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DAS BLÄTTCHEN/1745: Ein Jahr Trump


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
20. Jahrgang | Nummer 24 | 20. November 2017

Ein Jahr Trump

von Erhard Crome


In den Köpfen der politischen Kaste in Deutschland und des hiesigen großmedialen Komplexes herrscht noch immer Wirrwarr. Es ist über ein Jahr her, dass Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde, und sie wollen es noch immer nicht fassen. Mit Blick auf die Sondierungen zur Schwampel heißt es im Tagesspiegel vom 13.11., die Welt sei in Aufruhr, die Krisen in der Welt würden schärfer "und die deutsche Politik genügt sich in Kleingeistigkeit". Das alles vor dem Hintergrund, dass die USA unter Trump "ihren Führungsanspruch zur Durchsetzung der Demokratie als bester aller möglichen Staatsformen" aufgegeben hätten.

Auch im Zusammenhang mit dem China-Besuch und dem APEC-Gipfel in Vietnam heißt es, Trump hätte dem chinesischen Präsidenten das Feld überlassen. Was bei derlei Darstellungen stets weggelassen wird ist, dass die USA in ihrer imperialen Politik, der globalistischen Interventionspolitik überdehnt sind. Trump als gelernter Wirtschaftsboss geht davon aus, dass die Kosten der weltweiten "Regime-Change"-Kriege der vergangenen Jahrzehnte den Nutzen bei weitem überstiegen. Seine Wähler haben diese Politik abgewählt. Die US-amerikanischen Steuerzahler mussten den Preis für den Globalismus zahlen und einige wenige global agierende Firmen heimsten horrende Gewinne ein. In diesem Sinne sagte Trump in seiner Rede auf dem APEC-Gipfel: "Ich werde immer Amerika an die erste Stelle setzen, und ich erwarte auch von allen anderen in diesem Raum, dass sie ihre Länder an die erste Stelle setzen." Sicherheitsberater H.R. McMaster, den sich viele "Transatlantiker" in Deutschland als Globalisten dachten, hatte am 31. Mai 2017 betont: "Die Welt ist keine 'globale Gemeinschaft' sondern eine Arena, in der Nationen, Nichtregierungs-Akteure und Wirtschaftsunternehmen eingebunden sind und um Vorteile konkurrieren." Das ist Realismus pur und hat mit dem früheren Gesc hwafel von westlich-freiheitlicher Weltordnung, das von beiden Seiten des Atlantiks zu hören war, nicht mehr zu tun.

In den Debatten zur außenpolitischen Strategie in Deutschland wird jedoch die tatsächliche Lage der USA ausgeblendet und so getan, als würde es deren Politik völlig freistehen, den Kurs nach Belieben zu ändern. Selbst jedoch meldet die deutsche Politik größere Ansprüche an. Seit dem Ausgang aus der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 wird über neue deutsche Hegemonie in Europa debattiert. Mit dem Papier "Neue Macht - Neue Verantwortung", das von November 2012 bis September 2013 von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und vom German Marshall Fund (GMF) in Zusammenarbeit mit dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes unter Einbeziehung unterschiedlicher außenpolitischer Fachleute und Politiker erarbeitet wurde, wurden neue Linien deutscher Außenpolitik umrissen.

Die SWP ist die zentrale außenpolitische Forschungseinrichtung in Deutschland, die der Bundesregierung und den staatstragenden Institutionen zuarbeitet. Der GMF wurde als eine US-amerikanische Stiftung eingerichtet, die jedoch maßgeblich aus deutschen Steuergeldern finanziert ist. Ihr Zweck ist die "Förderung der transatlantischen Beziehungen" in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Da auch die außenpolitische Analyse, wie sie in der SWP betrieben wird, traditionell "transatlantisch" ausgerichtet ist, also im Sinne engster Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, liegt man mit der Annahme richtig, hier waren die Transatlantiker unter sich. Und unter der Präsidentschaft Obamas entsprach dies dem Sinnen und Trachten auch der Regierung der USA, wie stets seit dem zweiten Weltkrieg. Das Papier "Neue Macht - Neue Verantwortung" war mit Blick auf die deutsche Regierungspolitik nach der Bundestagswahl 2013 verfertigt. Äußerungen des damaligen Außenministers Steinmeier, der Verteidigungsministerin von der Leyen sowie des Bundespräsidenten Gauck etwa auf der sogenannten Sicherheitskonferenz in München 2014 machten deutl ich, dass die Regierungspolitik diesem Fahrplan in der Tat gefolgt ist.

Ausgangspunkt ist die Lageeinschätzung, dass frühere enge Grenzen für deutsches Agieren in der Welt nicht mehr bestehen. Der liberale, demokratische kapitalistische Westen gelte weiter als Ordnung "von globaler Strahlkraft". Deutschland werde diese Weltordnung erhalten, schützen und weiterentwickeln, denn es "lebt wie kaum ein anderes Land von der Globalisierung". Künftig werde Deutschland "eigene Interessen und Werte deutlich(er) akzentuieren". Es hat den Anspruch, eine der "führenden neuen Gestaltungsmächte" in der Welt zu sein. Dem gegenüber werden "Herausforderer" identifiziert, zu denen vor allem Russland und China gerechnet werden, ferner "Störer", wie der Iran oder Venezuela. Mit dem sogenannten Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr von 2016 wurden diese Positionen offiziell auf die deutsche Außen- und Militärpolitik angewandt. Es geht noch akzentuierter von einem Feindbild Russland aus und von einem China, das ebenfalls als Gegner gesehen wird.

Nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten kann sich die politische Kaste Deutschlands der bisherigen Zusammenarbeit mit den USA im Sinne eines globalen Interventionismus unter dem Motto eines "Eintretens für westliche Werte" nicht mehr sicher sein. Die Fortdenker der neuen deutschen Macht haben deshalb ein Papier verfertigt, das mit dem Titel versehen wurde: "Trotz alledem: Amerika. Ein transatlantisches Manifest in Zeiten von Donald Trump". Neben James D. Bindenagel, einst höherer US-Diplomat, der auch in Deutschland eingesetzt war, und jetzt eine Professur an der Universität Bonn inne hat, handelt es sich bei den Autoren um deutsche Transatlantiker, die alle mit dem Globalisten-Flügel in der politischen Klasse der USA verbandelt sind, so der frühere Chef der grünen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, Mitarbeiter der Böll- und der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), des GMF Berlin und der Berliner Einrichtung des US-amerikanischen Aspen-Instituts. Ferner Stefan Heumann von der Stiftung Neue Verantwortung, die schon seit langem gegen Trump aktiv ist (Das Blättchen No. 8 vom 10. April 2017), und Jan Techau, der früher im deutschen Verteidigungsministerium und in der DGAP angestellt war und jetzt bei der American Academy in Berlin arbeitet. Veröffentlicht wurde das Papier zunächst in der Hamburger Die Zeit, in der sich dann eine Debatte um Für und Wider entspann, sowie auf der Webseite des GMF. Am 11. Oktober 2017 wurde es von der New York Times publiziert, als "eine deutsche Perspektive" gegen Trump und Warnung vor Antiamerikanismus.

Die Verfasser schielen absichtsvoll auf die derzeitigen deutschen Koalitionsverhandlungen. Der "neue deutsch-amerikanische Interessengegensatz" habe die Herausforderung zur Folge, "die transatlantischen Beziehungen durch die Präsidentschaft Donald Trumps zu steuern". Russland wird wieder als der altböse Feind herausgestellt, der "die europäische Friedensordnung in Frage" stelle. Trump trete für "eine machtbasierte nationale Interessenpolitik" ein. Bei der Verteidigung "der liberalen Weltordnung mit ihrem multilateralen Politikverständnis, ihren globalen Normen und Werten" komme daher auf Deutschland und die EU "eine besondere Verantwortung" zu. Trump sei innerhalb der außenpolitischen Eliten der USA "randständig". Deshalb solle Deutschland nicht eine strategische Umorientierung vornehmen, sondern eine "Amerika-Strategie" entwickeln, die Verschiedenes gleichzeitig erlaubt: "Kerninteressen aktiv zu vertreten, Konflikte zu moderieren, unrealistische Ambitionen zu vermeiden und so eine Brücke in eine bessere Zukunft der transatlantischen Beziehungen zu bauen". In diesem Sinne wird besonderer Wert auf das Kapitel "Sicherheitspolitik" gelegt. Deutschland solle unbedingt an der "nuklearen Teilhabe" in der NATO festhalten, um "an der nuklearen Abschreckung" der USA beteiligt zu sein. Zugleich sollten nicht nur die deutschen Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden, wie mit Obama beschlossen und von Trump eingefordert, sondern Deutschland solle "ein weiteres Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufwenden und damit mehr für Entwicklungszusammenarbeit, internationale Polizeieinsätze, Uno-Missionen, Konfliktpräventionen und Diplomatie ausgeben". Was scheinbar als Bekräftigung der UNO-Entwicklungsziele daherkommt, macht diese Form der Zusammenarbeit tatsächlich zu einer Funktion der militärisch bestimmten "Sicherheitspolitik".

Bereits im Frühjahr 2017 hatte der Mitunterzeichner Techau gemeinsam mit dem in Deutschland lebenden US-Journalisten Leon Mangasarian einen Band mit dem Titel: "Führungsmacht Deutschland" veröffentlicht. Darin fordern sie Zweigleisigkeit: Bemühen um weiter enge Beziehungen zu den USA und gleichzeitig mehr deutschen Eifer bei der Stärkung der Institutionen der EU und des Euro. Hier ist bereits die Forderung nachzulesen, nicht nur den deutschen Militärhaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, sondern im Kontext der EU stärker Weltmacht-Politik zu betreiben. Auch wenn dies die deutsche Bevölkerung mehr kostet.

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 24/2017 vom 20. November 2017, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 20. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath (†)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2017

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