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TIERE/108: Tiergenie und Lebenskunst - Waldmenschen in Not ... (SB)



Wenn es um Affen geht, denken viele sofort an Schimpansen, vielleicht auch an Gorillas, aber an Orang Utans eher weniger. Die Lebensgewohnheiten von Schimpansen sind gut untersucht und überall dort, wo sie mit Menschen zusammenleben, beispielsweise im Zirkus oder im Zoo, überraschen sie mit ihren Fähigkeiten und ihrem Verhalten, das oft Ähnlichkeit mit dem von Kleinkindern zeigt. Auch ihre Art zu lernen verblüfft Wissenschaftler, die sich immer neue Aufgaben und Spiele ausdenken, mit denen sie die Intelligenz der Affen testen wollen.

Über Orang Utans hingegen ist den meisten nur wenig bekannt. Sie zählen genau wie die Schimpansen, die Bonobos und die Gorillas zu den Menschenaffen, doch ist das Wissen über ihre Lebensweise noch sehr lückenhaft. Das hat einen Grund: sie sind die größten heute noch lebenden Baumsäugetiere, und dort auf den Bäumen im Blätterkronendach halten sie sich beinahe ihr ganzes Leben lang auf. Gut versteckt in den Baumwipfeln bewegen sie sich geschickt über weite Strecken. Man muss schon sehr genau hinschauen, um sie zu erspähen, und selbst dann sieht man zuerst nur ein Stück ihres roten, langen Fells. Orang Utans leben heute nur noch in den Regenwäldern auf Sumatra und Borneo. Einst konnte man sie auch im südlichen China, in Thailand, Vietnam und Java antreffen, wo sie in den damals noch bestehenden Wäldern beheimatet waren. Doch das ist lange her und kann nur noch durch Knochenfunde (Fossilien) nachgewiesen werden. Will man heutzutage etwas über die einzigen noch lebenden Großen Menschenaffen in Erfahrung bringen, die in freier Wildbahn leben, ist das nicht ganz einfach. Ihr Lebensraum birgt viele Gefahren. Die Luft ist feucht, es ist sehr heiß und eine Vielzahl von Insekten, wie beispielsweise Moskitos, setzen einem zu. Ganz zu schweigen von den Spinnen, Schlangen und Krokodilen, die ebenso dort leben, denn weite Gebiete des Waldes gehen in Sumpfgebiete über oder befinden sich in der Nähe von Flüssen. Trotz all dieser Schwierigkeiten gelang es verschiedenen Forschern diese Tiere zu beobachten.


Zwei Orang-Utans hangeln sich im Geäst der Bäume voran - Foto: 2009, by Nomo michael hoefner / http://www.zwo5.de (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Zwei Orang-Utans in den Bäumen unterwegs
Foto: 2009, by Nomo michael hoefner / http://www.zwo5.de (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Orang Utans sind sehr gut an das Leben auf Bäumen angepasst. Sie haben viel Kraft in ihren Händen und Füßen - wobei ihre Füße fast genauso aussehen wie ihre Hände - und diese Kraft brauchen sie auch, um sich mit festen Griffen von Ast zu Ast zu hangeln. Sie sind groß und schwer, da muss man sich schon gut festhalten können. Ein Orang Utan Mann wiegt bis zu 90 Kilogramm, eine Orang Utan Frau um die 50 kg. Sie gehen selten auf dem Boden, weil sie mit ihren Kletterfüßen schlecht laufen können. Sie müssen auf der Fußaußenkante gehen, das ist nicht sehr angenehm, das kann man selbst einmal ausprobieren. Aber manchmal bleibt ihnen nichts anderes übrig, als kurze Wege auf diese Weise zurückzulegen.


Das Baumleben erfordert ein hohes Maß an Intelligenz

Die ersten Forscher machten sich ein merkwürdiges Bild von den Orang Utans. Sie meinten, dass diese Tiere ein sehr eintöniges Leben führen, dumpf vor sich hindösen und vornehmlich tagein tagaus mit fressen, rasten, fressen, schlafen beschäftigt sind und eigentlich sonst nichts anderes tun würden. Das trifft allerdings überhaupt nicht zu. Vielmehr zeigt es die beschränkten Möglichkeiten des Begreifens der damaligen Beobachter. Neue Forschungen zeigen ein ganz anderes Bild des Orang Utans und es gibt immer noch vieles in ihrem Leben, was nicht erklärt oder gedeutet werden kann. Um sich in dem Gewirr von Ästen, Zweigen, großen und kleinen Blättern und Lianen zurechtzufinden, bedarf es eines guten Orientierungssinns. Zudem müssen sie über ein umfassendes Wissen über die Bäume und die Tragfähigkeit ihrer Äste und Zweige verfügen, nach denen sie greifen, um sich fortzubewegen. Aber sie haben auch Tricks auf Lager. So wurde beobachtet, wie ein Orang Utan, der von einem Artgenossen verfolgt wurde, die Liane, mit der er den nächsten Baum erreichte, nicht zurückschwingen ließ, sondern sie festband, so dass der andere nicht folgen konnte.

Eine Orang-Utan Mutter knickte und legte Pflanzen auf eine Weise zurecht, damit ihr Kind über diese "Brücke" zum anderen Ufer gelangen konnte. Sie biegen die Äste und Hölzer, sie schwingen, schaukeln und balancieren, um von Baum zu Baum zu gelangen und das in einer Weise, als wüssten sie genau, welchen Ast oder Zweig sie wie weit biegen müssen, um einen bestimmten Schwung zu erzielen. Manchmal ist es auch wichtig, sich zu verstecken. Dann suchen sie dichtes Blattwerk auf und bedecken die Körperstellen, die vielleicht noch zu sehen sind, mit abgezupften Blättern.


Orang Utans als Pflanzenexperten

Im Regenwald auf Sumatra und Borneo wachsen viele tausend Pflanzenarten, deren Früchte die wichtigste Nahrungsquelle der Orang Utans sind. So findet man dort ungefähr 14 Gattungen von Feigen. Doch die Menschenaffen scheinen die reifen Früchte nicht wahllos zu vertilgen, sondern es sieht so aus, als würden sie systematisch vorgehen. Grob geschätzt verspeisen sie auch die Früchte von 160 weiteren Pflanzen und zudem hunderte verschiedene Pflanzenteile wie Blätter, Stängel, Wurzeln oder Rinde. Doch welche Frucht kann der Orang Utan essen, welche ist besonders nahrhaft, unbekömmlich oder gar giftig? Das Erstaunliche: der erwachsene Menschenaffe probiert die Früchte nicht, er betrachtet sie und entscheidet dann, ob sie gut für ihn sind oder nicht. Er weiß, ob es besser ist von einer bestimmten Frucht die Samen nur zu kauen oder die Schale von anderen Früchten lieber auszuspucken, weil sie nur schwer zu verdauen ist. Auch wissen sie, welche Pflanzensäfte sie benutzen müssen, um sich stechende Insekten vom Leib zu halten. Forscher vermuten, dass die Orang Utans dieses Wissen in der langen Zeit, die sie bei ihrer Mutter als Jungaffen verbracht haben (ein Junges lebt ca. 8 Jahre lang mit dem Muttertier zusammen) erworben haben. Dieses umfangreiche Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Doch was sie eigentlich noch alles können und über Pflanzen wissen, ist von den Forschern noch lange nicht erschlossen worden.


Ein Orang-Utan sitzt auf einem Ast, hält eine Frucht in der Hand und kaut - Foto: by Eleifert (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Ein Orang-Utan beim Essen
Foto: by Eleifert (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Orang Utans benutzen kaum Werkzeuge, um an ihre Nahrung zu gelangen. Sie verfügen über starke Kiefer, kräftige Zähne mit dicker Zahnschmelzschicht und über viel Kraft in Händen und Füßen. Ihre Beißkraft reicht fast immer, um an das begehrte Fruchtfleisch zu gelangen, selbst wenn es von einer harten oder stacheligen Schale umgeben ist. Sie brauchen also kaum Hilfsmittel.

Zunächst führte das zu einer Fehleinschätzung über die Intelligenz dieser Menschenaffen. Wissenschaftler gehen nämlich davon aus, dass der Werkzeuggebrauch bei Tieren ein Zeichen von hoher Intelligenz sei. Dass die Orang Utans durchaus und in besonders geschickter Weise in der Lage sind, Werkzeuge zu benutzen und sie sich sogar selbst herzustellen, erkannte man bei jenen Tieren, die in Zoologischen Gärten leben. In dieser für sie völlig fremden, ungewohnten Umgebung ohne Wald, in dessen Bäumen sie sich aufhalten könnten, zeigen sie ihre Fähigkeit, auf ihre ruhige und nachdenklich wirkende Art, mit völlig neuen Situationen umzugehen. Sie handeln nicht wahllos und unüberlegt, sondern scheinen die Gegebenheiten zu studieren und ihr folgendes Handeln zu planen. Ihr Ideen- und Erfindungsreichtum ist bemerkenswert. Manche drehten und verzwirnten sich aus Holzwolle Seile, um daran zu schaukeln, andere rissen Säcke in Bahnen und knoteten sich daraus Schnüre oder gar eine Art Hängematten. Auch erwiesen sie besonderes Geschick darin, Schlösser zu öffnen oder aus Stöckchen "Angelruten" zu fertigen, um damit an entfernt liegende Früchte zu gelangen. Unzählige Beispiele ließen sich aufzählen, doch eines ist deutlich: diese Menschenaffen verfügen über ein hohe Maß an Wissen, von dem Wissenschaftler bisher nur einen kleinen Teil erkannt haben.


Eigentlich sitzen Orang-Utans, wie der hier abgebildete, nur im Zoo oder Pflegestationen am Boden, ihr Lebensraum sind die Bäume - Foto: 2005, by Kabir Bakie (Own work) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Ein aufmerksam und nachdenklich blickender Orang-Utan-Mann
Foto: 2005, by Kabir Bakie (Own work) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons


Der größte Feind des großen Menschenaffen ist der Mensch

Das Überleben des Orang Utans ist in Gefahr. Sein Lebensraum, der Regenwald, wird zerstört. Er wird gerodet, abgebrannt oder es werden Bäume in großer Zahl gefällt, um ihr Holz als wertvolles Tropenholz zu verkaufen. Auf den gerodeten Flächen entstehen Palmöl-Plantagen oder landwirtschaftliche Flächen. Die starke Nachfrage nach Palmöl führt dazu, dass mehr und mehr Wald verlorengeht. Palmöl wird für Biokraftstoff, Nahrung oder Kosmetik in den Industrienationen verwendet. Zudem werden Orang Utans auch immer noch gejagt, gegessen oder gefangen und die Jungtiere als Haustiere verkauft, obwohl das schon lange verboten ist. Hinzu kommt noch, dass sie auch an Hepatitis, Cholera, Malaria und Tuberkulose erkranken, weil sie dem Menschen so ähnlich sind. Alles in allem haben sie es heutzutage sehr schwer.


In der Bildmitte verläuft ein erdiger, holpriger, breiter Weg. Links und rechts davon ragen noch knapp über dem Boden die Baumstümpfe hervor - Foto: 2007, by Hayden (Oil Palm Concession) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Auf dem gerodeten Regenwaldboden soll eine Palmöl-Plantage gepflanzt werden
Foto: 2007, by Hayden (Oil Palm Concession) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons


Menschen versuchen zu helfen

Aber es gibt immer mehr Menschen, die für den Erhalt des Regenwaldes und damit für den Lebensraum der Großen Menschenaffen kämpfen. Es wurden Naturschutzreservate abgesteckt und Auffangstationen für Orang Utan Junge eingerichtet, die ihre Mutter verloren haben oder erkrankte Tiere, mit dem Ziel, sie wieder auszuwildern. Für die Affen, aber auch für die Menschen, die in den Regenwäldern zu Hause sind, ist es von größter Dringlichkeit, den Regenwald zu retten. Und wenn man es weltweit betrachtet, ist sein Erhalt für die gesamte Menschheit wichtig, denn die Regenwälder sind die grüne Lunge der Welt. Sie beeinflussen das Klima in so vielfältiger Weise, dass ihr Fehlen sich im schlechten Sinne bemerkbar macht.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.spektrum.de/magazin/intelligenz-von-orang-utans/821921

http://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/menschenaffen/orang-utans/

http://www.welt.de/wissenschaft/tierwelt/article3760312/Das-Raetsel-der-rothaarigen-Waldmenschen.html


5. September 2017


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