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TIERE/143: Ein Vielfraß kehrt nicht um ... (SB)



Der Name deutet auf ein Tier mit gewaltigem Appetit hin. Es handelt sich tatsächlich um ein Raubtier, allerdings um ein erstaunlich kleines, aber sehr starkes. Der Vielfraß mutet an wie eine Mischung aus Bär und Hund und mit Sicherheit hat er einen gesunden Appetit. Das mag allerdings auch daran liegen, dass er in den nördlichen Ländern der Erde beheimatet ist. Um gegen die Kälte gewappnet zu sein, braucht er viel Energie, damit er die nötige Körpertemperatur halten kann - er muss also viel fressen. Das geht übrigens vielen anderen Lebewesen der nördlichen Regionen ebenso. Eindeutig geklärt ist die Namensherkunft allerdings nicht. Einmal wird vermutet, dass es eine Abwandlung von dem altnorwegischen Wort "fjeldfross" sei, das mit "Felsenkater" oder "Bergkater" übersetzt wird. Durch Erzählungen über die Gefräßigkeit dieses Tieres wurde aus "fjeldfross" schließlich "Vielfraß". Auch die wissenschaftliche Bezeichnung "gulo gulo" bezieht sich auf eine gefräßige, nordische Sagengestalt mit Namen "Gulon".


Ein dunkelbrauner Vielfraß sitzt im grünen Gras. Er hat Ähnlichkeit mit einem jungen Bären - Foto: 2006, by Zefram (selbst fotografiert), CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons

Vielfraß
Foto: 2006, by Zefram (selbst fotografiert), CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons


Bei dem Vielfraß handelt es sich um ein Raubtier mit einigen Besonderheiten, die ihm das Überleben in Schnee und Eis ermöglichen. Gibt es wenig leicht zu erbeutende Nahrung, greift er auch Tiere an, die um ein Vielfaches größer sind als er selbst. Sehen wir uns dieses Tier einmal genauer an.


Ein viel zu großer Marder mit krallen-bewehrten Tatzen

Der Vielfraß, der auch Järv genannt wird, zählt zur Familie der Marder, doch ist er um einiges größer. Er lebt meistens allein und durchstreift sein Revier auf Suche nach Nahrung oder - zur Paarungszeit - nach einem Weibchen. Dabei legt er weite Strecken zurück, denn so ein Vielfraß-Revier kann durchaus bis zu 200 Quadratkilometer betragen. Auffallend sind seine Pfoten mit den fünf krallen-bewehrten Zehen, zwischen denen sich eine Haut spannt. Seine Pfoten sind dann sehr breit und wirken wie Schneeschuhe. Mit ihnen kann er sich nahezu geräuschlos und geschwind auf dem Schnee bewegen, ohne einzusinken. Bei der Jagd erweist sich das als Vorteil, denn auf diese Weise kann er enorme Geschwindigkeiten erreichen und seine Beute leicht einholen, da diese Tiere oft im Schnee einsinken und sich viel langsamer bewegen können.

Hilfreich sind diese Pfoten auch beim Schwimmen und Klettern, beides kann der Vielfraß sehr gut. Eigentlich ist er aber ein am Boden lebendes Tier. Ausgestattet ist er neben diesen gefährlichen Klauentatzen mit einem enorm starken Gebiss mit kräftigen Reißzähnen. Er gilt als angriffslustig und unerschrocken, dass sich sogar Bären oder Pumas von ihrer gerissenen Beute von ihm vertreiben lassen. Da der Vielfraß weder Winterschlaf noch Winterruhe hält, befindet er sich unentwegt auf Nahrungssuche, die in dieser Zeit schon mal sehr beschwerlich sein kann. Obwohl er hauptsächlich Jagd auf Schneehasen, Mäuse, Eichhörnchen oder Schneehühner macht, schreckt er in Zeiten großen Hungers nicht davor zurück, auch viel größere Tiere zu jagen. Rentiere, Luchse oder sogar Elche werden dann von ihm angegriffen, wenn auch eher schwache Tiere oder deren Kälber.

In der wärmeren Jahreszeit ernährt er sich gern von Aas, aber auch von Vogeleiern, jungen Baumtrieben und Beeren. Es heißt, dass er in dieser Zeit nur selten Rentiere oder Elchkälber reißt. Dennoch wurden und werden ihm seine Fressgewohnheiten zum Verhängnis. Rentierhirten und -züchter sehen in ihm ein Raubtier, dass große Schäden verursacht und getötet oder, im besseren Fall, vertrieben werden sollte. Bei Schafhirten ist er ebenso unbeliebt wie bei vielen Einwohnern Lapplands, da er dort in deren Hütten und Häuser einbricht und unter großen Verwüstungen Lebensmittel stiehlt. Außer dem Menschen zählen nur noch Wolfsrudel zu seinen gefährlichen Feinden. Mit einem Wolf allein wird er allerdings fertig, in so einem Kampf geht er meist als Sieger hervor.


Ein Vielfraß mit braun-hellbraunem Fell steht auf einem umgekippten, dicken Baumstamm - Foto: 2006, by User:MatthiasKabel, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons

Ein Vielfraß auf einem Baumstamm
Foto: 2006, by User:MatthiasKabel, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons


Es gelingt nur selten einen freilebenden Järv zu beobachten. Es sind scheue und sehr vorsichtige Tiere. Ein Nest mit Muttertier und Jungen zu entdecken, ist kaum möglich. Die Järvs verstecken sich je nach Landschaft, in geeigneten Spalten zwischen den Felsen, die sie mit Laub polstern, beziehen leere Baue anderer Tiere oder graben sich eine Schneehöhle, um sich darin auszuruhen. Sie zählen eigentlich zu den eher nachtaktiven Tieren, doch in den nördlichen Regionen sind Tag- und Nachtrhythmus anders als bei uns in Deutschland. Entweder wird es für nur kurze Zeit dunkel oder aber kaum für wenige Stunden hell. Der Vielfraß hat sich darauf besonnen, immer kurze Ruhephasen an die Gegebenheiten angepasst zu halten.

Obgleich er besonders in den Ländern Skandinaviens stark bejagt wird, so dass nur noch wenige Exemplare dort leben, gilt seine Art als nicht gefährdet. Denn in anderen Ländern wie Kanada, Nordamerika und in den borealen Wäldern Russlands bis nach Sibirien, in den dünn besiedelten Gegenden leben recht viele von diesen Tieren. Genaue Zahlen liegen jedoch nicht vor. Beispielsweise sollen in Sibirien ungefähr 18.000 Tiere leben, in Britisch-Kolumbien ca. 3.500 Exemplare. Betrachtet man die europäischen Populationen, so gelten die Vielfraße durchaus als gefährdet. Übermäßige Jagd und Veränderungen ihres Lebensraumes führen zu erheblichen Bestandsrückgängen. Heute sind sie eine streng geschützte Tierart nach Anhang II des Berner Übereinkommens.


Eine Karte des Verbreitungsgebietes des Vielfraßes zeigt die nördlichen Länder wie Kanada, Alaska, Nordamerika, Nordasien, Russland bis Sibirien - Grafik: 2010, by IUCN Red List of Threatened Species, species assessors and the authors of the spatial data., CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Verbreitungsgebiete des Vielfraß
Grafik: 2010, by IUCN Red List of Threatened Species, species assessors and the authors of the spatial data., CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons



Geschichten über den Vielfraß (Järv)

Oft sind es gruselige Erzählungen, die dieses Tier als dauernd hungriges, sehr gefährliches Raubtier darstellen, das in seiner Fressgier unentwegt auf der Suche nach Beute ist. Wir wollen allerdings darauf verzichten, sie hier noch weiter zu verbreiten. In den Mythen einiger indigener Völker wird angenommen, der Vielfraß stamme vom Bären ab. Das jüngste von vier Bärenjungen sei einfach nicht größer geworden und so entstand der Vielfraß oder Järv. In anderen Erzählungen gilt er als sehr mutig oder auch als Bindeglied zur Geisterwelt.

Ein weiterer Name für diese Tier lautet "Wolverine". Vielen von euch ist dieser Name vielleicht bekannt, weil ein berühmter Comic-Held diesen Namen trägt. Der besagte Held verfügt über lange, sehr scharfe, einziehbare, säbelähnliche Krallen. Vielleicht erhielt diese Figur den Namen, weil eine Ähnlichkeit mit den starken, scharfen Krallen des Vielfraßes besteht.

Die Bilder und Geschichten um dieses Tier sorgen in vielerlei Hinsicht für seinen schlechten Ruf und nicht gerade dafür, Verständnis zu erwecken. Es sind und bleiben Raubtiere, die für ihr Überleben sorgen, in dem sie jagen und fressen. Auch wenn sie freundlich aussehen, bleiben sie Wildtiere, deren Lebensraum die Wildnis ist. Als Haustier sind sie sicherlich zu gefährlich. Sie unterscheiden sich nicht wirklich von anderen Raubtieren, nur sind sie vergleichsweise klein und können leicht in ihrer Angriffslust unterschätzt werden. Zu wünschen bleibt, dass sie nicht zu sehr vom Menschen verdrängt und vernichtet werden oder vielleicht auch unter den sich durch den Klimawandel verändernden Lebensumständen zu leiden haben.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.zootier-lexikon.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=120:vielfrass-gulo-gulo

http://www.fjellfross.com/

https://www.biologie-seite.de/Biologie/Vielfra%C3%9F


17. März 2021


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