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GLEICHHEIT/2338: Zur Verstaatlichung der Banken


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Zur Verstaatlichung der Banken

Von Barry Grey
23. Januar 2009
aus dem Englischen (19. Januar 2009)


Es ist noch keine vier Monate her, dass die Bush-Regierung das Krisenpaket verabschiedet und das Finanzministerium ermächtigt hat, die Banken mit Steuergeldern in Höhe von 700 Milliarden Dollar zu retten. Jetzt geben die gleichen Banken, die diese Staatsgelder erhalten haben, erneut massive Verluste bekannt, und die Obama-Regierung will noch einmal Hunderte Milliarden Dollar in die Wall Street pumpen.

In der Zwischenzeit hat sich die Finanzkrise verschärft, und die tiefste globale Rezession seit der großen Depression der 1930er Jahre hat begonnen. Im Herbst haben Bush und Obama Millionen Arbeitern erzählt, die Rettungsaktion der Regierung sei im Interesse des "kleinen Mannes" und nicht der Wall Street, und sie werde einen Finanzzusammenbruch und Massenarbeitslosigkeit abwenden. Seither haben viele dieser Arbeiter den Arbeitsplatz, das Haus oder die Altersersparnisse verloren. Aber die Banken haben ihre Geldgeschenke keineswegs dafür genutzt, Kredite an Unternehmen und Konsumenten zu vergeben. Lieber horten sie das Geld oder kaufen kleinere Firmen auf.

Keiner der Vorstände und Spekulanten, deren korrupte und verantwortungslose Praktiken ihre eigenen Institute und die globale Wirtschaft an den Rand des Ruins gebracht haben, und die sich selbst sieben- und achtstellige Gehälter genehmigt haben, wird zur Verantwortung gezogen. Auch keiner der Regierungskontrolleure, die sie bei der Ausplünderung der Wirtschaft unterstützt haben. Die Bankiers weigern sich - mit Billigung der Regierung - Auskunft über die Verwendung der Gelder zu geben, die sie vom Finanzministerium erhalten haben.

Die Abstimmung des US-Senats über die Freigabe der zweiten Tranche von 250 Milliarden Dollar des 700 Milliarden schweren Fonds, um die sich das Übergangsteam von Obama intensiv bemüht hat, bereitet den Boden für ein noch massiveres Rettungsprogramm. Als Vorgeschmack auf kommende Dinge erlaubte das Finanzministerium am Tag nach der Senats-Abstimmung, der Bank of America weitere zwanzig Milliarden Dollar zu überweisen. Das ist Teil eines neuen Rettungspakets, das darauf hinausläuft, 118 Milliarden Dollar Verluste der Bank zu übernehmen. Ökonomen und Sprecher der Federal Reserve sagen offen, dem 700 Milliarden schweren Rettungspaket müssten viele weitere Rettungspakete folgen.

Das alles läuft auf einen kolossalen Betrug an der amerikanischen Bevölkerung hinaus. Diese Rettungspakete verfolgen den ausschließlichen Zweck, die Interessen der Finanzaristokratie zu wahren. Es gibt keinen durchdachten Plan, um die Finanzkrise zu lösen und eine soziale Katastrophe abzuwenden, und es hat zu keinem Zeitpunkt einen gegeben.

Mitte September beriefen Finanzminister Henry Paulson (ehemals Vorstandschef von Goldman Sachs) und der Vorsitzende der Notenbank, Ben Bernanke, ein Dringlichkeitstreffen von Kongressführern ein. Den Plan, den Paulson und Bernanke von diesen Politikern absegnen ließen, um über 700 Milliarden Dollar an Steuergeldern für die Rettung der Banken bereitzustellen, begründeten sie mit einem Dokument, das weniger als drei Seiten umfasste.

Nur drei Wochen nach der Billigung des Rettungspakets durch den Kongress erklärte Paulson, er werde den Plan, den er und Bernanke als Lösung für die Krise vorgelegt hatten, in den Papierkorb werfen. Anstatt den Banken mit dem Geld verlustbringende Subprime- und andere Hypotheken gestützte Wertpapiere abzukaufen, zog er es vor, den Banken einfach Milliarden Dollar in die Hand zu drücken, und zwar quasi ohne jede Bedingung.

Jahrzehntelang hatte das Establishment, das in Politik und Medien den Ton angibt, jegliche Steuerausgaben zur Lösung sozialer Probleme als Verschwendung gebrandmarkt und jede staatliche Intervention in den Markt verurteilt. Jetzt auf einmal rufen die gleichen Kreise unisono nach massiver staatlicher Hilfe und verlangen, dass die Ressourcen des Volkes der Wall-Street-Elite ausgehändigt werden. Sobald der Reichtum der Bankiers und großen Aktionärs auf dem Spiel steht, lautete die Parole: "Alles ist möglich."

Das hat die realen Klassenbeziehungen in Amerika gnadenlos entlarvt. Die Kosten für billionenschwere Geldgeschenke an die Wall Street muss die Arbeiterklasse tragen. Obama bezieht sich auf das Haushaltsdefizit und die Schulden der Regierung, die durch die Rettungspakete gewaltig gestiegen sind, und rechtfertigt damit drastische Einschnitte bei Sozialprogrammen, einschließlich der Sozialhilfe und der medizinischen Notversorgung, die für Millionen Arbeiter und Rentner lebenswichtig sind.

Die neuen Rettungsgelder für die Banken werden die Krise genauso wenig lösen wie die bisherigen. Nicht eine der ins Auge gefassten Maßnahmen kann die wachsende Wirtschaftskatastrophe aufhalten, denn sie lassen die grundlegenden Interessen der herrschenden Klasse unangetastet, die im Privateigentum und der Kontrolle des Finanzsystems wurzeln.

Aus dem gleichen Grund hat kein einziger der so genannten Finanzexperten der Wall Street, der akademischen Kreise oder der Regierung eine vernünftige Erklärung für die Krise. Als Verteidiger des kapitalistischen Systems können sie nicht zugeben, dass der globale Finanzzusammenbruch Ausdruck des Zusammenbruchs des kapitalistischen Systems selbst ist.

Die aktuelle Krise ist das unvermeidliche Ergebnis zweier miteinander verbundener Prozesse: Der erste ist der anhaltende Niedergang des amerikanischen Kapitalismus, und der zweite eine Krise der Profitabilität in der Industrieproduktion. Letztere hat ihre Ursache in grundlegenden Widersprüchen des kapitalistischen Systems. Hinter dem gewaltigen Anwachsen des Finanzparasitentums und der offenen Kriminalität steht der Versuch der amerikanischen herrschenden Elite, die wachsenden Widersprüche ihres Systems zu überwinden, indem sie nicht mehr in der Produktion investiert, sondern in immer exotischere Formen der Finanzspekulation.

Besonders in den letzten dreißig Jahren haben die Finanzmagnaten mit Unterstützung der Regierung einen bedeutenden Teil der Industrieproduktion der Vereinigten Staaten stillgelegt und höhere Profitraten aus allen möglichen Finanzmanipulationen gezogen. Die Reichtümer, die die herrschende Klasse anhäuft, haben immer weniger mit der Schaffung wirklicher Werte im Produktionsprozess zu tun.

Heute kollabiert der Wert der zahllosen Billionen Papiergelder und hinterlässt eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe. Um diese Verluste auch nur annähernd auszugleichen, muss die herrschende Klasse ihre Ausbeutung der Arbeiterklasse verschärfen und Arbeitslosigkeit, Armut und soziales Elend vertiefen.

Für diese Krise gibt es keine fortschrittliche Lösung, ohne dass die großen Banken und Finanzinstitute aus der privaten Hand genommen werden. Sie müssen verstaatlicht, in öffentliche Dienstleistungsunternehmen überführt und unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. Die enormen Finanzmittel der Banken müssen dazu verwendet werden, um Bildung, Wohnungen, Gesundheitsversorgung, Renten und anständig bezahlte Arbeitsplätze für alle zu schaffen.

Die vormaligen Besitzer dürfen die Entschädigungsgewalt darüber nicht behalten, aber die Einlagen und Ersparnisse der arbeitenden Bevölkerung und der kleinen Geschäftsleute müssen gesichert werden.

Die Bücher der großen Banken, Finanzkonzerne und Hedge Fonds müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit ihre illegalen und sozial schädlichen Aktivitäten ans Licht kommen.

Es muss vor der Öffentlichkeit Rechenschaft über den Betrug und die Korruption abgelegt werden, die die Krise angeheizt haben, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden.

Die Milliarden Dollar gesellschaftlich erzeugten Reichtums, die auf die privaten Konten von Spekulanten und Bankiers geleitet wurden, müssen zurückgeholt und für die Ausdehnung von Sozialprogrammen verwendet werden, die der breiten Bevölkerung nützen.

Das ist keine in erster Linie technische Aufgabe. Es ist eine politische und revolutionäre Aufgabe. Die Macht der Finanzaristokratie muss gebrochen werden. Ganz ähnlich wie bei dem Ancien Régime in der Zeit vor der Französischen Revolution ist die heutige totale Kontrolle der amerikanischen Finanzelite ein absolutes Hindernis für eine gesellschaftlich progressive und rationale Wirtschaftspolitik.

Die Finanzelite wehrt sich mit Händen und Füßen gegen alle Maßnahmen, die ihren Reichtum und ihre Vorrechte einschränken, und schert sich nicht darum, was das die Gesellschaft als Ganzes kostet. Ja, diese Leute verschwören sich jeden Tag mit ihren bestochenen Agenten in der Demokratischen und der Republikanischen Partei, um aus dieser Krise, die sie selbst verursacht haben, einen noch größeren Anteil des nationalen Reichtums an sich zu reißen.

Die Voraussetzung für die Verstaatlichung der Banken unter Arbeiterkontrolle und für ihre Unterordnung unter die Bedürfnisse der Gesellschaft ist eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage sozialistischer Politik. Keine kapitalistische Regierung wird diese Aufgabe erfüllen. Notwendig ist ein politischer und revolutionärer Kampf für den Aufbau einer Arbeiterregierung.

Siehe auch:
Der Rettungsplan für die Wall Street und die
Gefahr von Diktatur (3. Oktober 2008)

Rettungsaktion enthüllt Bankrott des
amerikanischen Kapitalismus (17. September 2008)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 23.01.2009
Zur Verstaatlichung der Banken
http://wsws.org/de/2008/jan2009/bank-j22.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2009