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GLEICHHEIT/2947: Linkspartei und Grüne sagen Veranstaltungen mit Historiker Finkelstein ab


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Linkspartei und Grüne sagen Veranstaltungen mit Historiker Finkelstein ab

Von Stefan Steinberg
3. März 2010
aus dem Englischen (27. Februar 2010)


Die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) der Linkspartei hat eine Veranstaltung mit dem amerikanischen Akademiker und Experten für israelische Politik und Geschichte, Norman Finkelstein, kurzfristig abgesagt. Die Versammlung sollte am 26. Februar im Gebäude der Stiftung stattfinden.

Professor Finkelstein ist ein amerikanisch-jüdischer Gelehrter und für seine kritische Haltung gegenüber der Politik Israels bekannt. Finkelstein ist Sohn von Holocaust-Überlebenden. Er gehört zu der wachsenden Zahl jüdischer Wissenschaftler, die wertvolle Beiträge zum Studium der israelischen Geschichte leisten. Rechte, pro-israelische Kreise haben schon in der Vergangenheit wüste Kampagnen gegen ihn geführt.

Finkelstein wird besonders angegriffen, weil er sich weigert, Kritiker zu verunglimpfen, die die Verletzung der Menschenrechte und des internationalen Rechts durch Israel anprangern.

Der 55-jährige Politikprofessor ist vor allem wegen seines Buchs aus dem Jahre 2000 bekannt, das den Titel trägt: Die Holocaust-Industrie. Darin argumentiert er, dass der Holocaust zur Erreichung politischer Ziele missbraucht werde, so zum Beispiel, um Unterstützung für den Staat Israel und seine Forderung nach Reparationszahlungen zu erreichen. Diese Ziele haben nichts mit der historischen Wahrheit oder der Entlarvung des Völkermords der Nazis zu tun.

Finkelstein hat sich auch kritisch mit dem Buch Hitlers willige Vollstrecker von Daniel Goldhagen auseinandergesetzt, in dem Goldhagen argumentierte, der Holocaust sei eine Folge von angeborenem Antisemitismus des gesamten deutschen Volkes.

2007 wurde Finkelstein die Verlängerung seines Lehrauftrags an der DePaul University von Chicago verweigert, wo er seit sechs Jahren Vorlesungen gehalten hatte, obwohl sein Fachbereich, seine Studenten und der Lehrkörper der Universität ihn unterstützten. Prominente Zionisten und andere Gegner seiner Auffassungen hatten intensiven Druck ausgeübt.

Ein Jahr später wurde Finkelstein die Einreise nach Israel verwehrt. Angeblich aus "Sicherheitsgründen" wurde ihm für zehn Jahre verboten, nach Israel einzureisen.

In Berlin sollte Finkelstein auf zwei Versammlungen über die aktuelle Lage im Nahen Osten sprechen. Das Thema beider Versammlungen, die Ende Januar angekündigt wurden, lautete: "Israel, Palästina und der Goldstone-Bericht". (Der Goldstone-Bericht war von den Vereinten Nationen in Auftrag gegeben worden. Er kam zum Schluss, dass Israel im Gazakrieg von 2008-09 Kriegsverbrechen begangen habe.)

Die erste Versammlung war für den Nachmittag des 26. Februar in der Rosa-Luxemburg-Stiftung geplant, die zweite am Abend des gleichen Tages in der Trinitatis-Kirche in Berlin.

Zu der zweiten Versammlung war Finkelstein von der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen eingeladen worden. Die Stiftung ist nach dem berühmten Schriftsteller benannt, der ein Gründungsmitglied der Grünen war. Zu den Veranstaltern gehörte unter anderen die Gruppe Jüdische Stimmen für eine gerechte Lösung im Nahen Osten.

Als erstes sagte die Heinrich-Böll-Stiftung Finkelsteins Auftritt ab. Vor ein paar Tagen gab auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung bekannt, dass ihre Räumlichkeiten für einen Auftritt Finkelsteins nicht zur Verfügung stünden.

Ein Vorstandsmitglied der RLS, Heinz Vietze, rechtfertigte die Absage der Veranstaltung mit der Begründung, die Stiftung habe "die politische Explosivität eines Vortrags Finkelsteins unterschätzt".

Ein anderer Vertreter der RLS, Erhard Crome, sprach offener. Crome hatte sich für Finkelsteins Recht eingesetzt, in Berlin zu sprechen. In einem Beitrag für die Junge Welt erklärte Crome, dass die Veranstaltung abgesagt worden sei, nachdem bekannt geworden war, dass pro-israelische Anhänger der Linkspartei vor der Versammlung protestieren wollten. Angesichts dieser Opposition aus den eigenen Reihen sagte die RLS die Versammlung sofort ab.

Das Vorgehen dieser Stiftungen der Grünen und der Linkspartei ist offene und feige politische Zensur. Mit der Absage der Versammlungen haben die Grünen und die Linkspartei deutlich gemacht, dass sie keine Diskussion über die Politik der israelischen Regierung und ihren Krieg gegen Gaza wollen.

Die Grünen unterstützen den israelischen Staat schon seit langem und besonders seit ihrer Teilnahme an der rot-grünen Koalition mit den Sozialdemokraten.

Die Unterstützung der Linkspartei für Israel ist jüngeren Datums. Führende Mitglieder der Partei haben aber klargemacht, dass sie entschlossen sind, Israel zu unterstützen und seine Verbrechen zu entschuldigen.

Im Januar 2009 sprach der Landesvorsitzende der Linkspartei in Berlin, Klaus Lederer, auf einer Kundgebung zur Unterstützung des israelischen Angriffs auf Gaza. Lederer wiederholte die Propaganda Israels und unterstützte die willkürlichen Angriffe auf wehrlose Palästinenser. Er erklärte damals: "Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt die Beschießung ziviler israelischer Wohngebiete mit Granaten und Raketen... Das ist für mich der Ausgangspunkt jeder Diskussion in unserem Land..." Er bezog sich damit auf gelegentlichen Granatenbeschuss seitens der palästinensischen Hamas.

Lederer sagte in seiner Rede nichts über die Zerstörung dicht bewohnter Gebiete im Gazastreifen durch israelische Truppen, Flugzeuge und Panzer.

Der pro-israelische Kurs der Linkspartei wird auch von ihrer obersten Führung gebilligt. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi hatte den neuen Kurs der Partei gegenüber Israel im Frühjahr 2008 eingeleitet, als er in einer Rede eine Neuausrichtung der politischen Linie der Partei gegenüber Israel forderte. Gysi lehnte die Bezeichnung "imperialistisch" für die Politik Israels ab und forderte die "Linke" auf, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Das gehöre zur deutschen Staatsraison.

Und heute zensiert die Ideenschmiede der Linkspartei einen führenden Kritiker der Politik Israels.

Bedingungslose Unterstützung für die Politik Israels ist ein Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik. Die "Neuausrichtung der politischen Linie" der Linkspartei gegenüber Israel und ihre Zensur Professor Finkelsteins sind klare Zeichen der Parteiführung, dass sie bereit ist, alle militärischen und sicherheitspolitischen Interessen des deutschen Außenministeriums zu akzeptieren und zu verteidigen.

Siehe auch:
Vorsitzender der Berliner Linkspartei unterstützt
Israel im Krieg gegen Gaza (14. Januar 2009)

"Institut Solidarische Moderne": Rechte SPD-Politik
in neuem Gewand (19. Februar 2010)

Die Linkspartei im Verteidigungsausschuss
(16. Januar 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 03.03.2010
Linkspartei und Grüne sagen Veranstaltungen mit Historiker Finkelstein ab
http://wsws.org/de/2010/mar2010/fink-m03.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2010