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GLEICHHEIT/2330: Duisburg - 2.000 Menschen demonstrieren gegen Gaza-Krieg


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Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Duisburg: 2.000 Menschen demonstrieren gegen Gaza-Krieg

Von Dietmar Henning
20. Januar 2009


Etwa 2.000 Menschen demonstrierten am Samstag im Duisburger Stadtteil Hochfeld gegen den Krieg Israels im Gaza-Streifen. Aufgerufen hatte eine islamistische Vereinigung namens "Organisation für Würde und Rechte des Menschen" (Organisation for Human Dignity and Rights, HDR).

Die Demonstration in Duisburg

Die Demonstrationsteilnehmer zeigten ihre Wut und Empörung gegenüber dem Massaker an den Palästinensern in Gaza, brachten aber auch ihren Protest gegen die europäischen Regierungen zum Ausdruck. Auf einem Transparent stand die Frage: "Warum wird Israel Narrenfreiheit gewährt?" Auf einem anderen Transparent stand zu lesen: "Heute zeigt die EU ihr wahres Gesicht."

Die Demonstration war von einem Großaufgebot der Polizei begleitet. Mehrere Hundertschaften zogen vor, neben und hinter den Demonstranten her. Die Demonstrationsroute war weiträumig abgesperrt. Der Grund für dieses massive Polizeiaufgebot ist ein eigentlich unbedeutender Vorfall, der sich auf der Großdemonstration in Duisburg eine Woche zuvor ereignet hatte.

Am vorangegangenen Samstag waren 10.000 Menschen nach Duisburg gekommen, um gegen den Gaza-Krieg und Israel zu demonstrieren. Die Kundgebung und die Demonstration verliefen friedlich, das Polizeiaufgebot war mit 280 Polizisten relativ gering. Doch als der Demonstrationszug in der Innenstadt an einem Haus vorbeizog, an dessen Fenster zwei große Israel-Flaggen hängten, machte sich Empörung breit. Einige Demonstrationsteilnehmer warfen Schneebälle gegen die Fahnen.

Ein Polizist vor Ort entschied darauf, im Sinne der Deeskalation die beiden Fahnen zu entfernen. Da die Wohnung leer war, brach der Polizist die Türe auf. Später stellte sich heraus, dass die Wohnung einem Studenten gehörte, der vor dem Haus auf der Straße stand, um, wie er selbst zugab, die Reaktion auf die Israel-Flaggen beobachten zu können.

Dieser Vorfall wurde im Verlauf der Woche zu einer hysterischen Kampagne aufgebauscht. Die SPD in Nordrhein-Westfalen forderte eine Landtags-Debatte darüber und die Entlassung des örtlichen Polizeipräsidenten. Der Zentralrat der Juden kritisierte das Vorgehen der Polizei ebenfalls. Der Duisburger Polizeipräsident wurde genötigt, sich öffentlich zu entschuldigen. Den beiden Beamten, die die Fahnen entfernt hatten, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen.

So gestärkt verlegten pro-israelische Kräfte am vergangenen Samstag eine zuvor in der Nachbarstadt Essen geplante Demonstration nach Duisburg. Aufgerufen hatte eine Gruppierung, die sich "Israelsolidarische Studenten im Ruhrgebiet" nennt. Sie war erst einige Tage zuvor gegründet worden. Ihre Mitglieder, zu denen auch der Student zählt, der die Fahnen aus dem Fenster gehängt hatte, gehören zu einer kleinen rechten Gruppe, den so genannten "Anti-Deutschen". Sie sind in den letzten Jahren vor allem durch ihre fanatische Verteidigung des Zionismus aufgefallen. Einige von ihnen verteidigen auch den Irak-Krieg der USA, weil er ein die Sicherheit Israels gefährdendes Regime beseitigt habe.

Ihre Anhänger treten offen als Provokateure auf, vor allem gegen Muslime und deren Organisationen. Ihre "Demonstration" in Duisburg bestand darin, dass etwa 30 bis 40 von ihnen in der Innenstadt zusammenkamen und Israel- und US-Fahnen schwenkten. Später gingen einige zur Anti-Kriegs-Demonstration im benachbarten Stadtteil und provozierten die dortigen Teilnehmer, indem sie am Rande des Demonstrationszugs "Israel" skandierten und israelische Fahnen hochhielten.

In Erwartung weiterer Provokationen beendeten die Veranstalter der HRD die Demonstration vorzeitig, um eine Eskalation zu vermeiden. "Wir haben erfahren, dass etwas weiter vorne Gegendemonstranten auf uns warten", sagte Murat Yilmaztürk, der Vorsitzende der HRD. "Die wollen uns provozieren."

Reporter der WSWS sprachen mit Teilnehmern der Demonstration.

Zeyneb aus Duisburg-Hochfeld kam mit zwei Freundinnen, Pinar und Sevinc, zur Demonstration. Sie sagte:

"Ich finde es total unmenschlich, was im Gazastreifen passiert, dass unschuldige Frauen, Kinder und Menschen bombardiert und ermordet werden. Die israelische Armee hat absichtlich ein Lager der UN mit Lebensmitteln und Hilfsmitteln für die Bevölkerung bombardiert, die dringend benötigt würden. Anschließend hat sich die Armeeführung dann entschuldigt. Aber das glaubt doch kein Mensch. Was dort passiert, ist unmenschlich!

Das Schlimmste ist: Die Menschen, die dort angegriffen werden, können sich nicht verteidigen. Sie haben nur Steine, während die israelische Armee mit modernsten Waffen gegen unschuldige Menschen vorgeht. Selbst Krankenhäuser für Neugeborene und Heime für Waisenkinder werden bombardiert. Wie kann man ein Kinderkrankenhaus bombardieren? Das geht doch gar nicht!

Angesichts dieser Situation und dem Leiden der palästinensischen Bevölkerung kann man nicht einfach nichts machen. Man muss doch etwas dagegen tun. Deshalb sind wir hier und demonstrieren."

Zeynep kritisierte auch die deutschen Medien und Politiker: "Hier in den Medien gibt es viele Berichte, die gar nicht stimmen, oder es wird tot geschwiegen, was alles Schlimmes passiert."

Melek Can Boutchich, Apothekerin in Duisburg, sagte, sie sei dem Aufruf zur Demonstration gefolgt, weil sie sich gegen die Politik Israels wende.

"Die Menschen dort [im Gaza-Streifen] haben weder Lebensmittel noch medizinische Versorgung. Sie können nicht einmal als verletzte Frauen und Kinder raus aus dem Kriegsgebiet. Ich möchte, dass die Welt die Augen nicht verschließt, dass wir alle gemeinsam unsere Rechte wahrnehmen, demonstrieren."

Sie war auch mit der Haltung der deutschen Regierung zum Gaza-Krieg nicht einverstanden, insbesondere aufgrund der deutschen Geschichte und dem Holocaust. "Natürlich darf man nicht vergessen, was damals passiert ist, aber gerade deshalb sollte Deutschland demokratisch dagegen angehen, gegen den Krieg sein." Sie habe das Gefühl, viele hätten in Deutschland Angst, gegen den Krieg zu sein, weil sofort Kritik von israelischer Seite komme.

Empört war sie auch über Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Da fliegt der Außenminister nach Ägypten, man denkt, er setzt sich für den Frieden ein, und dann schlägt er vor, dass Deutschland die Grenze zwischen Gaza und Ägypten bewacht, um den Waffen-Schmuggel zu verhindern. Da kann man gar nichts zu sagen. Ich bin nur empört."

"In den Hauptnachrichtensendungen kommt auch kaum noch etwas zum Krieg" fuhr sie fort. "Mein Mann ist Araber und wir schauen den Fernsehsender Al Jazeera. Dort sehen wir, was in Gaza wirklich los ist." Sie sehe verstümmelte Menschen in Krankenhäusern. "Und aus diesen Krankenhäusern müssen sie noch raus, weil da Bomben fallen."

Sie wandte sich gegen eine vereinfachte Sichtweise. "Ich habe gesehen, dass auch viele Menschen in Israel gegen den Krieg sind. Auch die Menschen in Ägypten sind gegen die Schließung der Grenze zum Gaza-Streifen. Aber die Regierungen denken natürlich immer anders als die Bevölkerung."

Sie prangerte die Doppelmoral der westlichen Regierungen an. "Die USA stehen hinter dem Krieg", beklagte sie. "Im Irak waren angeblich Raketen, und die USA marschierten sofort ein. Um Saddam Hussein ging es da aber überhaupt nicht. Und hier soll man nun weggucken."

Sie vermutete, dass nun ein Waffenstillstand für den neuen US-Präsidenten Barack Obama vorbereitet würde, damit der den Frieden deklarieren könne. "Aber für die Menschen in Gaza ist es schon vorbei. Tausende Menschen sterben. Ich glaube auch, dass es viel mehr Tote gegeben hat. Wie sollen sie auch die Toten zählen unter den zerstörten Häusern? Außerdem haben die Menschen dort andere Sorgen, als ihre Toten zu zählen."

Sie erklärte, dass es ihr in diesem Konflikt nicht um die Nationalität gehe. "Ich würde hier auch für andere Menschen stehen, die auf dieser Welt durch Krieg Schaden nehmen. Ich stehe hier für die Kinder, für die Frauen, für die unschuldigen Menschen in Palästina, die den Krieg durchmachen müssen, und dafür, dass wir alle nicht wegschauen."

Die gleichen Gründe - Öffentlichkeit schaffen, nicht wegschauen und Solidarität mit den Opfern - führten Jamal Al-Ashal, IT-Systemelektroniker, zur Demonstration. Er kritisierte neben den westlichen Regierungen auch die arabischen Regime. "Der Gaza-Krieg ist meiner Meinung nach kein Kampf gegen Muslime. Es ist ein Kampf gegen diejenigen, die weltweit den Mächtigen im Wege stehen. Die anderen arabischen Regime sind selbst durch islamistische radikale Kräfte wie die Hamas bedroht. Ich glaube, dass sie den Krieg deshalb unterstützen."

Die arabischen Regime dächten nur an eine Sache, die Stärkung ihrer Position in diesem Gebiet. Daher opferten sie die Menschen in Gaza. "Die Regierungen sind Marionetten, wie zum Beispiel Hosni Mubarak in Ägypten oder die Regierung Jordaniens."

Er hatte erhebliche Zweifel, ob der Krieg der israelischen Bevölkerung helfe. "Ich glaube nicht, dass so der Frieden für das israelische Volk zu erreichen ist. Da muss man einiges überdenken, so geht es nicht."


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.01.2009
Duisburg: 2.000 Menschen demonstrieren gegen Gaza-Krieg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2009