Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEGENWIND/456: Tag der Muttersprache am 21. Februar 2011


Gegenwind Nr. 269 - Februar 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

MUTTERSPRACHE
21. Februar 2011:
Tag der Muttersprache

Von Reinhard Pohl


1952 war Pakistan gerade als Teil des ehemaligen Britisch-Indien unabhängig geworden. Die Regierung in Westpakistan sprach Urdu, eine Sprache, die nur für 3 Prozent der Bevölkerung Muttersprache war. Trotzdem erklärte sie diese Sprache 1952 zu alleinigen Amtssprache in West- und Ostpakistan. In Ostpakistan, wo 98 Prozent der Menschen Bengalisch als Muttersprache hatten, kam es daraufhin zu Demonstrationen. Die Polizei schoss, zwei Studenten starben. Nachdem Bangla Desh 1971 unabhängig wurde, erklärte es den 21. Februar zum "Tag der Märtyrer".

1999 befasste sich die UNESCO mit dem Antrag von Bangla Desh, den 21. Februar zum "Internationalen Tag der Muttersprache" zu machen. Die Mehrheit stimmte zu, erstmals im Jahre 2000 wurde der Tag der Muttersprache weltweit begangen. Dabei geht es der UNESCO vor allem um den Schutz aussterbender Sprachen: Von den gegenwärtig 6000 bis 8000 Sprachen werden in einer Generation vermutlich nur noch 3000 Sprachen erhalten sein.


Sprachencharta des Europarates

1992 verabschiedete der Europarat die "Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen". Hier geht es nicht um die Sprachen von Einwanderern, sondern um traditionelle regionale Sprachen. Die Charta führt 98 mögliche Maßnahmen auf, solche Sprachen zu schützen. Alle Staaten, die die Charta unterzeichnen, müssen 35 selbst ausgewählte Maßnahmen aus dieser Liste durchführen und darüber einen Bericht abgeben.

Zum Europarat gehören alle Staaten des Kontinents außer Belarus und der Vatikan, außerdem sind die international nicht anerkannten Staaten Kosovo, Transnistrien, Abchasien, Südossetien, Karabach und Nordzypern nicht Mitglied. Die Charta ist von einigen Staaten nicht unterzeichnet worden, das sind Albanien, Belgien, Bulgarien, Estland, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Portugal und die Türkei. Mehrere andere Staaten haben unterzeichnet, das Abkommen aber noch nicht ratifiziert, also noch nicht in Kraft gesetzt. Das sind Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Frankreich, Island, Italien, Mazedonien, Moldavien und Russland. Alle anderen europäischen Staaten legen regelmäßig Rechenschaft über ihre Maßnahmen an, Deutschland für die Minderheitensprachen Dänisch und Nordfriesisch (Schleswig-Holstein), Sorbisch (Brandenburg und Sachsen), Saterfriesisch (Niedersachsen) und Romanes (Hessen).


Sprachkonflikte

Die Verwendung der Muttersprache in Behörden oder im Schulunterricht ist in vielen Staaten umstritten oder wird von der Regierung bekämpft. Eine Reihe heutiger Konflikte, zum Beispiel zwischen Aserbaidschan und Karabach, zwischen Serbien und Kosovo, zwischen Moldavien und Transnistrien haben sich an der Sprache entzündet. Zwar haben die Konflikte genauso wie die zwischen Sri Lanka und Tamil Eelam oder der Türkei und Kurdistan, auch andere Hintergründe, allerdings entzünden sich an Sprachverboten und der Einschränkung von Kindern aus Minderheiten besonders oft Konflikte.

In unmittelbarer Nachbarschaft von Deutschland zeigen die Schweiz als positives und Belgien als negatives Beispiel, dass auch westliche Demokratien einen Sprachkonflikt lösen oder bis zur Existenzgefährdung des Staates eskalieren können.

In Schleswig-Holstein gibt es für die dänische Minderheit eigene Schulen, die bisher staatlich finanziert wurden wie alle anderen Schulen. Allerdings hat die Landesregierung gleich zu Beginn der Diskussion über den "Sparhaushalt 2011" die Minderheit und ihre Sprachförderung als möglichen Steinbruch identifiziert. Die Regierungsfraktionen zogen mit, und seit 1. Januar 2011 werden dänisch-sprachige Schülerinnen und Schüler (die nach der Staatsangehörigkeit deutsche Kinder sind) nur noch mit 85 % der Mittel im Vergleich zu deutsch-sprachigen SchülerInnen gefördert. Das führte zwar zu Demonstrationen, außerdem zu Protesten der dänischen Regierung in Berlin, diese wurden aber nicht berücksichtigt. Zum Ausgleich hat die Bundesregierung einen kleinen Fonds eingerichtet, aus dem dänische Schule die Finanzierung einzelner Projekte beantragen können.


Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Seit 2002 organisiert der Gegenwind regelmäßige Treffen von Dolmetscherinnen und Dolmetschern. Sechs von ihnen haben wir befragt, wie ihre Muttersprache im Herkunftsland behandelt wird - alle haben eine Muttersprache, die nicht die offizielle Landessprache ist. Auf den folgenden Seiten informieren die Dolmetscherinnen über ihre Situation in der Ukraine, Slowakei, Bulgarien, Türkei, Irak und Iran.


*


Quelle:
Gegenwind Nr. 269 - Februar 2011, S. 43
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info

Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2011