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GEGENWIND/745: Energie - Übergabe von zwei Volksinitiativen im Landtag


Gegenwind Nr. 352 - Januar 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Energie
Übergabe von zwei Volksinitiativen im Landtag

von Klaus Peters


Zwei Organisationen, in denen sich Betroffene und Kritiker der Energiewendepolitik in Schleswig-Holstein zusammengefunden haben, der Verein Gegenwind-SH und das Bürgerinitiativennetzwerk Dithmarschen (BIND), hatten sich Ende des letzten Jahres entschlossen, zwei Volksinitiativen auf den Weg zu bringen. Es geht um die Volksinitiativen (VI) "Für die Durchsetzung des Bürgerwillens bei der Regionalplanung Wind" und "Für größere Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung". Die Aktivitäten der Schleswig-Holsteiner werden von der Bundesinitiative Vernunftkraft e.V. unterstützt, die wiederum mit über 800 Bürgerinitiativen kooperiert. Anfang Dezember sind die notwendigen Unterschriften übergeben worden.


Die bisherige Energiewendepolitik hat in Schleswig-Holstein und in anderen Bundesländern zu großen Verwerfungen geführt. Sie ist unverhältnismäßig kostenintensiv, unkonzeptionell, extrem ungerecht, in hohem Maß landschaftszerstörend, beeinträchtigt Populationen gefährdeter Vogelarten, ist gesundheitsbeeinträchtigend und nicht wirkungsvoll.(1) Der Gegensatz von Stadt und Land hat sich verschärft, in vielen Orten ist der Nachbarschaftsfrieden erheblich gestört.

Bereits im Rahmen des Fortschreibungsverfahrens der Regionalplanung sind bis zur vorgesehenen Frist, Ende Juni 2017, 6500 Stellungnahmen eingegangen. Dieses Verfahren wurde erforderlich, weil das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig Anfang Januar 2015 festgestellt hatte, dass die bisherige Regionalplanung in Teilen rechtswidrig war. Die Planung bleibt weiter fragwürdig, da sie isoliert nur die Aufstellung von Windkraftanlagen betrifft (WKA).

Am 4. Dezember letzten Jahres sind dann im Landeshaus rund 23.000 und nochmals rund 25.000 Unterschriften durch die Vertrauenspersonen der beiden VI, Dr. Susanne Kirchhof, Vorsitzende von Gegenwind S-H, Eike Ziehe, Sprecherin des BIND, und Dr. Patrick Breyer, an den amtierenden Landtagspräsidenten, Rasmus Andresen, übergeben worden. Der Text der Volksinitiativen enthält bereits konkrete Gesetzesvorschläge. Mit der VI "Bürgerwille" soll erreicht werden, dass Gemeinderatsbeschlüsse oder Bürgerentscheide von der Landesplanung verbindlich berücksichtigt werden. Nach bisheriger Rechtslage gibt es, wie vom OVG Schleswig festgestellt worden ist, keine Verbindlichkeit. Allerdings können, anders als häufig dargestellt, 'Gemeinderatsbeschlüsse und Bürgerentscheide als "weiches Tabukriterium" im Planungsprozess behandelt werden, wie der ehemalige Landtagsabgeordnete Breyer der Partei Die Piraten auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Übergabe erklärte. Mit der VI "Abstände" werden Abstände vorn Zehnfachen der Höhe einer Anlage, mindestens aber 1000 Meter (bei Anlagen, mit weniger als 100 Meter Gesamthöhe) zu Wohngebäuden gefordert. Im Bundesland Bayern ist dies bereits seit mehreren Jahren Praxis, diese Regelung ist dort auch bereits gerichtlich überprüft worden.

In anderen Bundesländern gelten durchweg auch größere Abstände als 400 Meter zu Einzelgebäuden und 800 Meter zu Siedlungen, wie in Schleswig-Holstein bisher üblich. Die CDU Schleswig-Holstein hatte mit Abständen von 500 bzw. 1200 Metern Wahlkampf zur Landtagswahl gemacht. Die FDP hatte 500 und 1000 Meter sowie bezogen auf die Höhe mindestens den vierfachen bzw. siebenfachen Abstand gefordert. Beide Parteien haben mit diesen Versprechungen Stimmen gewonnen. Die bisherige "Küstenkoalition" ist auch wegen dieser Stimmen abgewählt worden. Der neue Koalitionsvertrag enthält jedoch andere, eher vage Aussagen.

Die Vertreter der Volksinitiativen betonten auf der Pressekonferenz, dass sie keineswegs einen Verschiebebahnhof auf Kosten anderer Regionen oder gar auf Kosten von Natur und Landschaft wollen. Inzwischen hatte sich ihre Annahme bestätigt, dass die bisherigen Schallmessungen völlig unzureichend waren, da sie auf falschen Annahmen beruhen. Jetzt gibt es erweiterte und realistischere Methoden der Schallermittlung. Die Schallmessungen müssen zumindest in vielen Fällen wiederholt werden. Es ist damit zu rechnen, dass durch die neuen Schallberechnungen eine zu hohe und damit unzulässige Belastung von Anwohnern bestätigt wird. Bislang ist generell das Vorsorgeprinzip, welches das maßgebliche Bundes-Immissionsschutzgesetz vorsieht, nicht angemessen berücksichtigt worden. Dies gilt auch für die Beeinträchtigungen durch Blinkeinrichtungen (Nachtkennzeichnung). In der Nähe derartiger Anlagen ist eine ungestörte Beobachtung des Sternenhimmels nicht mehr möglich. Ob und wann bedarfsgerechte Steuerungen vorgeschrieben werden, ist noch unklar. Die Betreiber können vermutlich sogar mit Zuschüssen bzw. Nachlässen bei Ausgleichszahlungen rechnen.

Dringender Klärungsbedarf besteht zudem bei der Festlegung von angemessenen Gesamthöhen der Anlagen. Die in den Bauvorschriften und in den Naturschutzvorschriften festgelegten Abstände beziehen sich noch auf übliche Gebäude und gehen von entsprechend geringen Gebäudehöhen aus. Hinzu kommt, dass es sich um Bauwerke mit großem beweglichen Anteil handelt, deren Wirkung auf die Umgebung deshalb erheblich stärker und weitreichender ist als die normaler Gebäude. Die WKA stehen daher auch oft, viel zu nah an Bahnstrecken, Straßen und schutzwürdigen Gebieten.

Sollten die Volksinitiativen nicht zum Erfolg führen, erwägen die Initiatoren zunächst eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht. Bis Anfang April ist eine Entscheidung erforderlich. Die Initiatoren behalten sich auch die Einleitung eines Volksbegehrens vor, um damit einen Volksentscheid herbeiführen zu können.

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Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid

Anders als auf Bundesebene sind auf Landesebene immerhin basisdemokratische Instrumente wie Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide möglich. Die Hürden sind zwar mit 20.000 Unterschriften für die Volksinitiative, mit denen der Landtag aufgefordert wird, das Thema zu behandeln und 80.000 Unterschriften, mit denen ein Volksentscheid einzuleiten wäre, viel zu hoch, doch die Chancen sind vorhanden. Problematisch bleibt neben der erforderlichen Stimmenzahl grundsätzlich auch noch die juristische Anerkennung.


Anmerkung

(1) Kieler Nachrichten vom 6.12.2017, Seite 7: "Studie: Energiewende läuft nicht". In der zitierten Prognos-Studie wird u.a. festgestellt, dass die wesentlichen Ziele verfehlt worden sind. Die Kohlendioxidemissionen sinken seit 2014 nicht mehr sondern stagnieren. Die über die Ökostromumlage finanzierten Subventionen betrugen allein im abgelaufenen Jahr 24,5 Milliarden Euro. Siehe hierzu auch Kieler Nachrichten vom 25.11.2017, Seite 12: Demnach wird die immer wieder geforderte Bevorzugung von Bürgergesellschaften von findigen Projektierern und Investoren vielfach unterlaufen, wie selbst der Bundesverband Windenergie (BWE) feststellt. Die Bundesinitiative Vernunftkraft gibt in ihrer Broschüre "Kompendium für eine vernünftige Energiepolitik" einen Anteil der Erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch für das Jahr 2016 in Deutschland von 12,6 % an, der Anteil aus Windkraft betrug lediglich 2,1 %.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 352 - Januar 2018, Seite 27 - 28
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2018

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