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GLEICHHEIT/3232: Neue Provokationen gegen WikiLeaks


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Neue Provokationen gegen WikiLeaks

Von Patrick Martin
28. August 2010


Die World Socialist Web Site verurteilt die fortgesetzte Kampagne der US-Regierung und ihrer Militärbehörden und Geheimdienste gegen WikiLeaks und ihren Gründer Julian Assange. Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Gründer von WikiLeaks, Julian Assange, die am Freitag von schwedischen Staatsanwälten zunächst erhoben und am Samstag zurückgezogen worden waren, tragen alle Merkmale einer von den USA inszenierten Provokation gegen die internetbasierte Organisation, weil diese die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak aufgedeckte hatte.

Die Obama-Regierung hat offensichtlich enormen Druck auf die schwedische Regierung ausgeübt, damit diese die Anklage gegen Assange zusammenschusterte. Seit der Zusammenstellung der "Listen von Feinden" durch die Nixon-Regierung ist keine amerikanische Regierung so unverschämt vorgegangen, um ihre politischen Gegner aufs Korn zu nehmen. Assange beschreibt dies vollkommen richtig als "schmutzige Tricks".

Die genauen Umstände, unter denen diese Vorwürfe erhoben wurden, sind dubios. Die Nachricht wurde zunächst von einer schwedischen Boulevardzeitung gebracht und dann von einem Sprecher des Staatsanwalts in Stockholm gegenüber Associated Press bestätigt. Dieser sagte, dass Assange in Abwesenheit angeklagt worden und ein Haftbefehl gegen ihn ergangen sei.

Weniger als 24 Stunden später erklärte die Hauptanklägerin der schwedischen Staatsanwaltschaft, Eva Finne, dass es keinen Grund gebe, Assange der Vergewaltigung zu verdächtigen, und dass der Haftbefehl aufgehoben sei. Unbestätigten Berichten zufolge ist jedoch noch eine zweite Anklage wegen "sexueller Belästigung" anhängig. Nach schwedischen Presseberichten erhoben zwei Frauen, die im Kontakt mit der Polizei waren, keine offizielle Beschuldigung, aber Polizei und Staatsanwälte ergriffen die Initiative, Anklage zu erheben.

Sowohl Assange als auch WikiLeaks haben den Haftbefehl als einen politisch motivierten Angriff verurteilt. Der offizielle Blog von WikiLeaks.org sagte, die Gruppe sei "zutiefst beunruhigt über die Schwere der Beschuldigungen" und fuhr fort: "Wir, die Leute hinter WikiLeaks haben eine hohe Meinung von Julian und er hat unsere volle Unterstützung."

Assange erklärte, die Anklagen gegen ihn entbehrten "jeder Grundlage". Er sagte zur schwedischen Zeitung Aftonbladet, dass er nicht wisse, wer sich hinter den Beschuldigungen der Vergewaltigung "verbirgt", aber dass er zuvor gewarnt worden sei, das Pentagon könne zu "schmutzigen Tricks" gegen ihn und WikiLeaks greifen.

Der Angriff auf WikiLeaks und Assange erfolgt nur wenige Tage, nachdem die Gruppe angekündigt hatte, dass sie zusätzlich zu den 76.000 Militärberichten, die letzen Monat veröffentlicht wurden, weitere 15.000 Dokumente über den Krieg der USA in Afghanistan zur Veröffentlichung vorbereite. Die Dokumente enthüllen, was in Afghanistan bekannt ist, aber von der Obama-Regierung und den von ihr kontrollierten Medien vor der amerikanischen Bevölkerung geheim gehalten wird, nämlich dass Hunderte von afghanischen Zivilisten von US-Einheiten illegal ermordet werden. Dafür ist insbesondere die berüchtigte Eingreiftruppe 373 verantwortlich, eine Todesschwadron, die gebildet wurde, um gezielt verdächtige Aufständische zu ermorden.

Die US-Regierung leugnet offiziell, dass sie etwas mit der versuchten Anklage in Schweden oder der juristischen Verfolgung gegen WikiLeaks in irgendeinem anderen Land zu tun habe. Der New York Times zufolge haben "Sprecher der Justizbehörde, des Außen- und des Verteidigungsministeriums am Samstag abgestritten, dass sie derartige Kontakte mit ausländischen Regierungen bezüglich WikiLeaks oder Mr. Assange" haben.

Dem widerspricht ein Bericht der investigativen Webseite TheDailyBeast.com, dass die Obama-Regierung "auf Großbritannien, Deutschland, Australien und andere verbündete westliche Staaten Druck ausübe, kriminelle Anklagen" gegen Assange zu erheben und seine Reisemöglichkeiten einzuschränken.

Die Verwicklung der schwedischen Regierung in die Sache beweist die Komplizenschaft der herrschenden Klassen in Europa mit dem fortgesetzten Blutbad in Afghanistan, mit dem ein Marionettenregime von Profiteuren und Drogenhändlern unterstützt wird.

Diese Provokation verfolgt wahrscheinlich drei Ziele. Erstens Assange persönlich und seine Kollegen gleich mit zu verunglimpfen, indem haltlose Vorwürfe der Vergewaltigung und Belästigung erhoben werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Rolle Australiens von Bedeutung, wo Assange geboren wurde und dessen Pass er hat. Die australische Regierung hat einschlägige Erfahrung mit gefälschten Vergewaltigungsvorwürfen gegen Personen, die als politisch lästig angesehen werden. Sie hat solche Vorwürfe schon gegen Julian Moti benutzt, den früheren Generalstaatsanwalt der Solomon-Inseln, der sich gegen die militärische Besetzung der Inselkette durch das australische Militär gewandt hatte.

Zweitens könnte die Verleumdungskampagne Assanges Auftreten in Schweden beeinträchtigen, da er dort kürzlich zugesagt hatte, eine regelmäßige Zeitungskolumne für Aftonbladet zu schreiben, um seine Aktivitäten unter den Schutz der relativ liberalen schwedischen Pressegesetze zu stellen. Die schwedische Piratenpartei, die sich für die Internetfreiheit stark macht, kündigte am 17. August an, dass sie einige neue Server für WikiLeaks einrichten werde, um zusätzliche Bandbreiten ohne Verfolgungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. "Wir möchten alle Bestrebungen für Transparenz und Verantwortlichkeit der Macht in der Welt fördern", erklärte die Partei.

Drittens könnte beabsichtigt sein, Assange zu zwingen öffentlich in Erscheinung zu treten, damit ihn Agenten der US-Regierung ins Visier nehmen können. In diesem Zusammenhang ist die ursprüngliche Forderung des schwedischen Staatsanwalts besonders suspekt, dass Assange "sich der Polizei stellen soll, damit er zu den Vorwürfen Stellung nehmen kann." Die Obama-Regierung und die amerikanischen Medien beklagen vor allem, dass Assange ständig unterwegs ist und häufig von einem Land zum anderen reist und es daher ebenso schwierig ist, ihn selbst aufzuspüren, wie seine lose internetbasierte Organisation.

Man darf nicht vergessen, dass ein Sprecher des Pentagon in den ersten Tagen, nachdem WikiLeaks die Dokumente zum Afghanistankrieg veröffentlicht hatte, die Gruppe verwarnt hatte, dass sie nicht fortfahren dürfe, derartige Geheiminformationen zu veröffentlichen, und offen mit einem nicht näher bezeichneten Vergeltungsschlag drohte. Er sagte: "Wenn sie es nicht für nötig halten, das Richtige zu tun, dann werden wir Möglichkeiten finden, sie dazu zu zwingen."

Das Wall Street Journal berichtete am Samstag mitten in der Medienhysterie über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange, dass "das Verteidigungs- und das Justizministerium gegenwärtig untersuchen, welche Möglichkeiten existieren, um Assange und andere Betroffene gerichtlich zu verfolgen, weil sie andere zum Diebstahl von Regierungseigentum ermutigt haben" - womit die militärischen Geheimberichte über die US-Kriegsverbrechen gemeint sind.

Das Journal zitierte einen Brief des Rechtsberaters des Verteidigungsministeriums, Jeh Charles Johnson, an einen Rechtsanwalt von WikiLeaks von letzter Woche. In dem heißt es: "Es ist die Ansicht des Verteidigungsministeriums, dass WikiLeaks an dieses Material unter Umständen gekommen ist, die eine Verletzung von Gesetzen der Vereinigten Staaten darstellen und dass diese Rechtsverletzung fortgesetzt wird, solange WikiLeaks dieses Material behält."

Damit wird WikiLeaks sehr deutlich zu einem "fortlaufend" kriminell tätigen Unternehmen erklärt. Das ist eine Definition, mit der sich die US-Exekutive im Zuge des von ihr erklärten "Kriegs gegen den Terror" umfassende Machtbefugnisse verliehen hat, die für jede Art von Maßnahmen einschließlich des Einsatzes staatlicher Gewalt oder "außerordentlicher Überstellungen" benutzt werden könnten. D.h. Assange könnte gekidnappt und in ein geheimes CIA-Gefängnis oder sogar in das Gefangenenlager Guantanamo Bay verbracht werden.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 28.08.2010
Neue Provokationen gegen WikiLeaks
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2010