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DAS BLÄTTCHEN/1248: Würzburg präsentiert den Maler Hermann Hesse


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
15. Jahrgang | Nummer 25 | 10. Dezember 2012

Würzburg präsentiert den Maler Hermann Hesse

von Mathias Iven



Dichter und Maler in einem - lange Zeit hat man Hermann Hesses Doppelbegabung nur am Rande zur Kenntnis genommen. So verweist beispielsweise Matthias Frehner, Direktor des Kunstmuseums Bern, darauf, dass Hesses Malerei "von der Kunstgeschichte noch immer so stiefmütterlich behandelt [wird] wie bis vor Kurzem seine Dichtung von einem Teil der Germanistik". Ganz zu Unrecht, meint auch der Journalist Konrad Tobler, für den Hesses vor allem der Romantik verpflichtetes Gesamtwerk als ein "exemplarischer Fall" den Übergang zwischen Romantik und Moderne markiert.

Mit einer großangelegten, bereits in Bern und Montagnola gezeigten Werkschau präsentiert man Hesse derzeit, wie Kuratorin Henrike Holsing den Anspruch des Projektes in einem Interview erklärte, als "einen suizidgefährdeten Künstler, der sich mit Pinsel und Malstift in die Abgründe der eigenen Seele vorwagt". Rund 180 der mehr als 3.000 überlieferten Aquarelle sowie von Hesse illustrierte Briefe und Manuskripte vereint die im Kulturspeicher Würzburg zu besichtigende Ausstellung " ... die Grenzen überfliegen - Der Maler Hermann Hesse". Bereits 1986 gab es in Würzburg eine erste Exposition mit Werken Hesses, der der Stadt mit seiner kleinen, erstmals 1928 veröffentlichten Betrachtung "Spaziergang in Würzburg" ein bleibendes Denkmal setzte.

Wer sich für die Hintergründe von Hesses Malerei interessiert (der sich im Übrigen auf diesem Gebiet selbst immer als "Dilettant" sah), dem sei der äußerst informative und hervorragend gestaltete Ausstellungskatalog empfohlen, der neben Abbildungen von mehr als der Hälfte der Exponate einige interessante, die verschiedensten Facetten von Hesses bildkünstlerischem Schaffen beleuchtende Texte enthält.

Am besten fängt man mit dem Beitrag von Thomas Feitknecht an. Unter dem Titel "Malend durch Krieg und Krise" zeigt er zunächst das Umfeld und die Bedingungen, die zu Hesses Krise führten, um dann die Beziehung zu dem Psychotherapeuten Josef Bernhard Lang näher zu beleuchten. In erster Linie geht es dabei um die Traumanalyse, die den Schwerpunkt von Langs, im April 1916 begonnener Behandlung bildete und schließlich einige Monate später Hesses erste "Traumbilder" hervorbrachte.

Der interessanteste Beitrag des Bandes ist sicherlich der von Valentine von Fellenberg, überschrieben "Die Natur: Spiegel der Wahrheit". Anknüpfend an Feitknecht beschreibt sie Hesses Weg zur Malerei von den ersten, im Dezember 1916 entstandenen "Traumbildern" hin zu seinen Selbst- und Naturdarstellungen, die "mit unterschiedlichen Tiefenebenen" zum überwiegenden Teil "menschliche Bauten" integrieren und damit die inhaltliche Trennung von Natur und Kultur überbrücken. Fellenberg zeigt insbesondere den für Hesse so wichtigen Zusammenhang zwischen künstlerischem Prozess und seelischem Wohlbefinden. So bekannte er 1925 in einem Brief an Ina Seidel: "wenn ich meine Bildchen male, ist es [...] kein Können, sondern ein Dürfen [...], daß ich längst nicht mehr leben würde, wenn nicht in der schwersten Zeit meines Lebens die ersten Malversuche mich getröstet und gerettet hätten". Und drei Jahre später hieß es in dem Text "Malfreude, Malsorgen": "Oh, es gab auf der Welt nichts Schöneres, nichts Wichtigeres, nichts Beglückenderes als Malen, alles andre war dummes Zeug, war Zeitverschwendung und Getue."

Regina Bucher, die Direktorin des Hesse-Museums in Montagnola, gibt einen Überblick zu den Beziehungen Hesses zu bildenden Künstlern seiner Zeit. Schon im April 1900 hatte er Helene Voigt-Diederichs seine Zurückhaltung gegenüber der schreibenden Zunft damit erklärt, dass ihm "unter Kollegen nie so wohl [sei] wie unter Malern, welche ich übrigens auch den Musikern meist vorziehe". Angefangen bei den Basler Jahren (1899 bis 1904), über die Zeit in Gaienhofen (1904 bis 1912), die Berner Jahre (bis 1919) und schließlich hin zu den mehr als vier Jahrzehnten im Tessin, die mit einer eingeschobenen Betrachtung zu den Züricher Malerfreunden (1926 bis 1931) besonders beleuchtet werden, begegnet man unzähligen Namen, die in ihrer Geballtheit die Breite von Hesses Verwurzelung im Maler-Milieu zeigen. Belegt wird dieses noch näher zu untersuchende Beziehungsgeflecht auch durch die zahlreichen, in den letzten Jahren veröffentlichten Korrespondenzen mit den Malerfreunden Hans Sturzenegger, Hans Purrmann, Gunter Böhmer oder Hermann Hubacher.

Der Hesse-Herausgeber Volker Michels befasst sich ausführlich mit Hesses gleichfalls in Würzburg ausgestellten Briefaquarellen. Denn für Michels sind auch diese kleinen, den Briefkopf schmückenden Vignetten ein Spiegel von Hesses künstlerischer Entwicklung, beginnend bei den "noch unbeholfen naturalistischen Anfängen" hin zu den "vereinfachenden Gestaltungslösungen" der letzten Lebensjahre.

Eine unbedingt sehenswerte Ausstellung, die einmal mehr Hesses 1930 formuliertes Verständnis der Malerei als eine "Art von Ausruhen" dokumentiert, und die in seinem Sinne zeigt, dass "das Schwingen von ein paar Farben, auch inmitten eines schweren und problematischen Lebens zu jeder Stunde wieder Glauben und Freiheit in uns schaffen kann".


Kunstmuseum Bern Museum Hermann Hesse Montagnola (Hrsg.): "... die Grenzen überfliegen". Der Maler Hermann Hesse, Kerber Verlag, Bielefeld 2012, 227 S., 33,90 Euro. - Die gleichnamige Ausstellung im Kulturspeicher Würzburg ist noch bis zum 3. Februar 2013 täglich außer montags geöffnet.

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 25/2012 vom 10. Dezember 2012, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 15. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath, Heinz Jakubowski
... und der Freundeskreis des Blättchens
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2012