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GLEICHHEIT/3358: Obama bei "60 Minutes" - Ein Präsident als Diener des Großkapitals


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obama bei "60 Minutes": Ein Präsident als Diener des Großkapitals

Von Patrick Martin
16. November 2010


Am Sonntagabend brachte die CBS Nachrichtensendung "60 Minutes" ein fast halbstündiges Interview mit US-Präsident Barack Obama. Das Gespräch mit dem Moderator Steve Kroft wurde am Donnerstag, dem 4. November durchgeführt und war seit der Niederlage der Demokraten bei den Kongresswahlen am vergangenen Dienstag das erste ausführliche öffentliche Interview mit Obama.

Diese Umstände machen den Inhalt der Diskussion umso bemerkenswerter. Obama gab keine Erklärung für das Wahldebakel der Demokraten ab. Weder erklärte er, wie seine Regierung es geschafft hat, das Ansehen der ultra-rechten Republikanischen Partei wieder herzustellen, die vor zwei Jahren noch völlig diskreditiert war. Noch warnte er seine früheren Anhänger vor den Gefahren für Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die demokratischen Rechte, die von einer neu erstarkten rechten Mehrheit im Repräsentantenhaus ausgehen.

Stattdessen nutzte er seinen Auftritt im nationalen Fernsehen, um das Großkapital zu beschwichtigen und die Themen der rechten Tea Party aufzugreifen, die er für politisch legitim erklärte.

So zu tun, als ob Obama durch die Niederlage zurechtgestutzt worden sei, wäre übertrieben, da es nahe legen würde, dass er vor der Wahl eine kämpferische Kampagne gegen seine Gegner geführt hätte. Er war zurückhaltend, versöhnlich und vor allem unterwürfig gegenüber der Wirtschaft, deren Diener er ist.

Während liberale Apologeten Obamas, wie das Magazin Nation, so tun, als sei er ein "Progressiver", der unerklärlicher Weise vom Weg abgekommen sei oder seine Stimme verloren habe, war der Mann, der in "60 Minutes" interviewt wurde, ein zutiefst konventioneller, konservativer Politiker ohne eine Spur von Radikalität in seinem Denken.

Von Anfang an bemühte sich Obama, jeden Zusammenhang zwischen seiner politischen Philosophie und dem traditionellen Liberalismus des 20. Jahrhunderts zu leugnen. Er sei gezwungen gewesen, den Banken und der Autoindustrie aus der Klemme zu helfen, sagte er, nicht weil er die Rolle des Staates in der Wirtschaft stärken wollte, sondern wegen des Wall Street Crashs vom September 2008 und dem nachfolgenden Einbruch der amerikanischen und der Weltwirtschaft.

Dies seien unvermeidliche Reaktionen auf eine wirtschaftliche Notsituation gewesen, argumentierte er, aber das Ergebnis davon war, dass "die Republikaner meine Regierungsphilosophie als klassischen, traditionellen Ansatz der Liberalen mit einer starken Rolle für die Regierung hinstellen konnten. Und das will das amerikanische Volk nun einmal nicht. Ich spreche dabei insbesondere über die Unabhängigen in diesem Land."

Angesichts der öffentlichen Meinung, die sehr dafür ist, mit Staatsausgaben Arbeitsplätze zu schaffen und Programme wie Sozialversicherung und Medicare zu erhalten, sind Obamas Behauptungen über das, was "das amerikanische Volk will oder nicht will" eher zweifelhaft. Aber er sprach ja auch zur herrschenden Elite und versuchte gleichzeitig, die rechtsextremen Elemente, die in dem erfolgreichen republikanischen Wahlkampf mobilisiert worden waren, zu beschwichtigen.

Er fuhr fort: "Ich denke, es ist fair zu sagen, dass das amerikanische Volk nicht für einen massiven Ausbau der Regierung ist. Wenn diese Notlage einmal überstanden ist, werden die Menschen in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich besser die langfristigen Prioritäten verstehen, die ich für das Land im Kopf habe."

Mit anderen Worten hat sich Obama dazu bekannt, die Ausgaben für die Sozialprogramme so zusammenzustreichen, wie die republikanische Mehrheit im neuen Repräsentantenhaus es verlangt.

Er erklärte auch, dass seine Gesundheitsreform nicht eine Ausweitung der "Einmischung des Staates" bedeute, sondern das Bemühen, die Staatsausgaben langfristig gesehen zu reduzieren. "Die medizinische Versorgung insgesamt" sagte er, "ist das einzige, was im Lauf der nächsten Jahre zu einer größeren Rolle der Bundesregierung führen wird."

Er fuhr fort: "Ich habe mir den Haushalt angeschaut und festgestellt, dass es ohne massive Steuererhöhungen keine Chance geben würde, diesen Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, wenn die Gesundheitskosten so weiter steigen. Weil die Bevölkerung immer älter wird. Weil wir immer mehr medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Und wir werden diese Kosten kontrollieren müssen."

Dies stellt den reaktionären Charakter des ganzen Reformprojekts im Gesundheitswesen heraus, das im Wesentlichen auf die Reduzierung der Kosten abzielte. Die angebliche Ausweitung der Versicherung auf bisher Unversicherte wurde dabei als Feigenblatt benutzt. Millionen älterer Menschen hielten die Gesetzgebung zur Gesundheitsfürsorge für eine Bedrohung für Medicare - verständlicherweise, denn die Obama-Regierung hatte vorgeschlagen, die Hälfte der Kosten in Höhe von einer Billion Dollar durch Einsparungen an diesem Programm zu finanzieren.

Obama behauptete, die Bankenrettung und das Konjunkturpaket hätten "die Gefahr, dass wir in eine große Depression abrutschen", abgewendet, obwohl die heutige Weltwirtschaft sogar in einem noch chaotischeren Zustand ist als inmitten der Finanzkrise im September 2008.

Auf die ultra-rechte Tea Party Bewegung angesprochen, zeigte Obama sich versöhnlich und behauptete, ihre "Sorge, dass die Regierung zu viel Geld ausgibt" sei "durch und durch amerikanisch". Er fügte hinzu, der beste Test für die Anhänger der Tea Party Bewegung sei, ob sie auch für Kosteneinsparungen bei "Dingen [sind], die die Leute für wirklich wichtig halten", wie die Sozialversicherung und Medicare. "Wir sind gezwungen, wichtige Themen wie Besitzstände anzupacken", sagte er.

In weniger als einem Monat muss die von Obama einberufene überparteiliche Kommission dem Weißen Haus und dem Kongress über die Pläne zur Reduzierung des Haushaltsdefizits, in erster Linie durch Einsparungen bei der Sozialversicherung und Medicare, Bericht erstatten. Dies wird das zentrale innenpolitische Projekt der Obama-Regierung in den nächsten zwei Jahren sein.

In einer letzten Verbeugung vor dem Großkapital bemerkte Obama, dass seine Regierung gemeinsam mit der Wall Street an der Umsetzung der Finanzreform arbeiten wolle, und mit der Gesundheitsindustrie an der Reformierung des Gesundheitswesens.

"Ich denke, dass es völlig legitim und sogar wichtig ist, dass die Regeln für den Bankensektor in Zusammenarbeit mit den Beteiligten erstellt werden, so dass sie von Anfang an wissen, wie die Dinge laufen werden. Wenn es um das Gesundheitswesen geht, müssen wir uns mit der Versicherungswirtschaft beraten um sicherzustellen, dass sie wissen, wie die Dinge laufen werden."

Mit anderen Worten, die Finanzbetrüger, die die USA und die Weltwirtschaft ruiniert haben und dafür nicht bestraft worden sind - im Gegenteil, die Gewinne und Boni an der Wall Street haben wieder Rekordniveau erreicht - werden die Regeln für die Banken und Finanzmärkte schreiben dürfen.

Die Versicherungsgesellschaften, die vielleicht am meisten gehassten Unternehmen in Amerika, verweigern nicht nur fünfzig Millionen Unversicherten den Versicherungsschutz, sondern auch weiteren Millionen, die zwar ihre Prämien zahlen, aber dennoch ihren Versicherungsschutz verlieren, wenn sie krank werden. Sie sollen die Vorschriften für das Gesundheitswesen bestimmen.

Diese außergewöhnlichen Erklärungen bestätigen die Einschätzung über Obama, die von der World Socialist Web Site getroffen wurde, noch bevor er ins Weiße Haus einzog. Obama wurde von einem Teil der Finanzaristokratie ausgewählt und lanciert, um die Rettung der Banken fortzusetzen, die Bush begonnen hatte. Er hat sich in den zwei Jahren seiner Präsidentschaft als treuer Verteidiger des Profitsystems erwiesen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 16.11.2010
Obama bei "60 Minutes": Ein Präsident als Diener des Großkapitals
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2010