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GLEICHHEIT/3642: Präsident des Jemen weigert sich, sein Amt abzugeben


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Präsident des Jemen weigert sich, sein Amt abzugeben

Von Patrick Martin
7. Mai 2011


Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hat sich letztes Wochenende einer Vereinbarung entzogen, die Macht nach 32 Jahren abzugeben. Er verweigerte seine Unterschrift unter ein Abkommen, das vom Golf-Kooperationsrat (GCC) ausgehandelt worden war. Der GCC, der von Saudi-Arabien dominiert wird, ist die Organisation der Ölstaaten des persischen Golfs.

Sprecher Salehs und Vertreter der Koalition aus bürgerlichen Oppositionsparteien hatten die Vereinbarung akzeptiert. Dagegen hatten die Jugendlichen und Studenten, welche die regierungsfeindlichen Proteste in der Hauptstadt Sanaa und anderen Städten anführen, sie wegen der Amnestieklausel für Saleh und seine Familie abgelehnt.

Saleh sollte am Sonntag in die saudische Hauptstadt Riad reisen, um die formelle Unterschrift zu leisten, doch er weigerte sich. Und der Generalsekretär des GCC, Abdullatif al-Zayani, kam von einem Besuch in Sanaa zurück, ohne den jemenitischen Präsidenten dazu gebracht zu haben, das Dokument zu unterschreiben.

Der Plan sieht die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vor, bei der Saleh die Macht an seinen Vizepräsidenten abgeben und sein Amt innerhalb von dreißig Tagen aufgeben sollte, während die Oppositionspolitiker der Regierung beitreten sollten. Zwei Monate später sollte eine Neuwahl für das Präsidentenamt folgen. Die Vereinbarung hatte die Unterstützung der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Saudi-Arabiens.

Doch Saleh macht einen Rückzieher und lehnte die Vereinbarung ab. Bisher ist noch nicht klar, ob er gänzlich an der Macht festhalten oder nur einfach einen höheren Preis für seinen Abgang erreichen will.

Seine Regierungspartei, der General Peoples Congress, forderte ein Ende der Sit-ins der Opposition und anderer Proteste als Teil der Vereinbarung, obwohl der GCC keine solche Klauseln vorgeschlagen hatte.

In der Hauptstadt kam es am 27. April erneut zu Gewalttätigkeiten, als Sicherheitskräfte in Zivil und Salehs Anhänger zwölf Demonstranten erschossen. Als Reaktion auf dieses neue Massaker schlossen sich am 29. April Zehntausende einer weiteren Protestwelle an und riefen: "Das Volk will den Mörder vor Gericht sehen", und andere Parolen, die forderten, dass Saleh persönlich für die Verbrechen, die seine Regierung begangen hat, zur Verantwortung gezogen werde.

Die Abmachung ist zum Teil deshalb gescheitert, weil die Oppositionsparteien, mit denen Saleh und die GCC verhandeln, unter den Millionen von Jugendlichen, Arbeitern und Angehörigen der ländlichen Stämme, die sich an den regierungsfeindlichen Demonstrationen beteiligen, kein Vertrauen genießen. Jahrelang haben die Führer dieser Parteien die Rolle einer fügsamen und unterwürfigen Opposition im Parlament des Jemen gespielt, und in einigen Fällen hatten sie sogar Posten in Salehs Diktatur inne.

Zusätzlich zu den 100.000 Menschen, die am Freitag durch Sanaa marschierten, demonstrierten weitere Zehntausende durch Ibb, Baydah und Hudaida wie auch in anderen Städten im Südjemen.

Die Oppositionsbewegung ist seit dem Massaker vom 18. März bedeutend gewachsen. Damals erschossen Scharfschützen der Regierung mindestens 55 Menschen, die nach den Freitagsgebeten an Demonstrationen gegen Saleh teilnahmen.

Die Demonstranten glauben nicht, dass der Präsident tatsächlich irgendein Abkommen einhalten werde, das einen Machtverzicht beinhaltet. In dem Abkommen, das der GCC ausgehandelt hat, gibt es jede Menge Schlupflöcher. Zum Beispiel muss Salehs Rücktritt, der um dreißig Tage aufgeschoben wurde, vom Parlament akzeptiert werden. Darin besitzt die herrschende Partei aber eine riesige Mehrheit. Er könnte mühelos seinen Rücktritt einreichen, dafür sorgen, dass seine politischen Strohmänner ihn ablehnen und dann verlangen, im Amt zu bleiben.

Die Auseinandersetzung um das GCC-Abkommen deutet auf eine Radikalisierung der regierungsfeindlichen Bewegung hin, speziell unter den Jugendlichen und den Studenten, die die Oppositionsparteien, sowohl die islamistischen wie auch die sozialdemokratischen, lediglich als Kollaborateure von Saleh ansehen.

Die Oppositionsparteien ihrerseits haben faktisch zugegeben, dass sie dem politischen Druck der Saudis und der US-Botschaft (die an den Gesprächen teilgenommen hat) und der Androhung von Gewalt nachgegeben haben. Ahmed Bahri, ein hoher Oppositionsführer, erklärte: "Wir haben den GCC-Vorschlag nach einer langen internen Diskussion dem Jemen zuliebe angenommen. Die einzige Alternative wäre Bürgerkrieg gewesen."

Seit Beginn der politischen Krise im Jemen nach dem Zusammenbruch der ägyptischen Mubarak-Diktatur im Februar ist Salehs wichtigster Trumpf die Tatsache, dass Washington das Regime unterstützt. Dazu bauscht die jemenitische Diktatur systematisch die Gefahr von al-Qaida auf der arabischen Halbinsel auf. Die terroristische Gruppe al-Qaida hat schätzungsweise 200 Mitglieder und kann in einigen ländlichen Teilen des Ostjemens fast ungehindert operieren.

Hohe US-Vertreter wie Verteidigungsminister Robert Gates und John Brennan, der oberste Koordinator des Weißen Hauses für Terrorismusbekämpfung, betonen immer wieder, wie wichtig die Zusammenarbeit der Saleh-Regierung mit den US-Streitkräften sei. Laut einer diplomatischen Depesche, die WikiLeaks veröffentlicht hat, ging Saleh so weit, die Bombardierung entlegener Gebiete im Jemen zu akzeptieren, während er gleichzeitig seinem eigenen Parlament erklärte, nicht das Pentagon, sondern das jemenitische Militär führe die Luftangriffe durch.

Laut einem Bericht des Journalisten Nick Turse, Mitglied des Radcliffe Instituts von Harvard, spielt die Militärhilfe der USA für die Saleh-Regierung eine direkte Rolle bei der Unterdrückung der regierungsfeindlichen Demonstrationen. Turse zitierte Augenzeugenberichte über den Einsatz von Militärhubschraubern, die die Obama-Regierung seit Anfang 2011 unter dem "1206"-Programm des Pentagons geliefert hat.

Über Demonstrationen in Sanaa und anderen Städten kreisen zuweilen neue Bell-UH-1H-Hubschrauber, die weiterentwickelte Version des "Huey"-Hubschraubers (des Kampfhubschraubers und Truppentransporters im Vietnam-Krieg). Möglicherweise liefern sie Informationen über Ziele für die Scharfschützen der Regierung.

Jemenitische Piloten und Wartungspersonal werden in der Anlage von Bell in Alliance, Texas, ausgebildet. Brandon Denecke von der Defense Security Cooperation Agency erklärte: "Die prompte Umsetzung des Yemen Huey II-Programms zeigt, dass die Militärressorts, in diesem Fall die US-Armee, in Zusammenarbeit mit der US-Industrie sehr schnell Verteidigungs-Artikel und -Dienstleistungen an US-Partner liefern können."

Jemen ist der größte Adressat von US-Militärhilfe unter dem 1206-Programm, das nach einem Abschnitt in der nationalen Verteidigungsgesetzgebung benannt wurde, das diese Art von Förderung erlaubt. Jemen hat 253 Millionen US-Dollar an Ausrüstung erhalten, das ist ein Fünftel des Gesamtbetrags weltweit. Dazu gehören "leichte Flugzeuge, Hubschrauber, Handfeuerwaffen, Munition, leichte Kampffahrzeuge, Lastwagen, Funkgeräte, Überwachungskameras, Computer, Panzerwesten, Patrouillenboote und Hubschrauberteile, neben anderem Material".


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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.05.2011
Präsident des Jemen weigert sich, sein Amt abzugeben
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2011