf den Weg in die nahegelegene Universität. Mit der freundlichen Unterstützung der dort arbeitenden Wissenschaftler gelingt es ihnen schließlich, den Mitarbeiter ausfindig zu machen, dem diese Proben gehören und der sie bereits schmerzlich vermißte.

Zunächst mutet es eher wie eine Detektivgeschichte an, die erst eine andere Richtung nimmt, als den Kindern auf der Suche nach dem Eigentümer der schwarzen Box nahegelegt wird, das Pulver in den Röhrchen zu untersuchen, um so einen Hinweis auf seine Herkunft zu erlangen.
Doch der Weg dahin ist nicht so einfach und genau das ist die Gelegenheit für die beiden Kinder, die einzelnen Untersuchungsschritte zur Analyse des weiß-grauen Pulvers zu beobachten. An der Bremer Universität im Bereich der Materialforschung lernen sie einiges über das wissenschaftliche Arbeiten und über die technischen Geräte, die für die speziellen Untersuchungen eingesetzt werden.

Erfrischend zugewandt verhalten sich die dort arbeitenden Wissenschaftler den Kindern gegenüber, die sich wiederum nicht scheuen ihre Fragen zu stellen und nachzuhaken, wenn sie etwas nicht wirklich verstanden haben. Doch letztendlich handelt es sich hier um die Beschreibung eines Rundganges durch den universitären wissenschaftlichen Betrieb. Die Kinder fragen nach Funktionsweisen von Geräten, nach der Beschaffenheit von Materialien oder nach den Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns. Sie beobachten, fragen nach, hören den Erläuterungen der Wissenschaftler zu und merken sich, was für sie an neuen Informationen hinzugekommen ist - das bedeutet für die beiden Kinder forschen.
So gestaltet sich dieses Lernen viel interessanter und anschaulicher als in der Schule.

Dabei sind nicht alle Erklärungsversuche der Wissenschaftler glücklich gewählt. Um den beiden Kindern beispielsweise die Funktion eines Rasterelektronenmikroskops zu veranschaulichen, heißt es:

Stellt euch vor, ihr steht in einem dunklen Raum. Ihr möchtet herausfinden, woraus die Wand besteht. Ihr könnt sie nicht anfassen und als Hilfsmittel habt ihr nur einen Gummiball zur Verfügung. Dadurch, dass ihr ihn immer wieder gegen die Wand werft und versucht, jeden Punkt einmal zu treffen, könnt ihr viel herausfinden. Wenn der Ball schwer und gerade zu euch zurückkommt, ist es ein anderes Material und eine andere Oberfläche, als wenn er langsam und schief von der Wand abprallt.
(S. 23)

Man könnte doch annehmen, daß vielen Kindern hier nicht verständlich ist, wie man in einem dunklen Raum den geworfenen Ball wieder auffangen soll, geschweige denn beobachten kann, wie sich seine Flugbahn gestaltet.

Allerdings lassen sich wissenschaftliche Erklärungen kaum anders als mit einer groben bildlichen Darstellung vermitteln, die möglicherweise an der einen oder anderen Stelle etwas hinkt. Die Autorin nutzt starke Bilder, um den jungen Lesern zu einem abstrakten Vorstellungsvermögen zu verhelfen, in dem die Erfahrungen aus der Alltagswelt ausgeschlossen werden müssen, um zu verstehen.

An anderer Stelle fragt einer der Protagonisten den Wissenschaftler mit dem Namen Lutz Mädler, wie sie denn herausgefunden haben, daß die Nanoteilchen so klein sind. Die beiden Kinder erhalten darauf folgende Erläuterung:

Wir haben ihr Gewicht verglichen mit der Größe der Oberfläche, die sich ergeben würde, wann man alle Partikel fein säuberlich nebeneinanderlegt. Je kleiner etwas ist, desto mehr Oberfläche hat es im Verhältnis zu seiner Masse.
(S. 33)

Abgesehen davon, daß man nur Partikel fein säuberlich nebeneinanderlegen kann, wenn man schon weiß, wie groß sie sind, findet diese Erklärung auch bei den beiden Kindern Finja und Malik kein wirkliches Verständnis. Nur gut, daß die Autorin ein anderes Beispiel zur Veranschaulichung anbietet:

Wenn man einen Würfel in der Hälfte durchschneidet und dann beide Hälften wiederum halbiert und dann immer so weitermacht - dann kann man irgendwann alle Oberflächen der Würfelteile zusammenrechnen und merkt: Das Gewicht von allem ist zwar gleich geblieben, aber die Oberfläche ist gigantisch geworden.
(S.33)

Dazu wird eine Grafik geliefert, die diesen Teilungsvorgang sehr gut darstellt. Deutlich wird dabei jedoch auch, daß man alle aktiven Teilungsschritte mitzählen kann und an einem festgelegten Ende des Teilungsprozesses eine genaue Angabe über die erhaltenen kleinen Teilchen erzielen kann. Die Frage: "Und wie haben Sie herausbekommen, dass sie (die Nanoteilchen, Anm. SB-Redakt.) so klein sind?" bleibt damit ungenau beantwortet, denn die Kinder fragten nicht nach der Größe der Oberfläche, sondern nach der Größe der Teilchen. Aber vielleicht sollen Kinder auch an diesem Beispiel lernen, die gegebenen Veranschaulichungen zu übernehmen und sich in abstrakten Vorstellungswelten zurechtzufinden?

Erfreulich ist auch der Schluß des Besuchs der beiden Protagonisten in der Universität. Sie finden den Wissenschaftler, der sich sehr über seine wiedergefundenen Proben freut. Bereitwillig erklärt er den beiden seine Forschungsarbeit. Hier wird es interessant und an dieser Stelle könnte eine weitere Forschungsreise beginnen, denn sehr zum Erstaunen der beiden Wissensdurstigen beschäftigt sich dieser Wissenschaftler mit einer Substanz und einem Verfahren, das bereits bekannt ist. Sie wundern sich, was es denn da noch zu erforschen gibt. Er erklärt ihnen, daß er mit seinen Experimenten herausfinden will, wie man noch weitere Verbesserungen an der Substanz erzielen kann. Er erläutert genau, wie und warum er bestimmte Schritte unternimmt, um schließlich ein Pulver zu erzeugen, das leuchtet, wenn man elektrischen Strom anlegt und zwar noch viel, viel weniger als bisher, damit man es beispielsweise in Displays verwenden kann, die in der Raumfahrt Verwendung finden.

Alles in allem ist dieses Buch unbedingt empfehlenswert, denn jede Ermunterung zum Fragen oder Forschen sollte unterstützt werden. Viel zu viel wird unhinterfragt angenommen, wird ungeprüft als Wissen weitergegeben. Jede Regung, den Dingen auf den Grund zu gehen und nicht aufzugeben, wenn etwas unverständlich bleibt, sondern weiterzufragen, weiterzuforschen, bis man vielleicht auf Widersprüche stößt, die wiederum zum Nachfragen anregen, ist zu begrüßen.

Die Rahmengeschichte wird an Stellen unterbrochen, an denen Begriffe verwendet werden, die nicht unbedingt als bekannt vorausgesetzt werden können, gerade auch bei den ganz jungen Lesern, denn immerhin wird dieses Buch für Kinder ab der 3. Klasse empfohlen. Jeweils in einem grünen Textfenster mit der Überschrift: "Finjas Schlaumeier-Wissen" befinden sich einfache und sachliche Begriffserklärungen, die den jungen Lesern das Nachschlagen in einem Lexikon ersparen und somit das Lesevergnügen nicht unterbrechen. Und das wird auch durch die ideenreichen und liebevollen Illustrationen von Lea Fröhlich vortrefflich unterstützt - und es sind die Bilder, die diesem Buch einen ganz besonderen Charme verleihen.

Abschließend möchte ich noch auf etwas hinweisen, das doch nachdenklich stimmen kann. Die Ausdrucksweise der Protagonisten dieses Buches, zwei Kinder der 5. Klasse, scheint doch überangepaßt an einen Umgestaltungsprozeß der deutschen Sprache, der ohnehin sehr fragwürdig ist. Die Autorin läßt die beiden in der wörtlichen Rede stets von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von Ingenieurinnen und Ingenieuren, von Forscherinnen und Forschern usw. sprechen. Sollen Kinder auf diese Weise wirklich dazu veranlaßt werden, derart umständlich zu reden, damit sie sich in jedem Fall immer politisch korrekt ausdrücken oder auch verhalten?

Wie dem auch sei, die Autorin, Isabell Harder, die hauptberuflich Öffentlichkeitsarbeit für Wissenschaft betreibt, ist studierte Literaturwissenschaftlerin, Mutter einer Tochter und sie hat viel Freude am Geschichtenerzählen. Das vermittelt sich auf jeden Fall im vorliegenden Buch. Als Besonderheit hat die Autorin einigen der an der Bremer Universität arbeitenden Wissenschaftlern, jeweils mit Rang und Namen, eine Rolle in ihrer Erzählung verschafft. Man darf gespannt sein, auf welche Forschungsreise sie Finja und Malik als nächstes schickt.

1. August 2019

Isabell Harder
Lea Fröhlich (Illustration)
Finja forscht!
Das geheimnisvolle Pulver
Carl Schünemann Verlag, Bremen 2019
64 Seiten
12,90 Euro
ISBN 978-3-7961-1047-4


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang