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DAS BLÄTTCHEN/944: Wo laufen sie denn


Das Blättchen - Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
Nr. 3/2009 - 2. Februar 2009

Wo laufen sie denn

Von Wolfgang Sabath


In den Tagen der Obama-Festspiele war unsereins ständig geneigt, vor lauter Staunen und Verwunderei eine Maulsperre zu riskieren oder sich den Rennbahnklassiker des Humoristen Wilhelm Bendow "Wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin?" fortwährend aufzusagen. Sicher, die herzigen TV-Berichte, die uns in die Stuben schwappten, die Reportagen, die aus den Reichsrundfunkgeräten quollen und die Druckerschwärze der Obama-Artikel, die von Zeitungsseiten troff hätte nach der wochenlangen medialen Vorarbeit nicht unbedingt überraschen müssen. Doch die Wogen beginnen sich ja schon zu glätten, Alltag macht sich bereits bemerkbar (und es wird nicht lange dauern, bis Muhme Merkel Obamas erste Truppenanforderung für Afghanistan auf dem Tisch hat ...). Und nun wird deutlich, daß es ja nicht so sehr der Politiker und ihrer Presse Obama-Begeisterung war, die irritieren konnte, sondern uns die Frage umtrieb: Wo denn, bitte sehr, sind denn die ganzen Bush-Freunde geblieben?

Wir hier - Blättchen-Leser und -Autoren - sind natürlich fein raus, wir müssen uns ja einer derartigen Frage nicht aussetzen, aber gedächtnisstarke Zeitungsleser und Fernsehzuschauer dürften eigentlich nicht um sie herumkommen. Doch was heißt schon: eigentlich? Gut, Redakteure sogenannter Qualitätszeitungen könnten gegebenenfalls immer noch auf das Feuilleton verweisen. In dem wurde, das sollte fairerweise nicht unerwähnt bleiben, häufig "abgearbeitet", was im vorderen, im Politikteil des Blattes aus Gründen der Opportunität (und des Opportunismus ...) nicht stattfand: Bush-Kritik. Und das Fernsehen, das öffentlich-rechtliche allemal, rettete seine Seele in den Nachtstunden.

Doch nicht nur Deutschlands Pressewesen bot in den vorigen Obama-Wochen Anlaß zu tiefster Verwunderung - mit den deutschen Politikern konnten die Zeitungen und Rundfunk- und Fernsehstationen nicht mithalten, die deutschen Politiker waren - wieder mal, wieder mal! - unübertroffen. Wo um Himmels willen waren die denn nun alle abgeblieben, die Bush-Freunde von M. wie Merkel bis X-Y-Z aus CDU, CSU, FDP und - nicht zu vergessen - auch etlichen Sprengelchen aus der SPD? Keine Spur mehr, alles wie weggeblasen, als hätte es Heiligendamm und dergleichen nie gegeben - und auch nicht die vielen anderen Treueschwüre und -bekundungen, die im Laufe der Amtszeiten Bushs von sich gegeben worden waren. Alles perdu.

Aber ich bin mir sicher, die Redenschreiber der Politiker und auch die diversen Redaktionsleiter hatten insofern vorgesorgt, als sie auch damals in jenen Tagen, als sich die amerikanische Präsidentschaft entschied, zweierlei Reden im Schubfach hauen, eine für diesen und eine für jenen Kandidaten. Derlei ist ja beispielsweise auch bei ganz normalen Bundestagswahlen Usus, da hat jeder anständige Verantwortliche zwei Zettel mit unterschiedlichem Wortlaut parat. Welchen er dann nach 18 Uhr bei der Pressekonferenz aus der Tasche zieht, hängt dann vom Wahlergebnis ab ...

Sogar der ewige John Kornblum - ja, der - gerierte sich, wenn auch erwartungsgemäß verhaltener, in der Berliner Zeitung wenn nicht als Obama-Anhänger so doch als dessen Sympathisant: auf die Frage, was die wichtigste Botschaft sei, die von der Amtsübernahme Obamas ausgehe: "Die wichtigste Botschaft ist die von der Erneuerung der Vereinigten Staaten." Wieso denn "Erneuerung"? Bush? Kein Thema (mehr).

Da lob ich mir - Gaza-Krieg hin, Gaza-Krieg her - Schimon Peres. Der israelische Präsident telefonierte mit Bush und flötete: "Sie haben sich mit Entschlossenheit dem Terror und den Drangsalen entgegengestellt, und Sie haben parallel den Frieden in der Region und in der Welt vorangebracht. ... In Ihrer Amtszeit haben Sie bewiesen, daß Sie ein mutiger Führer sind, es ist nicht nötig haben, auf die Geschichtsbücher zu warten, um das zu begreifen." Bush, der Führer, Bush, der mutige Führer - à la bonheur!

Nun könnte ich ob meines Bashings deutscher Presse und Politiker ja der Naivität geziehen werden, weil doch von beiden eh nichts oder kaum etwas anderes zu erwarten gewesen sei: die Zwänge, nicht wahr, und die Realpolitik erst! Mag ja alles sein, aber man wird sich doch noch wundern dürfen: Wo laufen sie denn, ja, wo laufen sie denn hin? Wo sind sie denn hingelaufen, die deutschen Bush-Freunde? Na, zu Obama.


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Quelle:
Das Blättchen, Nr. 3, 12. Jg., 2. Februar 2009, S. 1-2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2009