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MALEREI/049: Forschungsprojekt - Das monochrome Bild (Unijournal Trier)


Unijournal Heft Nr. 2/2009 - Zeitschrift der Universität Trier

Das monochrome Bild

Von Jun.-Prof. Dr. Ulrike Gehring


Das 2008 in Kooperation mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie/ZKM Karlsruhe entwickelte Forschungsprojekt erarbeitet die Geschichte des monochromen Bildes von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Die Ergebnisse werden in einer umfassenden Monographie sowie einer für 2012/13 geplanten Ausstellung am ZKM Karlsruhe zugängig gemacht.


Die Geschichte der Malerei erweist sich als dialektischer Prozess aus Formfindung und Formzerstörung. Das sich gegenseitig bedingende Wechselverhältnis von Bildkonstruktion und Bilddekonstruktion erklärt das Aufkommen und Verschwinden verschiedener Formen, Stile und Inhalte wie auch die stete Auseinandersetzung mit der eigenen Materialität und deren Auflösung. Auf formale Opulenz folgt nicht selten eine dezidierte Reduktion, auf Farbenvielfalt eine sich bescheidende Palette. Dieser auch der monochromen Malerei vorausgehende 'Ikonoklasmus' findet im 19. Jahrhundert einen neuerlichen Höhepunkt, als humoristische Darstellungen die vermeintliche Inhaltslosigkeit der impressionistischen Malerei anprangern. Zu einer solchen Kritik lässt sich auch der französische Schriftsteller Alphonse Allais (1894-1905) in seinem 1897 erschienenen Album Primo-Avrilesque hinreißen, wenn er siebenmonochrome Farbtafeln als Reproduktionen faktisch nicht existenter Bilder ausweist. Absurde Bildlegenden wie "Combat des nègres dans une cave, pendant la nuit" suggerieren einen nicht sichtbaren, gleichwohl aber vorhandenen Inhalt. Die schwarze Farbe steht nicht für die Entleerung der Kunst, sondern legt sich wie ein Schleier über die kognitiv nicht wahrnehmbaren Bilder.

In der Nachfolge Allais entstehen zahlreiche Karikaturen vergleichbaren Inhalts, die ihren Nährboden alle in derselben Repräsentationskrise haben, in der sich die Malerei seit der Erfindung der Fotografie befindet. Unter dem Konkurrenzdruck der neuen, apparativen Reproduktionstechniken geht der enge neuzeitliche Zusammenhang von Bild und Gemälde verloren und tradierte Vorstellungen über das Wesen eines Bildes werden revidiert. Sicher geglaubte Definitionen, wonach ein Bild das sei, was ein Gemälde zu sehen vorgibt, werden in Frage gestellt. Es ist schließlich Kasimir Malewitsch (1878-1935), der mit seinem suprematistischen Schwarzen Quadrat von 1915 die Monochromie aus dem satirischen Kontext herausführt und eine Antwort auf die ontologischen Selbstzweifel des Mediums gibt: Nicht der Inhalt, sondern die Wirkung der materialen Oberfläche stiften Sinn. Ist die Farbe allerdings Darstellungsmittel wie auch Darstellungsgegenstand, dann gerät der Prozess der Bildwahrnehmung selbst zum konstitutiven Element des monochromen Bildes. An die Stelle der Bildinterpretation tritt das Bilderleben. Die Frage, was ein solches Gemälde noch zu sehen gibt, stellt sich der Kunstgeschichte seither neu.

Das von Trierer Seite initiierte Forschungsprojekt zielt nicht nur auf die Aufarbeitung einer bislang unerforschten Gattung, sondern zugleich auf die optische Gegenüberstellung formal ähnlicher, in ihrer Aussage jedoch gänzlich unterschiedlicher Gemälde. Sowohl die Ausstellung am ZKM als auch die dafür notwendige Auswertung der 250 Werke umfassenden Datenbank erfolgt unter Beteiligung der Studierenden des Faches Kunstgeschichte der Universität Trier.


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Quelle:
Unijournal 2/2009 - Zeitschrift der Universität Trier, S. 35
Jahrgang 35/2006
Herausgeber: Der Präsident
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Unijournal erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2010