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GLEICHHEIT/3306: China und Russland festigen ihre Beziehungen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

China und Russland festigen ihre Beziehungen

Von John Chan
12. Oktober 2010


Der Besuch des russischen Präsidenten Dimitri Medwedew in China vom 25. bis 27. September weist einmal mehr darauf hin, dass Moskau und Peking ihre Beziehungen festigen, um den USA und deren wichtigstem Verbündeten in Nordostasien, Japan, standzuhalten.

Medwedew und der chinesische Präsident gaben eine gemeinsame Erklärung heraus, die angesichts wachsender Konkurrenz in der asiatisch-pazifischen Region "eine umfassende, tiefe strategische Zusammenarbeit" fordert. Die Erklärung unterstreicht die gegenseitige Unterstützung für die jeweiligen Interessen beider Seiten. So wird Russland die Oberhoheit Pekings über Taiwan, Tibet und Xinjiang unterstützen, während China Moskau unterstützt, wenn es "danach strebt, Frieden und Stabilität in der gesamten Kaukasus-Region und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten zu fördern".

Obwohl die USA nicht genannt wurden, richtete sich die Erklärung eindeutig gegen Washington. 2008 führte Russland einen Krieg gegen das von den USA protegierte Georgien, um die Unabhängigkeit von zwei georgischen Provinzen zu unterstützen. In Asien haben sich im letzten Jahr die Spannungen zwischen den USA und China verschärft, weil die Obama-Regierung bei vielen Problemen in der Region aggressiv interveniert hat. So haben die USA Waffen an Taiwan verkauft und den südostasiatischen Ländern den Rücken gestärkt, wenn sie im Südchinesischen Meer Gebietsstreitigkeiten mit China austrugen.

Eine zweite gemeinsame Erklärung zum 65. Jahrestag der Beendigung des zweiten Weltkriegs ist nicht weniger wichtig. Beide Länder verurteilen die Versuche, "Nazis, Militaristen und ihre Komplizen zu verherrlichen und das Ansehen der Befreier zu beschädigen". Die Erklärung zielte nicht nur auf die westliche Kritik an der sowjetischen Besatzung Osteuropas, sondern auch auf rechte, nationalistische Politiker in Japan, welche die Verbrechen des militaristischen Kriegsregimes beschönigen.

"Die Faschisten und Militaristen wollten unsere beiden Nationen, weitere Länder und den ganzen [eurasischen] Kontinent erobern und versklaven. China und Russland werden niemals die großen Heldentaten derjenigen vergessen, die den beiden Mächten Einhalt geboten haben", heißt es in der Erklärung. Weiter hieß es, die "ruhmvolle Geschichte" der sowjetisch-chinesischen Zusammenarbeit gegen Japan im Krieg habe "eine solide Grundlage für die heutige strategische Partnerschaft zwischen China und Russland gelegt".

Die Erklärung richtet sich speziell gegen Japan. Sie erscheint zu einer Zeit des erbitterten diplomatischen Streits zwischen China und Japan über die umstrittenen Diaoyu-Inseln (die in Japan "Senkaku" heißen) im Ostchinesischen Meer. Dieser Streit wurde durch die Verhaftung eines chinesischen Fischdampfer-Kapitäns ausgelöst.

Medwedew begann seine Reise mit einem Besuch in der nordostchinesischen Stadt Dalian, wo er der sowjetischen Soldaten gedachte, die bei der Vertreibung der japanischen Armee aus der Mandschurei im August 1945 gefallen waren. Bezeichnenderweise würdigte er auch die russischen Soldaten, die im Krieg 1904-05 zwischen dem zaristischen Russland und dem kaiserlichen Japan getötet wurden. Dies war damals ein Konflikt zwischen zwei imperialistischen Mächten.

Nach Medwedews Besuch beschuldigte Chinas offizielle Nachrichtenagentur Xinhua Washington, nach dem Ende des zweiten Weltkriegs "sehr viele militaristische Kriegsverbrecher in Asien" und besonders in Japan "geschützt zu haben". Der Kommentar beschuldigt die USA außerdem, die Nachkriegsabkommen zwischen den Alliierten, zu denen auch China gehört, gebrochen zu haben. Dabei hebt Xinhua besonders die Tatsache hervor, dass Japan nach dem Postdamer Abkommen von 1945 alle Gebiete zurückgeben musste, die es während und vor dem Krieg annektiert hatte. Die USA gaben jedoch trotz der Einwände Chinas 1971 unilateral die Diaoyu-Inseln an Japan zurück.

In Japan wurden die gemeinsamen Erklärungen Russlands und Chinas als vereinigte Front gegen Japan interpretiert. Russland und Japan streiten sich schon seit langer Zeit um vier Inseln der Kurilen, die nahe der nördlichen japanischen Insel Hokkaido liegen. Die Zeitung Yomiuri Shimbun warnte letzte Woche davor, dass China und Russland "bei ihren Ansprüchen auf japanische Gebiete eine gemeinsame Front bilden".

Medwedew hatte ursprünglich geplant, auf der Rückreise die Kurilen zu besuchen. Er wäre der erste russische Führer überhaupt gewesen. Tokio reagierte darauf, indem es den russischen Botschafter einberief und warnte, ein Besuch auf den Kurilen würde die russisch-japanischen Beziehungen "ernsthaft beschädigen". Moskau konterte mit der Erklärung, man brauche "keine Genehmigung", wenn der russische Präsident oder irgendein Bürger die Inseln besuchen wolle. Schließlich wurde der Abstecher aufgrund von "schlechtem Wetter" verschoben, und Medwedew kündigte an, er werde die Inseln demnächst besuchen.

Im Juli führte Russland "Wostok 2010" durch, das größte Militärmanöver in Fernost seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991. Die Flottenmanöver fanden rund um die Kurilen statt, was zu Protesten Japans führte. Die Manöver machen deutlich, dass Moskau entschlossen ist, erneut eine starke Präsenz im Pazifik aufzubauen. Russland hat ehrgeizige Pläne bekannt gegeben, die Russische Pazifische Flotte im nächsten Jahrzehnt auszubauen.

Moskau und Peking arbeiten bereits gemeinsam daran, dem Einfluss der USA in Zentralasien durch die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organisation, SCO) entgegenzuwirken. Der SCO, die 2001 gegründet wurde, gehören außer Russland und China noch die vier zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan and Usbekistan an. Im letzten Monat hat die SCO über zwei Wochen lang ein größeres, gemeinsames Militärmanöver in Kasachstan unter dem Namen "Friedensmission 2010" abgehalten. Während das offizielle Motto "Kampf gegen den Terror" lautete, deutete der Umfang des Manövers auf eine gemeinsame Militärübung in konventioneller Kriegsführung hin. Rund 5000 Soldaten, sowie Panzer und Heeresflugzeuge nahmen daran teil.

Die russisch-chinesische "strategische Partnerschaft" bezieht sich auch auf den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Medwedew hob bei seinem Besuch auch die Fertigstellung einer Ölpipeline von Ostsibirien zur chinesischen Stadt Daqing hervor, über die für einen Zeitraum von zwanzig Jahren jährlich fünfzehn Millionen Tonnen Öl nach China geliefert werden. Die Pipeline ist Teil eines 25-Milliarden-Dollar-Abkommens, "Darlehen für Öl", das China letztes Jahr mit den russischen staatseigenen Energieriesen abgeschlossen hat.

China beschafft sich das Öl über den Landweg, um seine Abhängigkeit von den Seewegen in den Nahen Osten und Afrika zu verringern, die derzeit von der US-Marine kontrolliert werden. Russland versucht ebenfalls, seine Abhängigkeit vom europäischen Energiemarkt zu reduzieren, indem es Pipelines baut, die nicht nur China, sondern auch Japan und andere asiatische Länder versorgen.

Der russische Vize-Premierminister Igor Sechin hat Medwedew nach Tianjin begleitet, um an der Einweihungsfeier einer fünf Milliarden Dollar teuren Ölraffinerie teilzunehmen, die gemeinsam von Russland und China gebaut werden soll. Sechin teilte seinen chinesischen Gästen mit, Russland sei "bereit, auch Chinas Nachfrage nach Gas voll und ganz zu befriedigen". Streitigkeiten um Preise hatten ein Abkommen von 2006 über die Lieferung von jährlich sechzig Milliarden Kubikmetern Gas nach China ab 2011 zum Stillstand gebracht. Bei den letzten Gesprächen wurde vereinbart, dass die Gaslieferungen ab dem Jahr 2015 über die folgenden dreißig Jahre laufen werden.

Medwedew forderte China auf, in großem Maßstab in Russland zu investieren, um die verfallende Industriebasis seines Landes zu modernisieren. Während Medwedews Besuch wurde ein Joint Venture zwischen der chinesischen FAW-Gruppe und der russischen GAZ-Gruppe vereinbart, um Lastkraftwagen im Ural zu produzieren. China produziert heute die Hälfte alle Lastwagen auf der Welt und beginnt Lastwagen zu exportieren. Im letzten Jahrzehnt nahm der Handel zwischen Russland und China um das Zwölffache zu, womit China Deutschland als größten Handelspartner Russlands überholte.

Die engeren strategischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Russland sind eine Reaktion auf den Versuch der Obama-Regierung im letzten Jahr, eine engere Zusammenarbeit mit Japan und anderen asiatischen Ländern zu schmieden, um den Einfluss Chinas in der Region zu untergraben. All diese Schritte verschärfen die Spannungen in Asien und erhöhen das mögliche Risiko für einen Konflikt.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 12.10.2010
China und Russland festigen ihre Beziehungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010