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ARBEITERSTIMME/276: Der neue KIM - eine neue Politik für den Norden Koreas?


Arbeiterstimme Nr. 181 - Herbst 2013
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Der neue KIM - eine neue Politik für den Norden Koreas?



Seit dem Tode Kim Jong-ils sind gut eineinhalb Jahre vergangen, im Norden etabliert sich seither sein Sohn, Kim Jong-un, in den entscheidenden Ämtern der Partei und des Nationalen Verteidigungskomitees. Die Präsidentenwahlen im Süden haben die Tochter von Park Chung Hee, Park Geun Hye, an die Macht gebracht. Wie die Süddeutsche Zeitung vom 21.05.13 meldete, geschah dies unter kräftiger Mithilfe der Geheimpolizei, welche den Oppositionskandidaten systematisch diffamierte und diskreditierte. "Über ihren Vater, von dessen Politik sie sich nur unter Druck distanziert hat, ist sie die Erbin des Alten [Systems]", so zieht die SZ eine Art Eröffnungsbilanz der neuen Regierungsära.

Anders als sein Vater hat der junge Kim keine Zeit, in seine Ämter hineinzuwachsen. Die Granden der Herrscherfamilie und der anderen Herrschaftsträger in der Partei und vor allem des Militärs entschieden offenbar mit einem kurzen Vorlauf, den Kult um den Führer weiterzutreiben.

Der Gesundheitszustand Kim Jong-ils verschlechtert sich 2011 dramatisch, im Gegenzug wird sein Sohn nach den Beerdigungsfeierlichkeiten und mehreren Wochen Staatstrauer im Tagesrhythmus in seine Ämter gehoben, ohne sich vorher profilieren zu können. Dieses Verfahren könnte mögliche Rivalitäten und Auseinandersetzungen in der Führung unter Umständen erst provozieren, doch scheinen die Gefahren einer "führerlosen" Zeit - wie nach 1994 mit den folgenden Hungerjahren - schwerer zu wiegen.

Kim Jong-un, ein knapp 30-Jähriger, ist nicht einmal halb so alt wie die ihn umgebenden Politiker und Militärs. Die Jugend soll einen Aufbruch signalisieren, doch reicht dieser erste Impuls bislang nicht über die Fotoshootings in Vergnügungsparks oder bei Popkonzerten mit neuen (Frauen-) Bands hinaus. Daneben nimmt er seine Pflichttermine bei den weiterhin stattfindenden Vor Ort-Unterweisungen zwischen mitnotierenden Kadern wahr und erste schriftliche "Verbesserungsanweisungen" erscheinen querbeet zu Themen, die eher Architekten, Landschaftsplaner oder Agraringenieure interessieren sollten als Staatschefs.

Was sein Vater und sein Großvater taten, findet eine bruchlose Fortsetzung. Einige Leitungskader werden ausgewechselt, ohne dass dies zu erkennbaren Veränderungen der Politik führt.

Das CIA-Factbook North Korea,(1) das eine Reihe von Kenndaten zusammengetragen und aktualisiert hat, führt z. B. auf, dass von fünfzehn Regierungsmitgliedern in den Jahren 2012 und 2013 lediglich fünf neu ernannt wurden. Die Mehrheit hatte ihre Positionen schon unter Kims Vater inne. In Partei und Militär dürfte sich die Lage nicht wesentlich unterscheiden, es kamen nur wenige neue Namen ins Spiel. Außerdem verschwinden längst nicht mehr alle Männer - es gibt in Nordkoreas Führungsriegen höchstens Alibi-Frauen - spurlos von der politischen und militärischen Bühne, viele tauchen in gleichen oder in anderen Funktionen wieder auf. Solche Maßnahmen gegen allzu leichte Bildung von Netzwerken und Seilschaften gehören zum Konsens derjenigen, welche die Entscheidungen im Land treffen.

Die Wochen nach dem Tod Kim Jong-ils verdoppeln im wahrsten Sinn des Wortes die Ehrbezeugungen des koreanischen Volkes: zu den Standbildern des verewigten Großvaters werden solche des frisch verstorbenen Vaters gestellt und der Enkel führt die höchsten Gedenkdelegationen an.

Politisch unerfahren und in das Geflecht der Macht bisher nicht eingebunden, muss sich Kim Jong-un darum bemühen, die Legitimität seiner Nachfolge und die Bruch-, wenn nicht sogar die Nahtlosigkeit des Übergangs zu dokumentieren. Diese anhaltende Wiederkehr des immer gleichen Verhaltens wird ihn auf nicht absehbare Zeit in seinen Handlungen binden. Bewährungsproben auf seine Einpassungsfähigkeit in die alten Strukturen gibt es 2012/13 mehr als genug.

Die Feiern zum 100. Geburtstag Kim Il-sungs stehen im April 2012 an. Vielerlei Aufbauleistungen werden zu den Feierlichkeiten übergeben: Wohnungsbauprojekte in Pyongyang, die ein Viertel neu entstehen lassen, gehören ebenso dazu wie die In-Betrieb-Setzung eines Wasserkraftwerkes mittlerer Leistungsfähigkeit nördlich der Hauptstadt oder der (missglückte) Start einer Rakete mit Satellitenfracht.

Letzteres verstößt gegen den UN-Sicherheitsratsbeschluss 1784, jedenfalls nach Ansicht der maßgeblichen Träger dieses Beschlusses, den USA und Russland. Die USA brechen daraufhin ihre Verpflichtungen aus einem Abkommen mit Nordkorea, das unter anderem das Ende der Nukleartests beinhaltete.(2) Eine Lieferung von 240.000 Tonnen Lebensmitteln - eine im Verhältnis zu sonstigen Hilfslieferungen, die nicht aus China stammen, wesentlich höhere Zusage - unterbleibt.

Im Gegenzug erklärt sich die DPRK nicht mehr an ihre Zusagen gebunden, was zu erwarten und von den USA einkalkuliert war. Nordkorea geht aber einen Schritt weiter, erklärt sich zur Atommacht und legt dies in der Verfassung nieder.

Während das Land mit Überschwemmungsfolgen zu kämpfen hat, die Teile der Ernte bedrohen, sehen sich die USA einem Scheitern ihrer Drohpolitik gegenüber.(3) Damit ist die nächste Krise vorgezeichnet, die den Jahreswechsel 2012/13 prägt. Kurz vor dem 1. Todestag Kim Jong-ils befördert eine nordkoreanische Unha-3-Rakete einen Wettersatelliten erfolgreich in eine Erdumlaufbahn. Man kommt damit übrigens dem gleichen Vorhaben Südkoreas zuvor.(4) Der UNO-Sicherheitsrat reagiert mit der Resolution 2087 (die Trägerrakete sei langstreckentauglich und der Start damit einem untersagten Raketentest gleichzusetzen), die den Raketentest verurteilt und weitere Handelssanktionen verhängt. Später werden die Sanktionen in der Resolution 2094 nochmals erweitert.

Was die Führung mit Kim unterschätzt: nach den Neuwahlen der chinesischen Staats- und Parteispitzen trägt die Volksrepublik diese Sanktionen mit, sie lässt zusätzlich die Bank of China ein Konto der nordkoreanischen Außenhandelsbank schließen. Dass China die Raketenpolitik Nordkoreas missfällt, wird, unter den gegebenen Umständen, außergewöhnlich heftig zum Ausdruck gebracht. Mitte Februar 2013 findet der dritte Atomtest Nordkoreas seit 2006 statt. Die Führung zeigt, dass sie sich das Recht auf atomare Abschreckung nicht verbieten lässt, geht aber mit diesem Test neue Risiken ein. Denn die bisher verlässliche Konstante, die Politik der VR China, beginnt zu schwanken, was noch an einigen Beispielen gezeigt werden soll.

Zeitgleich nehmen die USA, mit dem Regierungsprogramm Obamas für die zweite Amtsperiode und der dezidierten Schwerpunktbildung auf Asien, und Südkorea, beim Amtsantritt der neuen Präsidentin Park Geun Hye, den Atomversuch gerne auf, um den gegenseitigen Schulterschluss für die Weltöffentlichkeit zu demonstrieren. Die jährlich im März und April stattfindenden gemeinsamen See- und Landmanöver werden diesmal mit dem Einsatz von B 52-Langstrecken- und den sogenannten Tarnkappenbombern verschärft. Die zweifelsohne schrille Bedrohungsrhetorik des Nordens, welche die massiven Militäreinsätze des Südens an den, zur See umstrittenen, Grenzen begleitet, wird mit entschlossenen Handlungen und Absichtserklärungen beantwortet. Südkorea veröffentlicht den Kauf von Kampfhubschraubern für 1,6 Milliarden US-$ und den geplanten Erwerb von 60 Kampfflugzeugen, wofür auch der Eurofighter noch zur Wahl stehe. Dies soll die Armee, die knapp 700.000 reguläre Soldaten umfasst und die mit dem drittgrößten Militärbudget in Asien ausgestattet wird, noch schlagkräftiger machen. Im Sommer 2012 meldete die SZ, dass die USA mit dem Verweis auf die "Bedrohungslage" durch Nordkorea ihre Raketenstationierung in Asien ausbauen werde.(5) Japan sei in die Beratungen zur Installierung komplexer Früherkennungs- und Zielerfassungssysteme eingebunden. Monate später tauchen die Pläne erneut auf, diesmal im Zusammenhang mit der US-Stützpunktinsel Guam.(6)

Präsidentin Park empfängt US-Außenminister Kerry, der vor Ort betont, dass die USA "eine atomare Bewaffnung Nordkoreas nicht hinnehmen" und sie sekundiert mit dem Befehl an das Militär, "bei Übergriffen der nordkoreanischen Armee mit gleicher Münze zurückzuzahlen Oder soll's noch dramatischer klingen?(7) "Jung Seung Jo, der Oberkommandierende der Südkoreanischen Armee, hat dem Norden gerade mit einem Präventivschlag gedroht ..."(8)

Diese explosive Gemengelage vor der eigenen Haustüre lässt Peking nicht unberührt. Offen kritisch wie nie zuvor fallen hochrangige Erklärungen aus China aus.

China werde keine "Randale an seiner Türschwelle" dulden (Außenminister Wang Yi), Xi Jinping, der neue Präsident und Generalsekretär der KP, spricht davon, China könne "es nicht tolerieren, dass Nordkorea Atomwaffen besitzt".(9)

Zwar vermeidet es die Volksrepublik, in ihrer Sanktionspolitik über das beschriebene Maß hinauszugehen oder gar zu entsprechenden Vereinbarungen mit den USA, Südkorea oder Japan zu kommen. Noch gibt es dafür zu viele und zu schwer wiegende Bedenken. Trotzdem sind die Signale an die Führung um Kim eindeutig. China sitzt am längeren Hebel und kann seine Missbilligung mit sehr fein abgestuften Maßnahmen, die gleichwohl unmissverständlich sind, zum Ausdruck bringen. China, Japan und Südkorea bekunden im Mai 2012 ihre Absicht, Verhandlungen über eine Dreier-Freihandelszone aufzunehmen, die als "Wachstumsmotor" für die Region zu sehen sei. Gleichzeitig wird das erste Wirtschaftsabkommen der drei Staaten untereinander über die Privilegierung der gegenseitigen Investitionen geschlossen. Präsidentin Park wird im Juni 2013 von der Führung in Peking zum Staatsbesuch eingeladen, dies wird Kim Jong-un auf unabsehbare Zeit nicht gewährt werden. Gemeinsam soll an der Denuklearisierung des Nordens gearbeitet werden. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Peking und Seoul werden mit dem geplanten Freihandelsabkommen noch intensiver werden. Zielmarke für den gegenseitigen Warenaustausch 2015 ist ein Volumen von 300 Milliarden US-Dollar.

Zum Vergleich beträgt der Umfang des Warenaustausches zwischen Peking und Pyongyang zur Zeit maximal 2 % dieser Summe; diese etwa 6 Milliarden US-Dollar Im- wie Exporte stellen andererseits gut 70% des gesamten nordkoreanischen Außenhandels dar.

Die Führung unter Kim(10) hat diese zum Teil selbst verschuldete Krise dank ihrer Geschlossenheit nach innen anscheinend unbeschadet überstanden, nach außen sind ihr aber die Grenzen wenn nicht gesetzt, so doch deutlich aufgezeigt worden. Sollte die Planung Nordkoreas darauf abgezielt haben, den eigenen Bewegungsspielraum in einer wirtschaftlich und militärisch, damit auch politisch immer wichtiger werdenden Region zu vergrößern, so sind die Absichten gründlich gescheitert. Der Umstand, dass die vielfach antagonistischen Gegensätze politischer und geschichtlicher Art zwischen Südkorea, Japan, China, USA und Russland nur kaschiert, aber keiner Lösung nähergebracht werden, bewahrt Nordkorea davor, einer Zukunft entgegenzusehen, wie sie Afghanistan und der Irak schon hinter sich haben, wie sie Syrien gerade erleidet und sie dem Iran droht.

Ist Nordkorea tatsächlich so nahe an der Schwelle, seine Souveränität zu verlieren und zum Gegenstand der Verhandlungen zwischen den (regionalen) Großmächten zu werden? Die Raketentests, ob mit militärischer oder ziviler Fracht, signalisieren die Wehrhaftigkeit des Nordens, aber sie dienen auch allen involvierten Mächten als willkommener Anlass, die eigenen Aufrüstungspläne voranzutreiben.

Von den Absichten der USA und Südkoreas war bereits die Rede, Japan ist ebenfalls auf dem Wege, die auferlegten Militär-Schranken mit Hinweis auf Nordkorea offen zu überschreiten. Im Gefolge der Krisen in den vergangenen Monaten waren südkoreanische Pläne zu vernehmen, die für eine eigene nukleare Streitmacht plädierten. Wenn man berücksichtigt, dass in Südkorea das erste Atomkraftwerk 1977 ans Netz ging, seither 23 atomare Anlagen laufen, drei Reaktoren sich im Bau und weitere sechs im Planungsstadium befinden, dann spricht manches für eine schnelle Umsetzbarkeit dieser Absichten. Noch führt wegen der US-Interessen kein Weg dorthin, doch fordern solche Äußerungen die amerikanische Politik neu heraus. Aus dem Bericht des US-Verteidigungsministeriums an den Kongress aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass Nordkorea als "fortgesetzte Herausforderung für die Sicherheit"(11) der USA gesehen wird. Der Bericht hebt die Bedeutung der Militärallianz zwischen Südkorea und den USA hervor.

Dieser Aspekt, wiewohl bekannt und akzeptiert, muss wieder einmal hervorgehoben werden, ist er schließlich auch der Grund Pyongyangs dafür, mit dem "Verräterregime" in Seoul zu keinem Friedensschluss zu kommen. Die USA unterhalten in Südkorea fünfzehn Militärbasen aller Waffengattungen mit ca. 30.000 Soldaten. Faktisch ohne Vorwarnzeit können Operationen auf allen Eskalationsstufen durchgeführt werden. Südkorea befindet sich vorbehaltlos unter dem atomaren "Schirm " der USA, hat deshalb (bisher) auf eine Atombewaffnung zu verzichten und ordnet die eigene Strategie den amerikanischen Vorgaben unter. Seouls Kompetenzen liegen im wirtschaftlichen und humanitären Bereich, beide Handlungsfelder sind instabil und krisenanfällig.


Worauf kann sich Nordkorea berufen, worauf verlassen?

Russland hat die Abkommen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Inhalts, die Nordkorea mit der Sowjetunion verbanden, nicht fortgeführt. (Nicht mehr einzutreibende) Altschulden des Nordens, etwa 10 Milliarden US-Dollar, wurden "großzügig" von Russland erlassen, ohne dass dies den Handel zwischen beiden Ländern in erkennbarer Weise belebt hätte.

Mit Japan gibt es nach wie vor keine diplomatischen Verbindungen. Die Entführung von einigen Japanern nach Nordkorea, die vor Jahrzehnten Schlagzeilen machte, ist in Japan nach wie vor ein Akt, der die öffentliche Meinung bestimmt; ganz anders übrigens als die Verschleppung von über einer Million Koreaner als Arbeitssklaven zwischen 1910 und 1945 nach Japan.

Nach den "Sonnenschein"-Jahren kehrt 2008 mit Südkoreas Lee Myungbak eine Politik zurück, die stärker auf Konfrontation ausgelegt ist. Die Abkommen über die Kaeseong-Sonderwirtschaftszone (2002) und Verträge im Tourismusbereich seien aus der Sicht des Südens "eine Hilfe für den Norden, die nicht an Bedingungen gebunden ist"(12) geworden. Hardliner Lee gewann mit dieser Haltung die Präsidentschaftswahlen. Nordkorea verließ aus Protest gegen den Kurswechsel das einzige Gremium, in dem beide Koreas über ihr strategisches Verhältnis debattieren konnten: die wenige Jahre zuvor von China initiierten Sechs-Parteien-Gespräche. Bis heute wurden keine gemeinschaftlichen Unterredungen zwischen Nord- und Südkorea, China, Japan, USA und Russland mehr aufgenommen.

Somit fehlt seit vier Jahren jede institutionalisierte Verhandlungsrunde aller Akteure in der Koreapolitik und dies unter den Bedingungen einer ungeheueren Konzentration militärischer Vernichtungspotenziale auf der Halbinsel. Bilaterale oder trilaterale Treffen und Vereinbarungen können dieses Defizit nicht ausgleichen und tragen nicht zur Deeskalation bei. Abrüstungs- und Rüstungskontrollfragen stehen nicht mehr auf der Tagesordnung.

Die Isolierung Nordkoreas, die, wegen seiner Nuklearrüstung, zum Teil selbst verschuldet ist, ist zum Inhalt der US-Politik geworden. Den Hebel dazu stellen die Sanktionen dar.(13)

Und die Sanktionen hat auch die VR China mitbeschlossen, sie wird daran gemessen werden, in welchem Umfang sie diese umsetzt. Chinas Problem besteht darin, dass es mit den Restriktionen andere Absichten verfolgen muss als die anderen Beschlussträger. Aus dessen Sicht soll Nordkorea diszipliniert werden, aber weder bedroht noch destabilisiert. Deshalb wird China die Sanktionen selbst durchbrechen, wenn es die Situation im eigenen Land, vor allem in den mandschurischen Provinzen, oder in Nordkorea erfordert. Schließlich währt der Freundschaftsvertrag zwischen China und Nordkorea, der beide Seiten im Konfliktfall zur Beistandsleistung verpflichtet, unverändert seit 1961. Dass dieser Vertrag die Zeiten des Umbruchs in China, den Zusammenbruch des europäischen Sozialismus und die Neuausrichtung der VR China als Global Player überstanden hat, spricht für deren unverändertes strategisches Interesse an der Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel, aber auch für das existenziell gewordene Festhalten der DPRK an diesem letzten Verbündeten.

Die gegenwärtige Lage in Korea ist von weit reichenden Entscheidungen der wichtigsten politischen, wirtschaftlichen und militärischen Großmächte auf engstem geografischen Raum geprägt. Das Bild vom eher bizarr anmutenden Schlagabtausch der "feindlichen Brüder" stimmt längst nicht mehr. Andere Weltregionen werden mit Interesse Verfolgen, ob und wie nukleare Spannungssituationen gelöst werden und sie werden ihre Politik danach ausrichten.

Kim Jong-un ist unversehens zu einer zentralen Figur geworden, die jetzt an diesem großen Rad mitdreht. Besteht er die Probe nicht, reichen die Folgen weit über sein persönliches Schicksal hinaus.



Anmerkungen

(1) Ein Wort zur Verlässlichkeit des Datenmaterials: offiziell werden so gut wie keine Daten verlautbart, nicht einmal aufgehübschte. Häufig sind Angaben zehn Jahre und älter und werden danach fortgeschrieben. Andererseits stößt man auf viele, auch unterschiedliche Angaben. Nordkorea bestätigt oder dementiert dieses Material im Regelfall nicht und eröffnet bewusst der Spekulation Tür und Tor. Wir wissen, dass Nordkorea zu den am intensivsten überwachten Ländern der Erde zählt, es ist nach wie vor im Fokus aller wesentlichen Geheimdienste und Gegenstand von Spionage und Satellitenüberwachung. Unter diesem Gesichtspunkt könnten die CIA-Daten, wie ähnlich gelagerte auch, durch aus Relevanz besitzen, wenn sie, weil aus naheliegenden Gründen veröffentlicht, nicht mit bewussten Verfälschungen, Verkürzungen oder Weglassungen arbeiteten. Die Berufung auf die Aussagekraft von Zahlen erfolgt mit der nötigen Vorsicht und soll mögliche Tendenzen anzeigen, aber keine Beweise liefern.

(2) Siegfried Knittel: unschlagbares Nordkorea (in: Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2012, S. 27)

(3) ebd, S. 29

(4) Süddeutsche Zeitung, 13.12.2012

(5) Süddeutsche Zeitung, 26./27.08.2012

(6) Süddeutsche Zeitung, 05.04.2013

(7) Süddeutsche Zeitung, 13./14.04.2013

(8) Süddeutsche Zeitung, 08.02.2013

(9) Süddeutsche Zeitung, 14.02.2013

(10) Das Eigengewicht Kims bei diesen Entscheidungen ist völlig unklar, ungeachtet aller Personalisierungen der hiesigen Presse: "Kim, der Spieler", "Nordkoreas junger Diktator spielt mit dem Feuer ...", "Der junge Diktator neigt dazu, sich zu überschätzen" - die kurze Blütenlese, die für den Tonfall aller deutschen Massenmedien stehen kann, möge als Beispiel genügen.

(11) Department of Defense: Military and security developments involving the Democratic People's Republic of Korea. 2012, p. 1

(12) The International Institute For Strategic Studies: Seoul keeps an open mind on North Korea. (Volume 18, Comment 8 - März 2012), p. 2

(13) "Dieser Ansatz [der USA] sieht vor, Pjöngjang zu isolieren ..." in: Nadine Godehardt: Pekings zweigleisige Politik gegenüber Pjöngjang. (Stiftung Wissenschaft und Politik - Aktuell 32, Juni 2013, S. 3)

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 181 - Herbst 2013, Seite 10 bis 13
Verleger: Thomas Gradl, Postfach 910307, 90261 Nürnberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2013