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DAS BLÄTTCHEN/987: Ach, welche Lust, Soldat zu sein!


Das Blättchen - Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
Nr. 16/2009 - 3. August 2009

Ach, welche Lust, Soldat zu sein!

Von Henryk Martenka


Sensation!! Zeitungen meldeten, daß polnische Soldaten, die in Afghanistan Krieg führen, vier Afghanen erschossen hätten! Vier weitere hätten sie geschnappt, der Rest - vom Winde verweht. Was für schockierende Nachrichten. Erstens, weil man bisher annahm, daß selbst, wenn Polen in Afghanistan schießen, sie das auf jene humanitäre Art und Weise, mit der seinerzeit Bosnien bombardiert wurde, notabene im Verband des gleichen Ladens, der als NATO firmiert. Zweitens, weil unsere polnischen Journalisten, die Seit an Seit mit unseren Soldaten in Afghanistan stehen, unsere braven Soldaten als herzensgute Maurer (die Schulen errichten), Klempner (die Wasserleitungen verlegen) und Sanitäter (die Eingeborene vom Durchfall heilen) vorstellen. Drittens schockierte die Nachricht, weil seit geraumer Zeit vor polnischen Gerichten Anklagen gegen Soldaten verhandelt werden, die auf Afghanen geschossen haben und denen deshalb lebenslänglich droht.

Die Vieldeutigkeit der Mission der polnischen Streitkräfte in Afghanistan bewirkt, daß niemand weiß, wie der Krieg zu benennen ist, den wir auf eigene Kosten dort führen. Kann man das überhaupt einen Krieg nennen, da unsere Braven in Afghanistan nicht auf uniformierte Soldaten, sondern auf bewaffnete Zivilisten schießen? Die Unsrigen vernichten weder Panzer noch Flugzeuge, weil die Taliban derartiges Gerät nicht besitzen. Sie schießen auf armselige Lehmhütten, auf ein Loch im Boden, in einen Erdspalt, auf einen Schatten. Bisher war Gott mit ihnen, haben sie bisher doch noch nicht die Gäste einer Hochzeitsfeier erschossen oder eine Dorfversammlung bombardiert und auch noch nicht einen Bus mit Pilgern in die Luft gesprengt. Die GI im Einsatz "out of area" hatten da weniger Glück und erkämpften sich deshalb bei den Eingeborenen die gleiche Sympathie, die ein einfacher Mann für Hämorrhoiden, Schwindsucht oder Syphilis empfindet.

Die Amerikaner haben sich ausgedacht, daß Marineinfanterie das beste Mittel gegen Terrorismus sei, der in den Tälern Afghanistans wurzelt. Diese Militärdoktrin ist eine primitive Wiederholung jener Kanonenboot-Diplomatie des 19. Jahrhunderts, die mit Diplomatie soviel zu tun hat wie eine Breitseiten-Salve mit Salvador. Niemals zuvor, seit unserer Invasion in den Irak, hat sich der polnische Soldat unter polnischer Standarte an einer Aggression beteiligt ... Die Verantwortung polnischer Streitkräfte für eine afghanische Provinz sei nichts anderes als die am 17. September 1939 erklärte Übernahme der Verantwortung der Roten Armee für die Westgebiete der UdSSR, wie ein mir bekannter Gymnasialhistoriker nicht müde wird zu wiederholen. Schmerzt der Vergleich? Er schmerzt, aber ein sachlicher Blick auf die Interessenlage zeigt, welche Interessen die Polnischen Streitkräfte in Afghanistan wahrnehmen.

Und wodurch unterscheiden sich unsere Soldaten heute von den zuvor angeklagten Russen, die in Afghanistan nichts anderes gemacht haben als unsere Soldaten heute, wenngleich sie auf andere Landeskinder schossen. Aber wie will man im Felsgeklüft einen lieben Afghanen von einem bösen Afghanen unterscheiden, bevor man ihn nicht mit einem Kopfschuß erlegt hat?

henryk.martenka@angora.com.pl; aus dem Polnischen: Gerd Kaiser


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Quelle:
Das Blättchen, Nr. 16, 12. Jg., 3. August 2009, S. 8-9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2009