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GLEICHHEIT/2317: Obamas Konjunkturprogramm - Ein weiteres Geschenk an die Wirtschaft


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Obamas Konjunkturprogramm: Ein weiteres Geschenk an die Wirtschaft

Von Barry Grey
10. Januar 2009
aus dem Englischen (9. Januar 2009)


In seiner ersten programmatischen Rede seit seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl setzte sich Barack Obama stark für sein Konjunkturprogramm ein und entwarf ein düsteres Bild für den Fall, dass es nicht schnell umgesetzt werde.

"Wir beginnen das Jahr inmitten einer Krise, wie wir sie zu unseren Lebzeiten noch nicht erlebt haben", erklärte er. "Die Krise hat sich in den letzten Wochen noch verschlimmert... Ich glaube zwar nicht, dass es zu spät ist, den Kurs zu ändern, aber es wäre bald zu spät, wenn wir nicht umgehend dramatische Schritte ergreifen. Wenn wir nichts unternehmen, dann könnte sich die Krise über Jahre hinschleppen... unser Land würde immer tiefer in der Krise versinken, die irgendwann vielleicht nicht mehr zurückzudrehen wäre."

Die Rede des künftigen Präsidenten beinhaltete ein bemerkenswertes, wenn auch indirektes, Eingeständnis, dass die kapitalistische Marktwirtschaft gescheitert ist und die Gefahr einer umfassenden Depression besteht. Im vergangenen Jahr sind sämtliche Grundannahmen, die seit Jahrzehnten als unangreifbare Wahrheiten galten, zerstoben: Die Unfehlbarkeit des Marktes, die Vorteile der "Risikobereitschaft" des Finanzkapitals und die Zauberkräfte der Wall Street.

"Das Ergebnis", sagte Obama, " ist ein vernichtender Vertrauensverlust und Mangel an Zuversicht in unsere Wirtschaft, unsere Finanzmärkte und unsere Regierung."

Obama kritisierte jedoch bloß in sehr allgemein gehaltener, an die gesamte Öffentlichkeit gerichteter Form die "Verantwortungslosigkeit" und "Gier". In keiner Weise analysierte er die Ursachen der Krise oder die gesellschaftlichen Interessen, die für die Katastrophe verantwortlich sind. So klaffte zwischen den historischen Dimensionen der Krise, die Obama selbst benannte, und den banalen Erklärungen für ihre Ursachen ein schreiender Widerspruch.

Obama setzte sich nicht mit den globalen Dimensionen der Krise auseinander oder mit den tiefen strukturellen Widersprüchen der amerikanischen und der Weltwirtschaft. Er benannte unbestreitbare Tatsachen und sagte zum Beispiel: "Die Chefs der Wall Street trafen unkluge und gefährliche Entscheidungen und jagten den Profiten nach, ohne Risiko- und Verantwortungsbewusstsein und ohne ausreichende staatliche Kontrolle." Er unterließ jeden Versuch, tiefer liegende Prozesse auszuloten und zu erklären, warum diese Praktiken allgegenwärtig wurden. Auch sagte er nichts zum enormen Niedergang der industriellen Basis des amerikanischen Kapitalismus, was selbst wiederum untrennbar mit der Zunahme der Finanzspekulation verbunden war. Aus diesem Grund konnte er mit keiner stringenten Argumentation aufwarten, warum seine geplanten Maßnahmen tatsächlich eine Antwort auf die Krise sein sollten.

Im Gegenteil, Obamas Lösungsplan - der so genannte Amerikanische Erholungs- und Reinvestitionsplan - wird Hunderte Millionen Dollar an Steuergeldern in die Tresore genau der Banken und Konzerne spülen, die von der Politik vor dem Crash 2008 schwer profitiert haben.

In mehreren Interviews vor der gestrigen Rede betonte Obama ausdrücklich, er habe bei seiner Ausformulierung des Konjunkturplans Republikanische Politiker und Ökonomen konsultiert. Das sind aber genau die Kräfte, die am Entschiedensten für die Politik der "freien Marktwirtschaft" eingetreten waren, die zu der Krise beitrug, und die jene korrupten Praktiken am direktesten unterstützten und billigten, die er in seiner Rede kritisierte.

Der Modus Operandi von Obamas Rede ähnelt dem von vor drei Monaten, als das Rettungspaket für die Banken durch den Kongress gepaukt wurde, mit dem den Banken Steuergelder über 700 Milliarden Dollar ausgehändigt wurden. Damals ging Bush auf Sendung und malte düstere Szenarien der Wirtschaftsentwicklung mit Rezession und Massenarbeitslosigkeit, falls der Kongress nicht sofort ein Rettungspaket für die Banken beschlösse. So sollte eine Klima der Angst geschaffen und jede öffentliche Diskussion der Ursachen der Finanzkrise oder der Wirksamkeit des Rettungspakets verhindert werden. Obama schloss sich damals als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Führung im Kongress an und unterstützte den Rettungsplan der Republikanischen Regierung für die Wall Street.

Natürlich trugen die Sondergewinne der Finanzelite aus dem Rettungsprogramm nicht dazu bei, die Katastrophe abzuwenden. Auch das Konjunkturpaket Obamas vom Donnerstag wird die Wirtschaftskrise in keiner Weise lösen. Erneut wird eine bedrohliche Wirtschaftskrise beschworen, um Maßnahmen zu Gunsten der Wirtschaft durchzusetzen, die sonst nicht durchsetzbar wären.

In seiner Rede nannte Obama keine konkreten Zahlen für seinen Plan, aber es wird angenommen, dass dieser eine Summe von 675 bis 775 Mrd. Dollar über zwei Jahre umfassen wird. Sein Übergangsteam hat es mehrfach hinausgezögert, dem neuen Kongress mit seiner Demokratischen Mehrheit einen definitiven Plan vorzulegen. Obama selbst versucht, mit den Bestimmungen des Plans den rechtesten Fraktionen beider Parteien weit entgegenzukommen. Anfang der Woche ließ er wissen, dass etwa 200 Milliarden Dollar, die ursprünglich für Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen waren, stattdessen für Steuersenkungen verwandt werden sollen. Damit steigen die Steuersenkungen auf 300 Milliarden Dollar, wovon die Hälfte an die Wirtschaft gehen soll. Einfache Familien werden lediglich tausend Dollar im Jahr an Steuererleichterungen erhalten.

Um die Rechten und Wall Street noch weiter zu versöhnen, gab Obama am Mittwoch auf seiner ersten Pressekonferenz in Washington bekannt, er wolle das durch das Konjunkturprogramm steigende Haushaltsdefizit durch Einsparungen bei Dutzenden Sozialprogrammen und bei den Überresten des sozialen Netzes der USA - dem Rentensystem und der Krankenversicherung für Alte und Arme, Medicare und Medicaid - finanzieren.

In seiner Rede am Donnerstag versuchte Obama, seinen Plan als Wohltat für die arbeitende Bevölkerung hinzustellen. Aber er wiederholte seine Drohung, Sozialprogramme anzugreifen. Er sagte: "Wie ich gestern angekündigt habe, werden wir eine beispiellose Initiative starten, unkluge und unnötige Ausgaben zu streichen... Wir werden keine solide Erholung bekommen, wenn unsere Menschen und unsere Wirtschaft nicht das Vertrauen haben, dass wir unseren Haushalt in Ordnung bringen."

Er erklärte nicht, warum Sozialprogramme gekürzt werden müssen, von denen Abermillionen Arbeiter und Rentner abhängen, um Haushaltsdefizite auszugleichen, die entstanden sind, weil man Gelder an Banken und Konzerne übertragen hat.

Die "Erholung", von der Obama spricht, wird wenig an den Problemen und Nöten der Arbeiterfamilien ändern. Er erklärte, sein Plan werde "innerhalb der nächsten Jahre drei Millionen Arbeitsplätze retten oder neu schaffen". Aber die amerikanische Wirtschaft hat allein in 2008 fast 2,5 Millionen Arbeitsplätze verloren und wird, wie Obama selbst feststellte, in den nächsten Jahren weitere Millionen verlieren. "Es wird dauern - vielleicht viele Jahre" bis "wir Wachstum und Wohlstand wieder herstellen können", erklärte er. Er fügte einen weiteren Punkt hinzu: "Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Lage erst einmal schlimmer wird, bevor sie wieder besser wird."

Mit anderen Worten, die Arbeitslosigkeit wird in absehbarer Zukunft in jedem Fall weiter steigen, selbst wenn Obamas Plan sofort und vollständig umgesetzt würde.

Vage umschrieb Obama seinen Plan, in "grüne" Energie, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur (die Reparatur von Brücken, Straßen, Schulen) zu investieren und Bundesstaaten und Kommunen zu unterstützen. Aber er versprach, alle Infrastrukturmaßnahmen würden dem privaten Sektor übertragen - eine weitere lukrative Möglichkeit, von der Krise zu profitieren.

Er legte Wert auf die Feststellung, was er vorschlage, sei kein neuer New Deal, wie seine Gefolgsleute bei "linken" und liberalen Gruppen glauben machen wollen. "Das ist nicht ein weiteres öffentliches Arbeitsprogramm", sagte er, und fügte hinzu: "Die überwiegende Mehrheit der neuen Arbeitsplätze wird in der Privatwirtschaft entstehen...". Sein Ziel sei "nicht, eine Menge neuer Regierungsprogramme ins Leben zu rufen, sondern die Grundlage für langfristiges Wirtschaftswachstum zu legen".

Er behauptete, sein Plan helfe auch gegen die Zwangsversteigerungen, aber er fügte einschränkend hinzu, Regierungshilfen für von Zwangsräumung bedrohte Familien seien auf "verantwortungsvolle" Familien begrenzt.

Obama erklärte, er werde dafür sorgen, dass eine Regulierung eingeführt werde, die "rücksichtslose Gier und riskantes Verhalten" von Banken und Finanzinstituten unterbinde. Gleichzeitig versicherte er, dass die öffentlichen Geldschleusen für die größten Firmen offen blieben. "Das katastrophale Scheitern von Finanzinstituten muss verhindert werden, deren Zusammenbruch die ganze Wirtschaft gefährden würde", sagte er.

Im Wesentlichen sprach er die amerikanische Finanzelite und die Regierung, die sie stützt, von blankem Betrug und kriminellem Verhalten frei. Er sagte: "Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Übeltäter an der Wall Street durch Regulierungslücken schlüpfen. Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Sonderinteressen die Wirtschaft in ihren Klauen halten."

Als ob die Ausplünderung der amerikanischen Wirtschaft in den letzten dreißig Jahren das Werk von einigen "Übeltätern" und "Regulierungslücken" gewesen wäre! Tatsächlich ist Parasitismus und Betrug in breitestem Umfang zum Modus Operandi der Banken und zum beherrschenden Zug dieses Wirtschaftssystems geworden, dessen Zerfall seinen Ausdruck im Niedergang der Industrie und der Produktivkräfte gefunden hat. Demokratische und Republikanische Regierungen haben gleichermaßen die Regulierung der Banken aufgeweicht, und die Rolle der Regierungskontrolleure bestand nur noch darin, die betrügerischen Praktiken zu ermöglichen und die mächtigsten und einflussreichsten Täter vor den Augen der Öffentlichkeit abzuschirmen.

In seiner ganzen Rede war Obama darauf bedacht, die grundlegenden gesellschaftlichen und Klassenfragen nicht auszusprechen, die die amerikanische Gesellschaft kennzeichnen und hinter der Krise stehen. Deswegen erwähnte er in seinem Überblick über den Finanzzusammenbruch mit keinem Wort, was das wichtigste Ergebnis des jahrzehntelangen Finanzparasitismus und der politischen Reaktion ist: das ungeheure Anwachsen der sozialen Ungleichheit.

Obamas Rede wimmelte von rhetorischen Verallgemeinerungen, Ausflüchten und unlogischen Argumenten. Er konnte nicht aussprechen, dass die Verantwortung für die Krise beim kapitalistischen System liegt.

Im Rahmen des bestehenden ökonomischen und politischen Systems gibt es keine Lösung für die soziale Katastrophe, in der die arbeitende Bevölkerung gefangen ist. Die Wirtschaftskrise in den USA ist Bestandteil der Tatsache, dass das kapitalistische System weltweit gescheitert ist. Die einzige Antwort ist ein sozialistisches Programm. Dieses beinhaltet die Enteignung der großen Konzerne und Banken und ihre Übertragung in öffentliches Eigentum unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse. Die Kontrolle und die Verwaltung der Wirtschaft muss aus den privaten Händen genommen werden, damit das Wirtschaftsleben nach gesellschaftlichen Bedürfnissen, und nicht im Dienste des privaten Profits organisiert werden kann.

Siehe auch:
Dollar-Sturz nach Rekord-Zinssenkung der
amerikanischen Notenbank 20. Dezember 2008)

Der Madoff-Skandal (17. Dezember 2008)

Obama bereitet weitgehende Kürzungen bei
Sozialprogrammen vor (9. Januar 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.01.2009
Obamas Konjunkturprogramm: Ein weiteres Geschenk an die Wirtschaft
http://wsws.org/de/2008/jan2009/obam-j10.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2009